Die Emotionen zu Beginn des Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahrens in der "Salzburg-Arena" gingen hoch. Der Projektleiter des Betreibers Austria Power Grid (APG) wurde von Leitungsgegnern ausgebuht. Rund 500 Personen kamen zur Verhandlung ins Salzburger Messezentrum. Vermutlich die Hälfte davon waren Leitungsgegner. Bitten, die Contenance zu wahren Vertreter von Bürgerinitiativen machten gleich nach der Begrüßung von Verhandlungsleiterin Eva Hofbauer ihren Unmut kund und verlangten nach einer Begründung, warum den Ablehnungsanträgen gegen die Behörde, die Verhandlungsleiterin, einen Amtssachverständigen und Gutachter nicht stattgegeben wurde. Andere zeigten sich verärgert, dass die Redezeit begrenzt wurde. "Wir lassen uns vom Land kein Zeitlimit setzen, wie lange wir hier sitzen", sagte Theodor Seebacher von der IG Erdkabel. Als APG-Projektleiter Wolfgang Hafner das Wort ergriff, wurde er von zahlreichen Zwischenrufen gestört. "Danke für ihren freundlichen Empfang", sagte Hafner. Die Verhandlungsleiterin bat um "mehr Contenance" und musste anschließend immer wieder für Ruhe sorgen. Kein "zweites Hainburg" Appelliert wurde an die Politik, an die Bevölkerung des Landes und nicht an das Geld zu denken, wie es eine Bewohnerin aus Krispl-Gaißau (Tennengau) formulierte. "Die Idylle unserer Landschaft wird zerstört. Ich habe Bauchweh, wie man über die Menschen drüber fährt. Wie kann man die Natur und die Menschen gegeneinander ausspielen?" Und Franz Köck von der Bürgerinitiative in Adnet (Tennengau) drohte: "Sie können ein zweites Hainburg haben, wenn Sie wollen." Kritisiert wurde auch, dass das Umweltverträglichkeitsgutachten unvollständig sowie fachlich nicht fundiert sei und die Prüfung neu durchgeführt werden müsste.
Die Hoffnung der Gegner, dass die Starkstromleitung nicht wie projektiert umgesetzt wird, lebt: In dem mündlichen Verfahren bestehe die Möglichkeit, auf Fehler hinzuweisen, sagte Hannes Augustin vom Naturschutzbund Salzburg zur APA. "So kann vielleicht das Bild zurecht gerückt werden und die Schwere des Eingriffs in die Natur dargestellt werden." Es gebe auch andere Möglichkeiten, beispielsweise die Teil-Erdverkabelung in sensiblen Gebieten. "Vielleicht lässt es sich auf die neue Leitung ganz verzichten", verwies Augustin auf intelligente Netzwerke und Energiesparmaßen. "Im Laufe der Jahre ändern sich die Rahmenbedingungen. Jetzt werden Gaskraftwerke abgeschaltet. Ja, es gibt die Hoffnung, dass keine Genehmigung für die zweite Salzburgleitung erteilt wird." Umweltfreundlichkeit von Rössler stark angezweifelt Auch Umweltreferentin LHStv. Astrid Rössler (Grüne), die am Montagvormittag in der "Salzburg-Arena" anwesend war, beäugt die geplante Leitung kritisch: "Es wird kaum jemanden geben, der allen Ernstes behauptet, dass das eine umweltverträgliche Trasse ist", sagte sie zur APA. Sie wünsche sich ein modernes, zeitgemäßeres Projekt, "wo man sich ein bisschen mehr traut, in die Zukunft-Technologie zu gehen", sprach Rössler die Erdverkabelung in anderen Ländern an. Bei dem mündlichen Verfahren würden auch Sachverständige aus Deutschland, die von Gemeinden und Bürgerinitiativen bestellt wurden, mit Vertretern der APG diskutieren. Es stelle sich zudem die Frage, wie weit man die 380-kV-Leitung brauche. "Eine gewisse Notwendigkeit wird man der Leitung zugestehen. Die Frage ist: Gibt es Alternativen?"
