Das Erdbeben vom 29. Dezember in Kroatien war so stark, dass es auch noch in vielen Teilen Österreichs spürbar war: Beim Hauptbeben mit Stärke 6,4 wurden sieben Menschen getötet und 26 verletzt. Das Epizentrum lag rund um Petrinja, Glina und Sisak, etwa 30 Kilometer südlich von Zagreb. In dieser Region wurden die Wohn- und Wirtschaftsgebäude von rund 50.000 Menschen beschädigt. Über 1000 Häuser sind völlig zerstört.
Dem gebürtigen Kroaten Veselko Prlić (74), der seit 1968 in Salzburg wohnt, hat das Beben an die Zeit vor 30 Jahren erinnert: Denn er hat 1991, als der Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien eskalierte, eine große Hilfsaktion gestartet: "Wir haben 110 Volksschulkinder aus den Kriegsgebieten, davon 48 aus Sisak und Petrinja, nach Salzburg geholt." Weiters wurden, finanziert durch Spenden der SN-Leser, über 30 Lkw-Ladungen mit Hilfsgütern nach Kroatien gebracht. Nun plant der umtriebige Theologe und Gerichtsdolmetscher eine neue Initiative: "Wir wollen Geld sammeln, um einer Familie, die ihr Haus durch das Beben verloren hat, zu helfen - stellvertretend für die vielen anderen Betroffenen." Er wolle durch eine Reise ins Krisengebiet persönlich kontrollieren, dass das Spendengeld zu 100 Prozent widmungsgemäß verwendet werde, versichert Prlić.

Stellvertretend für viele andere Opfer hat Prlić die Familie von Nurija und Marijana Nurkić ausgewählt. Marijana Nurkić berichtet in einem Telefonat mit den SN: "Das erste Beben war Montag früh (28. Dezember, Anm.) um 6.30 Uhr - mit Stärke fünf. Wir haben dann unsere Töchter, Petra ist elf und Tea ist 15 Jahre alt, zu den Großeltern gebracht." Damals hätten sie noch Glück gehabt, weil das Haus nur kleine Kratzer abbekommen habe, erzählt die 46-Jährige. Das Hauptbeben am Tag danach hat aber die Existenz der Familie zerstört: Während Marijana Nurkić in der Arbeit war, bebte die Erde gegen 12.20 Uhr mittags noch viel heftiger als am Tag davor. Ihr Mann Nurija (44), der Sportlehrer ist, sei zu der Zeit im obersten Stock des Hauses gewesen: "Er konnte in der letzten Sekunde aus dem Haus fliehen. Er ist über die Treppe gestürzt und der Nachbar hat später erzählt, dass er nicht mehr geglaubt habe, dass mein Mann das überlebe. Denn das Haus ist einen Meter geschwankt." Ihr Mann sei aber dann nochmals kurz zurück ins Haus: "Er hat den Hund gerettet. Dabei wurde er aber aus dem Haus geschleudert. Eine Innenwand war bereits eingebrochen. Er hatte großes Glück, dass er noch gesund herausgekommen ist. Er kann jetzt seinen zweiten Geburtstag feiern." Am nächsten Tag seien die Statiker gekommen und hätten das Haus für unbewohnbar erklärt - was durch eine rote, amtliche Plakette auf der Hauswand dokumentiert ist.

Nun muss sich Familie Nurkić um ein neues Haus kümmern - und das schon zum dritten Mal: Denn seinerzeit sind sie gemeinsam mit ihren Eltern vor dem Krieg geflohen. Das zur Verfügung gestellte Ersatzhaus konnten sie renovieren; kaufen durften sie es nicht. Also hat sich die Familie vor drei Jahren das gebrauchte Haus um 45.000 Euro in Petrinja gekauft und monatelang in Eigenregie renoviert: "Unsere Eltern und wir haben alle Ersparnisse investiert und noch einen Kredit von 20.000 Euro an die Bank abzuzahlen", erzählt die zweifache Mutter. Weiters seien noch Privatkredite von Verwandten offen. "Zu Weihnachten 2019 sind wir eingezogen. Jetzt haben wir erst die zweiten Weihnachten hier gefeiert." Nun sei das Gebäude ein Totalschaden, wie Nurkić weinend erzählt: "Mein Mann geht aber jeden Tag für fünf Minuten hinein, um zu retten, was noch zu retten ist." Die Möbel seien aber verloren - darunter die IKEA-Einbauküche, für die noch 20 Raten abzuzahlen sind. "Aber unsere Fotos haben wir noch gerettet. Und das Lieblingsspielzeug meiner kleinen Tochter, einen Plüschhund."
Derzeit wohnt die Familie im kleinen Haus der Eltern von Nurija Nurkić - wodurch sich der tägliche Arbeitsweg von Marijana Nurkić aber von 40 auf 80 Kilometer verdoppelt. "Aber wir bekommen vielleicht ein Campingmobil vom Staat, das wir bei unserem Haus parken können", hofft Marijana Nurkić. Ob es eine Wiederaufbauhilfe für ihre Familie gebe, sei aber noch nicht absehbar. Hauptproblem sind derzeit die Nachbeben: Erst diesen Mittwoch habe es eines mit Stärke 5 und eines mit Stärke 4 gegeben, berichtet sie. Ein Neubau des Hauses wäre für das Paar, das zusammen 2200 Euro im Monat verdient, auch aufgrund der Altkredite unfinanzierbar: "Ein Neubau mit 100 Quadratmetern würde rund 70.000 Euro kosten, aber noch ohne Fundamente." Wie schnell ein Wiederaufbau überhaupt möglich sei, lasse sich auch noch nicht sagen, meint sie.
Prlić betont, dass die Betroffenen vielfach auf sich selbst gestellt seien: "Für Petrinja und Glina vergibt der kroatische Staat Hilfen von umgerechnet 14 Millionen Euro." Das sei angesichts der Schäden und der Tausenden Betroffenen aber viel zu wenig: "Leider sind die Behörden überfordert. Und diese Ortschaften sind an sich sehr arm - und auch vom Krieg noch sehr betroffen. Und eine Versicherung gegen Erdbeben gibt es nicht."
Spendenkonto: "Erdbebenopfer Kroatien", IBAN: AT58 1500 0003 9112 7123 , Oberbank Sbg.

Kroatien-Hilfsaktion 1991/92: 110 Kinder nach Salzburg geholt
1991 hat Veselko Prlić, auch mithilfe der Spenden der SN-Leser, 110 Kinder aus den kroatischen Kriegsgebieten geholt: "Die Kinder aus Sisak waren von 30. September 1991 bis Jänner 1992 da. Jene aus Osijek bis Mai 1992. Die haben sogar Zeugnisse bekommen, weil sie fast ein Jahr in Salzburg in der Schule waren", erinnert sich der in Taxham wohnende Theologe. Untergebracht waren die Kinder in mehreren Quartieren - bei den Herz-Jesu-Missionaren, im Annahof, in der Tourismusschule Ried sowie bei Familien. Weiters wurden 30 Lkw-Landungen an Hilfsgütern nach Kroatien gebracht. Prlić: "Speditionschef Rudi Quehenberger, der damals Präsident der Austria Salzburg war, hat die Lkw samt Lenkern und Diesel gratis zur Verfügung gestellt." Mitgeholfen hat auch der damalige, kürzlich verstorbene kroatische Trainer der Austria, Otto Barić - im Bild links neben Prlić und Austria-Manager Kurt Wiebach.