Am 14. April 2019 änderte sich das Leben für Sylvia Wondrak. Nach einem Familientreffen war ein gemütlicher Fernsehabend geplant. Auf einmal hörte sie ein schrilles Pfeifen, erst dachte die St. Leonharderin, der Fernseher sei kaputt.
"Hörst du das Pfeifen nicht?", fragte sie ihren Mann. Leider nein. Dann nahm alles seinen Lauf. Das Geräusch blieb dauerhaft, "24/7. Vorher wusste ich mit dem Begriff nicht viel anzufangen. Mittlerweile ist mir klar, dass das 24 Stunden sieben Tage die Woche bedeutet", sagt die 55-jährige Angestellte aus St. Leonhard.
Es begann ein Marathon von Arztbesuchen. Der Hausarzt verschrieb durchblutungsfördernde Gingko-Tabletten, es folgte eine Cortison-Therapie beim HNO-Arzt, um eine Entzündung auszuschließen. Beides brachte keine Linderung. "Ich war nervös, hatte Angstzustände, litt unter Schlafentzug. Dann verschrieb mir der Hausarzt Antidepressiva."
Bei offenem Schlafzimmerfenster hörte ich immer die Alm rauschen. Das war für mich Entspannung pur. Das höre ich seit vier Jahren nicht mehr. "Der Körper kommt einfach nicht mehr zur Ruhe."
In den ersten drei Monaten folgten MRI, Physiotherapie - und ein Urlaub in Italien. "Ich hatte große Hoffnung, dass das Geräusch endlich aufhört." Doch auch hier war keine Besserung in Sicht, sie hörte nicht einmal das Meeresrauschen. Bei der Heimreise ereilte sie eine Panikattacke. Es wurden wieder Antidepressiva verschrieben, doch die Ängste und Panik sowie Hoffnungslosigkeit wurden immer ärger. Bei der Verhaltenstherapie hieß es, sich abzulenken. "Ich begann zu sticken, weil ich mich aufs Muster konzentrieren musste."
Ein Marathon an Arztbesuchen und Selbstmordgedanken
Zum Einschlafen trug sie ein Stirnband mit integrierten Lautsprechern, aus denen Entspannungsmusik ertönte. Das Schlimmste ist, wenn der Arzt oder Therapeut letztendlich sagt: "Sie haben den Tinnitus nun schon länger als drei Monate, der ist chronisch. Mit ihm müssen Sie leben lernen." Sylvia Wondrak fiel in ein Loch, hegte Selbstmordgedanken - und ließ sich in die Christian-Doppler-Klinik einliefern. Es folgte ein eineinhalbmonatiger Aufenthalt mit Gabe weiterer Psychopharmaka. Die 55-jährige dreifache Familienmutter leidet unter Grad 4 mit Dauerbelastung. "Du kapselst dich ab, meidest Menschen."
In der Tagesklinik der SALK fand Sylvia Wondrak Ablenkung mit Malen, Mantras etc. "Viel Hilfe, Verständnis und Halt erfuhr ich auf Facebook bei der Gruppe ,Tinnitus loslassen und verstehen'. Dort fühlte ich mich verstanden."
Anstatt Antidepressiva kamen CBD-Tropfen zum Einsatz. Gesprächstherapien waren erfolgversprechend. "So wurde alles besser." Es gibt auch Tage ohne störendes Pfeifen, dann bekommt der Tag im Kalender ein Herz. Ihr Tinnitus heißt Lucifer. Mit ihm spricht sie, wenn er nervt, zischt, pfeift und zirpt. Wenn es soweit ist, sagt sie zu ihm: "Jetzt kannst dich austoben, morgen gibst wieder Ruhe." Tinnitus wurde zum Freund - diese Erfahrung, Rat und Hilfe gibt Sylvia Wondrak mit viel Empathie Betroffenen in der Selbsthilfegruppe, die sie 2022 mithilfe des Dachverbandes Selbsthilfe Salzburg gegründet hat, weiter.



.jpeg)