Die APG ist allerdings zuversichtlich, das Projekt durchzubringen. "Es ist eines der best geprüftesten Infrastrukturprojekte Österreichs", sagte APG-Sprecher Fritz Wöber im APA-Gespräch. Projektleiter Hafner erklärte dann bei der Verhandlung, zur Schließung des 380-kV-Ringnetzes in Österreich werde die APG keine Teil- oder Vollverkabelung durchführen. Erdkabel-Projekte in Deutschland seien alle Versuchsprojekte und befänden sich noch im Erforschungsstadium. "Uns ist die Versorgungssicherheit der nächsten Generationen wichtig. Deshalb planen wir eine Freileitung."
Ablehnung des zweiten AbschnittsSchon vor mehr als 20 Jahren hatten die Projektbetreiber die ersten Anläufe für eine neue Höchstspannungsleitung vom oberösterreichischen Innviertel nach Kaprun genommen.
Der erste Abschnitt mit einer Länge von 46 Kilometern zwischen St. Peter am Hart bei Braunau und Elixhausen bei Salzburg ist seit gut drei Jahren in Betrieb. Um den zweiten, 114 Kilometer langen Abschnitt in den Pinzgau wird jetzt härter denn je gerungen. Am Montag um 9 Uhr hat in der Salzburgarena beim Messezentrum die mündliche Verhandlung in der Umweltverträglichkeitsprüfung begonnen. Die SN beantworten wichtige Fragen:
1. Warum geht die Verhandlung in einer so großen Veranstaltungshalle über die Bühne? Weil der Veranstalter, das Amt der Landesregierung damit rechnet, dass Hunderte Betroffene teilnehmen werden. Rund 2500 Sitzplätze stehen zur Verfügung. Die Anzahl der Plätze direkt an Tischen ist allerdings auf zirka 120 beschränkt. Die Behörde will sich bemühen, allen Gruppen "möglichst optimale Bedingungen" zu bieten und die Tischplätze ausgewogen zu verteilen. Jede Gruppe oder Bürgerinitiative soll einen Sprecher bestimmen.
2. Wie wird dieses für vier Tage angesetzte Großereignis ablaufen? Die Verhandlung in der Umweltverträglichkeitsprüfung hat einen relativ strengen Ablaufplan. Die Teilnehmer müssen sich jeden Tag registrieren lassen und in eine Anwesenheitsliste eintragen. Sie sollen einen Lichtbildausweis mitnehmen. Das Land hat Kontrollen beim Einlass (zum Beispiel auf gefährliche Gegenstände hin) angekündigt und darauf hingewiesen, dass Film-, Bild- und Tonbandaufzeichnungen während der Verhandlung verboten sind. Gutachter stellen ihre Fachbeiträge vor. Betroffene können Fragen stellen und Einsprüche geltend machen. Themen wie Technik, Naturgefahren, Natur- und Bodenschutz, Biotope, Ökosysteme, Baulärm, Klimaschutz und Umweltmedizin werden in Blöcken abgehandelt. 3. Die 380-kV-Leitung ist ein heißes politisches Thema. Kann die Politik das Projekt nicht stoppen oder dem Verbund das von Anrainern geforderte Erdkabel vorschreiben? Im Behördenverfahren selbst entscheidet - formalrechtlich betrachtet - nicht die Landesregierung als Gremium. Die zuständige leitende Behörde ist das Amt der Landesregierung. Der Antragsteller Verbund APG hat ein Recht darauf, dass sein Projekt, also die Freileitung, behandelt wird, aber er muss nachweisen, warum Alternativen wie die Verkabelung nicht möglich sind.
