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Die 22-jährige Krystina aus der Ukraine erlebt in Salzburg ersten Muttertag

Sechs Frauen und Mädchen aus der Ukraine sind in einem alten Haus im Lammertal untergekommen. Mittlerweile hat die Familie dort Nachwuchs bekommen, muss aber auch Schicksalsschläge meistern.

Die sechs Frauen und Mädchen der Familie Oleshkevych: Vika, Krystina mit Baby Matvei, Kateryna, Vlada mit Hund Vins, die siebenjährige Milena und Schwiegermutter Liudmila mit Hund Wenia.
Die sechs Frauen und Mädchen der Familie Oleshkevych: Vika, Krystina mit Baby Matvei, Kateryna, Vlada mit Hund Vins, die siebenjährige Milena und Schwiegermutter Liudmila mit Hund Wenia.

Muttertag gibt es in der Ukraine nicht, aber der Weltfrauentag ist in der Ukraine ein gesetzlicher Feiertag. Am 8. März schenken die Männer den Frauen Blumen und kümmern sich um den Haushalt. Diesen Feiertag gab es für die 30-jährige Ukrainerin Kateryna Oleshkevych in diesem Jahr nicht. "Ich mache jetzt das, was sonst die Männer machen", sagt sie mit einem Grinsen. Die Zentralheizung in dem leer stehenden Haus in Rußbach wird mit Holz betrieben. Mit ihrer siebenjährigen Tochter, der Schwiegermutter, ihrer Schwägerin und deren Schwester ist sie dort untergekommen. "Ich mache jeden Tag Feuer", sagt Kateryna Oleshkevych.

Wenige Tage nach Ausbruch des Kriegs entschloss sie sich mit ihrer Schwägerin Krystina zur Flucht. Die 22-Jährige war in der 38. Woche schwanger. "Wir haben die Bilder von der Geburtenstation im Krankenhaus Mariupol gesehen. Da war für uns klar, dass wir wegmüssen." Mit Katerynas Tochter und Krystinas Schwester setzten sie sich ins Auto und fuhren von Dnipro Richtung Ungarn. Fünf Tage saßen die Frauen im Auto, bis sie endlich zur Grenze kamen. Ihre siebenjährige Tochter Milena habe sich nie beklagt, sagt Kateryna. "Sie war sehr erwachsen. Sie wusste, worum es geht."

Hier in Rußbach kann Milena wieder Kind sein. Sie geht in die Volksschule und kann sich schon einigermaßen verständigen. Viel zu tun haben die Frauen derzeit mit dem jüngsten Mitglied der Familie. Kurz nach ihrer Ankunft in Salzburg hat die 22-jährige Krystina ihr Baby bekommen, einen Buben. Matvei ist jetzt eineinhalb Monate alt und plagt sich mit der Verdauung.

Am Tag wird er von Krystina in den Armen geschaukelt, in der Nacht schläft er kaum. Die 22-Jährige ist froh, dass ihre Mutter mittlerweile auch nach Österreich gekommen ist und sie unterstützt. Zum Beispiel bei einer Fahrt nach Bischofshofen, wo man bei einem Termin bei der Caritas wieder einmal alle möglichen bürokratischen Angelegenheiten klären muss: So ist zwar die Mutter über ihre blaue Flüchtlingskarte auch sozialversichert, ihr Sohn allerdings nicht: Offenbar hatten die Behörden nicht an die Möglichkeit gedacht, dass eine Ukrainerin in Österreich ihr Kind bekommen könnte.

Große Sorgen macht Familie Oleshkevych der Gesundheitszustand der Schwiegermutter von Krystina und Kateryna: Bei Liudmila Oleshkevych wurde kurz vor Ausbruch des Kriegs Darmkrebs diagnostiziert. Aber in den Krankenhäusern in Dnipro war eine Behandlung vorerst nicht möglich, sagt sie. "Operationen gibt es nur für Notfälle, weil so viele Verwundete aus den Kriegsgebieten zu behandeln sind." Diese Woche bekam sie in Salzburg ihre erste Chemotherapie.

Eigentlich ist ihre Schwiegermutter der Dreh- und Angelpunkt in der Familie, sagt Kateryna. Hier in Österreich schlüpfte aber sie selbst in diese Rolle. Weil sie als Einzige Englisch spricht, wurde sie zum Sprachrohr der Frauen. Eine Rolle, die auch belastend ist. Aber sie wisse, dass sie nun tapfer sein müsse, sagt die 30-Jährige. "Ich muss meiner Familie Kraft geben." Das gilt auch für die Männer der Familie zu Hause in der Ukraine. Katerynas Ehemann, ihr Schwiegervater und auch der Vater des Neugeborenen sind beim Militär. Ein Mal am Tag haben sie Kontakt, oft fließen dabei die Tränen. Vor allem für Krystina und ihren Mann ist es eine sehr schwierige Situation: Der 24-jährige Jungvater hat sein Baby noch nie in den Armen gehalten.

Noch einen Muttertag möchte Kateryna Oleshkevych eigentlich nicht in Österreich feiern. "Nach dem Sommer würden wir gerne zurück", sagt sie. Zu Hause arbeitete sie als Designerin. "Wir hatten vor Kriegsbeginn darüber gesprochen, was wir in unserer Wohnung renovieren wollen." Nun ist die Familie vom Krieg zerrissen. Eine kleine Freude soll es für Kateryna am Muttertag dennoch geben: Der Lammertaler Hilfsverein wird die ukrainischen Mütter im Tal am Sonntag mit einem Blumenstrauß überraschen.

42 Flüchtlinge hat die Lammertalter Hilfsinitiative seit Kriegsbeginn in 16 Unterkünften untergebracht. Die Freiwilligen kümmern sich auch um die Betreuung, sammeln Sachspenden, organisieren Deutschkurse. Derzeit suche man noch dringend weitere Unterkünfte, sagt Initiator Josef Hasenschwandtner.

Auch Familie Oleshekvych wird von der Initiative unterstützt. Viele geflüchtete Familien aus der Ukraine in Salzburg brauchen derzeit Unterstützung der Zivilgesellschaft, weil Hunderte Anträge auf Grundversorgung noch offen sind. Die Ukrainehilfe im Lammertal sammelt Spenden:

IBAN: AT23 3500 1000 0015 1019
Kennwort: Pfarrkirche Abtenau - Ukrainehilfe Lammertal
www.lammertal-hilft.at

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