Der Wirt von der Landawirseehütte, Gerald Zehner, hat schon viel an Naturgewalten in seiner Lungauer Heimat erlebt. Aber eine Naturkatastrophe dieses Ausmaßes kann auch er kaum fassen. Im hintersten Göriachtal haben am Donnerstagnachmittag innerhalb einer halben Stunde an die 15 Muren weit mehr als 100.000 Kubikmeter Geröll und Schlamm aufgeschüttet. Am Freitag früh erkundeten betroffene Grundeigentümer und Fachleute das Gelände. Die Einsatzkräfte gingen mit schweren Arbeitsmaschinen an das große Aufräumen.
Der Hüttenwirt steht auf der meterhohen, größten Mure, die zwischen 60.000 und 80.000 Kubikmeter aus dem Kasergraben befördert hat. "Bei uns auf der Hütte oben hat es fast nicht geregnet. Die Bergrettung hat angerufen, dass hier unten alles zu ist", erzählt er. Zu den größten Schäden kam es in einem nur 200 bis 300 Meter breiten Abschnitt. "Seit dem großen Hochwasser im 66er-Jahr hat es so etwas nicht mehr gegeben", sagt auch Josef Moser. "Nicht auszudenken, wenn das am Sonntag bei der Almmesse passiert wäre, als Hunderte Leute oben waren." Das nahe gelegene Ferienhüttendorf war nicht direkt betroffen, aber abgeschnitten. Der Freiwilligen Feuerwehr Göriach unter Ortskommandant Alois Macheiner gelang es noch am Donnerstag, 55 Personen in Sicherheit zu bringen. Diese wurden vom Roten Kreuz in Göriach betreut. Elf vor allem ältere Wanderer wurden mit dem Polizeihubschrauber ausgeflogen. Kleinbusse brachten die Geretteten in ihre Quartiere.
In größter Gefahr war ein steirisches Pensionistenehepaar aus Turnau bei Bruck an der Mur, das seit Montag in Fanning bei Mariapfarr ihr Urlaubsquartier hat. Das Auto des 65-jährigen Lenkers wurde von der Mure mitgerissen. Der Steirer und seine Frau konnten sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Das Fahrzeug war auch Freitag noch in den Massen gefangen. "Ich habe mit meinen Eltern telefoniert. Es geht ihnen gut. Sie sind froh, herausgekommen zu sein", sagt ihr Sohn. "Die beiden wissen, dass das ihr zweiter Geburtstag war. Wir sagen dem Herrgott ein großes Danke, dass alle heil aus diesem Schlamassel herausgekommen sind", sagt Bgm. Reinhard Radebner. Bei der Polizei Tamsweg gingen keine Meldungen über vermisste Personen ein. Ein weiteres Auto eines 39-jährigen Stadt-Salzburgers wurde eingeschlossen. Die Insassen konnten es rechtzeitig verlassen. Auch für den Ortschef kam eine Murenkatastrophe dieser Größe überraschend. "Das haben wir nicht erwartet." Experten begutachteten am Freitagvormittag vom Hubschrauber aus die Schäden. "Der Landesgeologe sagt, dass das Gestein nach jahrelanger Erosion in dem steilen Gelände durch das Hagelunwetter in Bewegung gekommen ist", erklärt der Lungauer Katastrophenreferent Philipp Santner.
Der Zufahrtsweg "Winklstraße" wurde bis zu sieben Meter hoch verschüttet. Die kleineren Muren konnten bereits bis gestern Mittag weggeräumt werden. Wie lange die Aufräumarbeiten dauern werden, lässt sich noch nicht abschätzen.