Auf sieben fette folgen sieben magere Jahre. Mit diesem Bibel-Spruch muss sich Österreichs Skisprung-Elite nach dem Auftakt der Vierschanzentournee nun wohl anfreunden. Denn nach sieben österreichischen Gesamtsiegen beim nordischen Klassiker bis 2014/15 in Folge ist die siebente darauf folgende Nullnummer nach einem Absturz am Mittwoch in Oberstdorf wohl nicht abzuwenden. Daniel Huber als ÖSV-Bester hat jetzt schon 33 Punkte Rückstand. Dabei hielt der achtplatzierte Salzburger mit der vom Japaner Ryōyū Kobayashi angeführten Topklasse noch einigermaßen mit und wurde von der Betreuerfront dann auch als Einziger aus der Schusslinie genommen. "Von Dani war es ganz okay, er hat sich ganz gut stabilisiert", sagte Chefcoach Andreas Widhölzl. "Von den anderen war es aber bei Weitem nicht das, was sie im Training oder im Probedurchgang gezeigt haben. Sie haben die Wettkampfperformance in den Sand gesteckt."
Der Tiroler betonte, dass man sich ab sofort mehr auf die Einzelwettkämpfe bzw. die Tageswertungen als auf das Gesamte konzentrieren werde. Die erste Chance gibt es beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen, die Qualifikation steht wie immer zu Silvester auf dem Programm. Dort ist es für Rot-Weiß-Rot mehrmals schiefgelaufen, von dem will Widhölzl aber nichts wissen: "Die Schanze liegt uns genauso viel oder wenig wie andere. Und der Druck ist jetzt weg - leider, muss man sagen."
Widhölzl wollte nicht gelten lassen, dass seine Leute Schönwetterspringer sind. Über der Schattenbergschanze hatte es während der Konkurrenz heftig geregnet. "Wir haben schon bei allen Verhältnissen gewonnen, darauf müssen sie sich einstellen", ließ der 45-Jährige da keine Ausreden zu. "Es war eher der Zugang in den Wettkampf, dass vielleicht zu viel Erwartungshaltung da war und man in alte Muster hineingefallen ist. Das muss man bequatschen und den freien Tag nutzen."
Mario Stecher hob die "sehr, sehr gute Leistung" von Huber heraus, sonst bezeichnete er das Abschneiden mit den Saisonsiegern Stefan Kraft und Jan Hörl auf den Rängen 12 und 17 als den Nächstbesten der ÖSV-Riege aber als mehr als bescheiden. Und für den Sportlichen Leiter im ÖSV für Skispringen und Kombination war das Wetter sehr wohl für das Ergebnis auch ausschlaggebend. "Die Bedingungen haben unsere Schwächen eklatant vor Augen geführt", sprach Stecher Klartext.
Konkret sei der Sprungstil der Österreicher für solche nassen Verhältnisse zu weit nach vorn orientiert, woraus die Balance von der Hocke weg leide und letztlich zu weniger Weite führe. Stecher: "Es ist oft so, dass wir uns bei solchen schwierigen Bedingungen, bei denen es von der Spur her nicht ganz so wegzieht, schwerertun." Allerdings habe es in Training und Qualifikation bei gleichem Wetter sehr gut funktioniert. Nun müsse man aus den Fehlern lernen.
Für den 44-Jährigen ist wichtig, sich in den weiteren Einzelbewerben so gut wie möglich zu verkaufen. "Der Zug in Richtung Tournee-Gesamtwertung ist definitiv abgefahren. Wir wissen aber um unsere Stärken und dass wir zu jeder Zeit um das Podium mitspringen können." Huber derzeit offenbar am ehesten. "Wenn ich mich weiter von Station zu Station stabilisiere, schauen wir, was am Schluss rauskommt", sagte er. Garmisch liege ihm ganz gut, bezog er sich auf seinen sechsten Rang 2020.
Kraft war aus dem erweiterten Favoritenkreis einer der Geschlagenen. Dem Weltmeister blieb auch nur, ins neue Jahr zu blicken. "Ich muss schauen, dass ich das in Garmisch zwei Mal hinbekomme und Stück für Stück ein bisschen vorkomme." Qualifikation wie Bewerb in Garmisch sind für 14 Uhr (live ORF 1/ZDF) angesetzt.
Im Kampf um den Tourneesieg zeichnet sich aktuell ab, dass nur die Norweger Halvor Egner Granerud (-2,8 Punkte), Robert Johansson (-3,4) und Marius Lindvik (-5,7) sowie der Deutsche Karl Geiger (-6,1) mit Kobayashi mithalten können. Der ist mit seinem insgesamt sechsten Tournee-Tagessieg im ewigen Ranking auf Position sieben vorgerückt. Zumindest Granerud ist aber besonders locker weitergereist: "Ich freue mich auf Garmisch, von den Tourneeschanzen mag ich die dort am meisten."