Ob Ballettfreund oder nicht: "Schwanensee" in der berühmten Choreografie von Lew Iwanow und Marius Petipa, vor allem aber mit der Musik von Peter Iljitsch Tschaikowsky ist jedem ein Begriff. Peter Breuer, seit 1991 Ballettdirektor des Salzburger Landestheaters, zeigt ab 20. März im Haus für Mozart seine Version davon. Er selbst tanzte die Rolle des Siegfried zwischen 1967 und 1988 in 25 verschiedenen Inszenierungen. Da mit den 17 Tänzerinnen und Tänzern des fixen Landestheater-Ensembles bei "Schwanensee" kein Auskommen wäre, holte Breuer Verstärkung.
15 Absolventen der Escola do Teatro Bolshoi no Brasil in Joinville sind seit Jänner in Salzburg. Die SN besuchten eine Probe und sprachen mit Breuer über sein Projekt.
SN: Es ist elf Uhr Vormittag und es herrscht turbulentes Leben.
Breuer: Wir starten immer mit einem Konditions- und Techniktraining von etwa 90 Minuten Länge. Da sind immer die Solisten und die ganze Gruppe zusammen. Die Tänzerinnen und Tänzer arbeiten an sich selbst mit einem Trainer. Wir beginnen erst an den Stangen. Dann geht es bis zu den großen Sprüngen. Gearbeitet wird auch an der Drehtechnik.
SN: Warum "Schwanensee"?
Breuer: Ich hab dieses Stück von allen Rollen in meinem Leben am meisten getanzt. Als Prinz, in 25 Versionen und über 500 Mal. Ich habe es mir aufgehoben. 23 Jahre bin in nun hier, habe 35 Ballette kreiert und mir ,Schwanensee‘ als Sahnetörtchen aufgehoben, wissend, dass ich mehr Leute brauche. Ich legte die Kooperation meinem Intendanten Maldeghem ans Herz. Wir haben 15 Tänzer der Bolschoi-Schule Brasilien hier, die bringen uns drei Monate auf ein hohes Level. Auch was die Anzahl betrifft.
SN: Wie kam es zum Kontakt?
Breuer: Ich hatte vor drei Jahren eine Tänzerin aus Brasilien hier am Haus. Sie war Absolventin der Escola do Teatro Bolshoi no Brasil in Joinville. Ich kam zum Schluss: ,Ui, die muss aber gut sein, diese Schule‘, und bin im Sommer hingefahren, um sie mir anzuschauen. Es ist eine gigantische Schule. Nach dem Modell Bolschoi Moskau, aber eben in Brasilien. Es ist, im Sinne der Philosophie des Bolschoi-Theaters, auch ein Sozialprojekt. Die holen die Kinder teils aus den Favelas raus, die ,beißen‘ natürlich dementsprechend, weil sie darin eine Lebenschance sehen.
SN: Kann man das mit dem Projekt El Sistema aus Venezuela vergleichen?
Breuer: Ja. Ich denke durchaus. Was bei El Sistema die Musik ist, ist hier der Tanz. Ich war heuer bei der Aufnahmeprüfung. Da kamen 3000 Kinder hin. 100 haben es geschafft. Wenn man mit neun genommen wird, ist man versorgt bis zum 18. Lebensjahr. Du machst die Schule, bist im Internat, wirst auch medizinisch betreut. Das ist natürlich eine Riesenchance für viele. Die Schule lebt rein von privatem Sponsoring und Zuwendungen des Staats. Es ist eine tolle Geschichte. Die kleine Stadt Joinville wurde mit Absicht auserwählt, weil es eine sichere Stadt ist. Da ist keine Kriminalität und keine Ablenkung. Für die Kinder, denk ich, ist es so das Beste. Joinville liegt im Bundesstaat Santa Catarina. Der ist ziemlich reich. Deshalb gibt man auch entsprechend dazu. Die wollen ihr Image mit Kultur aufpeppen.
SN: Kam der Wunsch, die Schule zu bauen, aus Brasilien?
Breuer: Die Initiative kam vom Bolschoi-Theater. Der berühmte Tänzer Iwan Wladimirowitsch Wassiljew hatte eine Verbindung nach Brasilien. Es ist die einzige Schule außerhalb von Moskau, die so geführt wird. Methodik und Systematik sind ident mit dem Original.
SN: Der Tag schaut derzeit für Ihr Ensemble wie aus?
Breuer: Momentan sind wir sehr intensiv bei der Sache und haben ein klares Timing, weil ich ja nur einen Saal in der Probebühne in Gnigl habe, sonst würde es sicher besser gehen. Wir machen sieben Stunden täglich, aber dazu arbeite ich noch drei Stunden mit den Solisten. Das ergibt für mich einen Zehn-Stunden-Tag - aber o. k., ich bin ja noch jung (lacht).
SN: Am 20. März ist die Premiere. Wie weit sind Sie jetzt?
Breuer: Mir fehlen von den drei Stunden noch 25 Minuten. Mein Ziel ist es, nächsten Donnerstag auf die Bühne zu gehen, damit wir alles richtig gut ausarbeiten können. Ich habe in der Truppe tolle Solisten. Wir haben auch zwei Besetzungen gemacht. Zur Sicherheit. Man weiß ja nie, was alles passiert.
SN: Wer durfte aus Brasilien nach Salzburg kommen?
Breuer: Ich war vier Wochen dort. Ich habe an der Escola do Teatro Bolshoi no Brasil in Joinville unterrichtet, Teile des Stücks einstudiert und mit ihnen Testchoreografien gemacht. Die Besten habe ich dann ausgewählt. Ich habe alle selbst unterrichtet, so konnte ich sie am besten testen.
SN: Sie versprachen den ,Schwänen‘ aus Brasilien, auch den Winter in Salzburg erleben zu können. Und jetzt das . . .
Breuer: Ich glaube, alle sind glücklich. Die waren bei unserem Skiausflug nach Bad Gastein dabei. In der Therme vor allem, weil sie dürfen nicht Ski fahren. Aber sie waren in den Bergen und haben Schnee gesehen und eine ordentliche Schneeballschlacht gemacht.
Die Verbindung von Therme und Schnee war wunderbar.
SN: Es gibt ein Skifahrverbot für ,Schwäne‘?
Breuer: Das gilt generell für Tänzer. Es wäre einfach zu riskant. Es ist risikoreich genug, was wir hier im Ballett treiben.