Praktisch hätten Politiker aber im Vorfeld Einfluss nehmen können, denn die Verbund AG steht als Unternehmen mehrheitlich im öffentlichen Eigentum. Die Republik Österreich hält mit 51 Prozent die Mehrheit. 4. Wie steht die Landesregierung politisch zum 380-kV-Freileitungsprojekt? Sie gibt sich sehr zurückhaltend. Auch die grüne Regierungsbeteiligung konnte das Vorhaben nicht stoppen. Die grüne LH-Stellvertreterin Astrid Rössler hat sich zwar sehr kritisch geäußert, formal muss die Umweltreferentin im Behördenverfahren aber neutral sein. Bei der Regierungsbildung 2013 hatten ÖVP, Grüne und Team Stronach vereinbart, prüfen zu lassen, ob die Leitung notwendig und im öffentlichen Interesse ist. Ein Ergebnis dieser Prüfung hat die Regierung noch immer nicht vorgelegt. Betroffenen Gemeinden wie Koppl und Eugendorf sicherte die Regierung zu, sich "klar für eine Teilverkabelung" auszusprechen. Ohne praktische Konsequenzen. Für den Wunsch der Gemeinden nach einem Vermittlungsverfahren (Mediation) zeigten die Politiker Verständnis. Aber das könne nur der Projektbetreiber Verbund APG beantragen. 5. Wie stehen die Chancen der sogenannten Kabelkämpfer im Verfahren? Wie beurteilen die Experten in ihren Gutachten die Freileitung? Im 1800 Seiten umfassenden Umweltverträglichkeitsgutachten stellen die Fachleute großteils "keine bis vernachlässigbare nachteilige Auswirkungen" des Projekts fest. Das energietechnische Gutachten stufte ein Erdkabel nicht als Stand der Technik ein. Die Gegner wollen das Gegenteil beweisen. Einem umweltmedizinischen Gutachten zufolge werden geringfügige Erhöhungen der Belastung durch elektromagnetische Felder bei den nächsten Anrainern der 380-kV-Freileitung erwartet. Die Belastung sei wegen "des weltweit strengsten Vorsorgewerts" für die Gesundheit nicht relevant.
Im Naturschutz wurden allerdings "bedeutend nachteilige Auswirkungen" festgestellt. Falls dem Projekt aber ein überwiegend öffentliches Interesse eingeräumt werde, könnten die Nachteile anhand von Ausgleichsmaßnahmen reduziert werden. Zur Debatte steht das Naturschutzprojekt Weitwörther Au an der Salzach zwischen der Landeshauptstadt und Oberndorf. Dieses habe aber mit der 380-kV-Trasse nichts zu tun, entgegnen die Kritiker. 6. Welche wichtigsten Argumente führen die Gegner ins Treffen? Sie nennen in ihren Einwendungen - insgesamt sind es 1350 - zum Beispiel die Gefährdung der Gesundheit, negative Auswirkungen auf die Natur, Eingriffe in das Landschaftsbild sowie die massive Wertminderung von Liegenschaften entlang der geplanten Leitung. Außerdem beklagten sie die Qualität der eingereichten Unterlagen sowie Befangenheit der Salzburger Landesregierung und von Gutachtern. Während der Verbund mit dem notwendigen Lückenschluss im österreichischen 380-kV-Ring argumentiert, halten die Kritiker die Leitung nicht für notwendig: Sie würde in erster Linie dem Stromexport von Deutschland nach Italien dienen.
7. Wann können die beiden Seiten, Betreiber und Gegner, mit einer Entscheidung der Behörde rechnen? Das wird eine langwierige Sache. Nach dem Ende der mündlichen Verhandlung wird es - so heißt es aus dem Büro von LH-Stv. Astrid Rössler - eine Woche dauern, bis die Niederschrift fertig sein wird. Die Verhandlungsschrift wird dann bei der UVP-Behörde, den 39 Standortgemeinden und im Internet öffentlich aufgelegt. Die fachliche Auseinandersetzung mit weiteren Einwendungen und eine Ergänzung des Umweltverträglichkeitsgutachtens nach der mündlichen Verhandlung werde ebenfalls öffentlich einsehbar sein.
Das UVP-Verfahren wird mit einem Bescheid abgeschlossen. Dieser soll im Herbst oder erst Anfang 2015 vorliegen. Es besteht auch die Möglichkeit, gegen den Bescheid zu berufen - was die im Verfahren unterlegene Seite mit großer Wahrscheinlichkeit tun wird. Ein Baubeginn dürfte also erst in einigen Jahren realistisch sein.