Was ist eigentlich die größere Sensation: Dass Red Bull Salzburg auswärts gegen Belgiens Meister Genk einen neuerlichen Kantersieg gefeiert hat? Oder dass die Bullen am letzten Spieltag der Champions-League-Gruppenphase noch um den Aufstieg ins Achtelfinale mitspielen? Mit dem 4:1 (2:0) am Mittwochabend in Genk hat sich Salzburg ein "Finale dahoam" geschenkt. Am 10. Dezember um 18.55 Uhr gastiert der große FC Liverpool in der Bullen-Arena. Und die seit Monaten ausverkaufte Hütte wird wohl brennen. Nun sollte man nicht vermessen sein und einen Heimsieg gegen den Titelverteidiger der Champions League erwarten, aber die theoretische Chance lebt zumindest, was im Lager der Salzburger nach dem Schlusspfiff in Genk mit großer Freude aufgenommen wurde.
Der zuletzt kriselnde belgische Meister kommt hingegen auch unter dem neuen Trainer Hannes Wolf nicht in die Gänge. Sechs Pflichtspiele sind die "Schlümpfe", so der Spitzname, nun bereits sieglos, von den vergangenen zwölf Partien wurden nur zwei gewonnen und in der Champions League gab es überhaupt noch keinen Sieg. Ganz anders die Salzburger: Die streiften nach dem 6:2 im Hinspiel und dem 1:1 gegen Neapel die nächsten Punkte ein. Dabei spielte das Team von Trainer Jesse Marsch in der ersten Hälfte gar nicht so stark wie gewohnt, im letzten Drittel war man manchmal zu ungenau, fast schon schlampig.
Dennoch gab es Torchancen: Jerome Onguene prüfte bereits in der zweiten Minute Genk-Keeper Gaetan Couke. In der zehnten Minute rutschte Patson Daka nach einem guten Zuspiel von Takumi Minamino am Ball vorbei und auch in der 35. Minute war es Daka, der einen Assist von Hee-Chan Hwang mit der Ferse völlig unbedrängt aus sechs, sieben Metern nicht im Tor unterbringen konnte.
14 Saisontreffer hat der Stürmer aus Sambia schon auf dem Konto, ein Champions-League-Tor fehlte Daka bis dahin aber noch. Diesen Schönheitsfehler besserte er ein für alle mal in der 43. Minute aus: Dominik Szoboszlai donnerte einen Freistoß in die Mauer, den Nachschuss in Richtung Tor. Coucke konnte den Ball nicht festhalten, Daka reagierte am schnellsten und traf zum 1:0. Keine 100 Sekunden später erhöhte Takumi Minamino kurz vor dem Pausenpfiff mit einem satten Schuss ins lange Eck auf 2:0. Zwischendurch hatte sich Bullen-Schlussmann Carlos Coronel bei einem Samatta-Schuss mit einer guten Parade ausgezeichnet.
In der zweiten Hälfte kam dann Erling Haaland, der im ersten Spiel nach seiner Verletzungspause vorerst auf der Ersatzbank Platz genommen hatte, für Daka. Und der norwegische Wunderstürmer benötigte gerade einmal acht Minuten, um brandgefährlich zu werden. Seinen Assist verwertete der gefällige Hee-Chan Hwang in der 69. Minute zum 3:0. Am Ende leistete sich der ansonsten souveräne Interimstorhüter Coronel noch einen Patzer und brachte den Ball nicht unter Kontrolle, Samatta war der Nutznießer zum 1:3 (85.). Den Schlusspunkt setzte aber einmal mehr Haaland mit seinem achten Tor im fünften Champions-League-Spiel, der mit etwas Glück und dem richtigen Riecher auf 4:1 erhöhte (87.).
Die Partie war zu diesem Zeitpunkt ohnehin längst entschieden und die 700 mitgereisten Bullen-Fans riskierten bereits einen Blick zum Parallelspiel zwischen Liverpool und Napoli. Durch das Remis an der Anfield-Road ist am letzten Spieltag noch alles drin, selbst der Gruppensieg - vorausgesetzt natürlich Salzburg gewinnt das "Finale dahoam" gegen Liverpool.