Wenn Vertreter dem Optiker Hans-Peter Maurer etwas verkauft hatten, waren sie meist nicht froh darüber. "Sie haben gewusst, dass sie ihr Ergebnis im nächsten Jahr übertreffen mussten", sagt der Geschäftsführer von Sehen & Hören Maurer in Mittersill. "Ich habe mir gedacht, da stimmt etwas nicht."
Der Optiker hat sich Gedanken gemacht. Seit dreieinhalb Jahren bilanziert Maurer nun nicht mehr nur nach finanziellen Kriterien. Er erstellt zusätzlich eine sogenannte Gemeinwohlbilanz.
In dieser Beurteilung analysiere man nicht nur den monetären Gewinn. "Ein hoher Finanzgewinn ist gut, aber nicht auf Kosten anderer", sagt Sabine Lehner. Die 52-Jährige ist selbst Unternehmerin und Regionalkoordinatorin. In einer Gemeinwohlbilanz steht, wie eine Firma mit ihren Mitarbeitern und Lieferanten umgeht, woher ihre Produkte kommen, wie ökologisch ein Unternehmen ist.
Einen zusätzlichen freien Tag pro Woche
Was hat sich bei Maurer seither verändert? Seine Mitarbeiter arbeiten nun weniger Stunden in der Woche: Der Optiker hat von halb neun bis 18 Uhr geöffnet, Mittagspause ist eine Stunde. Damit ergibt sich, dass die vier Mitarbeiter einen Tag die Woche frei haben. Die Idee kam von seinem Sohn, der später das Unternehmen übernehmen will. "Es war ihm wichtig, dass die Kollegen einen Tag nicht an die Arbeit denken müssen."
In Salzburg erstellen 45 Unternehmen Gemeinwohlbilanzen. "Der Einfluss auf die Region ist noch nicht besonders groß, dafür ist es noch zu wenig", sagt die Regionalkoordinatorin Lehner. Es ist ein Aufwand, zwei Bilanzen zu erstellen. Warum soll sich eine Firma das antun? "Es ist mehr als eine Auflistung, es ist strategische Arbeit am Unternehmen und ein Prozess." Durch die Matrix, die für die Analyse verwendet werde, erkenne man Verbesserungswürdiges.
Blumen und Honig aus dem Hotelgarten
Die erste Hürde der Mindestpunkteanzahl für die Bilanz hat Bettina Wiesinger sofort genommen. Die Inhaberin des Hotel & Villa Auersperg versuche schon lange so zu wirtschaften, "dass es für alle gut ist". Sie kaufe Bio ein, setze auf regionale Lebensmittel und ein gutes Verhältnis zu ihren Lieferanten. Im Sommer blühen die Blumen vor dem Hotel, denn jene aus Holland wären zu weit weg. Im Garten schwirren zudem Bienen, das Auersperg stellt eigenen Honig her.
2015 hat Wiesinger das erste Mal eine Gemeinwohlbilanz erstellt. Mühsam sei das nicht, es gebe ein gutes Handbuch. "Die Analyse ist aber wirklich sehr inspirierend." Dadurch sei sie auf das Thema Mitarbeiterbeteiligung gekommen: "Ich wollte wissen, wie ich den Gewinn besser aufteilen kann." Bis zu 3000 Euro im Jahr erhalten ihre 38 Angestellten, abhängig vom Unternehmenserfolg. Die Auszahlung erfolge nach fünf Jahren oder nach Austritt. "Die Mitarbeiter fühlen sich dadurch sehr geschätzt."
Junge Talente für nachhaltige Unternehmen
Von dieser Qualität im Umgang mit Lieferanten und Mitarbeitern spricht auch Lehner. Gerade junge Menschen suchten sich Unternehmen aus, die sich sozial und nachhaltig engagierten. "In deren Tätigkeit erkennen sie einen Sinn. Sie wollen dort arbeiten, wo sie sich wertgeschätzt fühlen."
Die Vertreter haben sich übrigens schon auf Maurer eingestellt. Sie bringen nun Fotos von Familien mit, die in den französischen Alpen ihre Produkte fertigen, erzählt der Optiker. "Sie wissen, dass ich Wert auf europäische Produkte lege und leiten das weiter."



