Das Für und Wider einer Impfung gegen Corona aus der Sicht Salzburger Mediziner

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Das Für und Wider einer Impfung gegen Corona aus der Sicht Salzburger Mediziner. Die Journalisten Michael Minichberger und Gerhard Schwischei brachten in den Salzburger Nachrichten in der Ausgabe vom 27. November 2020 dazu folgenden Artikel:

Das Für und Wider einer Impfung: Mediziner aus Salzburg legen Ansichten dar

Die ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus stehen knapp vor der Zulassung. Wie gut sind sie wirklich? Nicht alle Experten sind schon voll überzeugt.

Infektiologe Greil: "Ärzte und Pfleger sollten mit gutem Beispiel vorangehen"

Prim. Univ. Prof. Dr. Richard Greil.

Richard Greil, führender Coronamediziner in Salzburg, "wird sich mit Sicherheit sofort impfen lassen", wenn die derzeit im Gespräch stehenden Impfstoffe zugelassen werden. Er selbst hat dazu alle wissenschaftlichen Daten der klinischen Studien in den Phasen I und II geprüft. Was die abschließenden Untersuchungen betrifft, muss er sich vorerst noch auf Medien- und Firmenberichte verlassen. Die Unternehmen Pfizer & Biontech (Anm.: Partner bei der Covid-Impfstoffherstellung), Moderna und AstraZeneca, deren Impfstoffe voraussichtlich in den kommenden Wochen genehmigt werden, seien aber alles Weltfirmen, die einen hohen Druck zu Korrektheit hätten.

Alle derzeit im Gespräch befindlichen Impfstoffe sind nach Angaben Greils nicht nur in allen Altersgruppen annähernd gleich gut wirksam. Auch die Nebenwirkungen, besonders bei den Älteren, hielten sich in engen Grenzen. Die Symptomatik sei ähnlich wie bei den gängigen Influenza-Impfungen: Schmerzen an der Injektionsstelle, lokale Rötungen oder Schwellungen, die in der Regel nach ein, zwei Tagen wieder verschwinden. Ein kleiner Teil der Geimpften berichtet, wie Greil erklärt, von leichtem Schwächegefühl und erhöhter Temperatur, in selteneren Fällen könne es auch zu Fieber über 38 Grad kommen.

Greil hat auch wie eine der führenden Impfexpertinnen Österreichs, Ursula Wiedermann-Schmidt von der MedUni Wien, keine grundsätzlichen Bedenken, dass mit den neuen Impfstoffen genetisches Material in die Zellen eingeschleust werde. Es werde keine DNA gespritzt, die in die menschliche Erbinformation integriert werden könne. Vereinfacht gesagt: Die sogenannte mRNA (Messenger-Ribonukleinsäure) der neuen Corona-Impfungen gelangt nicht in den Zellkern, sondern sie liefert den Bauplan für einzelne Proteine des Virus, die auch als Antigene bezeichnet werden. Die Antigene aktivieren das Immunsystem und rufen im Erfolgsfall die schützende Immunantwort hervor.

Für Richard Greil ist es strategisch vernünftig, im ersten Schritt vorrangig besonders gefährdete Menschengruppen zu impfen. Covid-19 sei derzeit in Österreich die häufigste Todesursache. Zuletzt starben rund 100 Menschen täglich am oder mit dem Coronavirus. Die über die vergangenen Jahre hinweg durchschnittliche tägliche Zahl der Toten liegt nach Angaben Greils bei 246. Das mache deutlich, wie ernst das Problem sei. Die Übersterblichkeit durch Covid-19 betrage derzeit rund 30 Prozent. "Man muss sich auch klarmachen, dass es nach wie vor keine effektiven medizinischen Maßnahmen für besonders gefährdete Menschen im Kampf gegen das Coronavirus gibt", betont Greil.

Will man die Pandemie insgesamt und nicht nur innerhalb bestimmter Personengruppen bekämpfen, ist für ihn eine Durchimpfungsrate von 70 bis 80 Prozent erforderlich. "Alles über 50 Prozent ist diesbezüglich ein Gewinn. Man weiß nämlich auch noch nicht, wie lange die Impfungen wirken." Für eine möglichst hohe Impfrate bedarf es, wie Greil sagt, einer neutralen Impfkampagne, um mit guten Sachargumenten jene Menschen abzuholen, die bereit sind, sich impfen zu lassen, und jene, die noch unsicher sind. Gegen militante Impfgegner, die sich sehr breitenwirksam zu Wort meldeten, reichten rationale Argumente allein nicht.

Der Coronamediziner spricht sich aber klar gegen eine Impfpflicht aus. "In einer aufgeklärten und freien Gesellschaft muss man in der Lage sein, durch Daten und Fakten und den Appell an die soziale Verantwortung die Leute zu überzeugen." Für ihn ist es auch wichtig, dass Ärzte und Pflegepersonal mit gutem Beispiel vorangehen, weil sie in der Bevölkerung das größte Vertrauen hätten. Greil hält das auch bei der Grippeimpfung so: "Ich lasse mich öffentlich impfen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen, wie extrem wichtig die Impfung ist."

Infektiologe Hell: "Gezieltes Impfen ohne Pflicht, Gesunde entscheiden selbst"

Der Salzburger Hygienefacharzt Markus Hell reagiert ausweichend auf die Frage, ob er sich gleich im ersten Turnus impfen lassen wird. Als leitender Hygieniker des Klinikums Schwarzach, Mikrobiologe von Medilab und Lehrkoordinator für Infektiologie an der PMU, beschäftigt er sich seit Anbeginn der Pandemie intensiv mit dem Virus. Die beiden Impfstoffe, die Österreich in großer Menge vorbestellt hat, sieht er noch mit etwas Skepsis.

Das Vakzin aus dem Hause Biontech und Pfizer sei technisch faszinierend, so der Mikrobiologe. Damit impfen lassen werde er sich aber vorerst nicht. "Erst wenn es die prominenten Kollegen Allerberger, Weiß und Kollaritsch vor laufender Kamera vormachen, denke ich drüber nach." Wie viele Wissenschafter sei auch er skeptisch, zumal genetisches Material in die Zellen eingeschleust werde. Außerdem sei das Handling des Impfstoffs enorm schwierig. "Es ist eine durchgehende Kühlung auf minus 70 Grad nötig. Wenn da etwas schiefgeht, dann ist die ganze Impfung wirkungslos."

Während der Wirkungsgrad des Biontech-Impfstoffs mit bis zu 95 Prozent angegeben wird, kommt die Konkurrenz von AstraZeneca auf etwa 70 bis 90 Prozent, je nach Dosierung. Das wiederum ist Hell zu wenig für einen ungezielten, breiten Einsatz. "Bei den Nebenwirkungen hätte ich weniger Bedenken, weil dieser Wirkstoff auf bestehenden Techniken aufsetzt."

Es sei auch absolut sinnvoll zu impfen, wenn auch nicht flächendeckend. Er plädiert für eine Strategie ähnlich der Influenza-Impfung. Im Falle von Gesundheitspersonal, älteren Menschen und Vorerkrankten sei er durchaus positiv eingestellt. "Als Privatperson sage ich, wenn ich 70+ und nicht fit bin, dann lasse ich mich sofort impfen. Egal mit welchem der beiden Impfstoffe."

Gesunde und jüngere Menschen würde er selbst entscheiden lassen, wobei eine Impfpflicht in Österreich ohnehin nicht zur Debatte steht. Eine Durchimpfung der Gesellschaft sei an zu hohe Erwartungen geknüpft. "Von Beginn an agiert man, als hätten wir es mit Ebola zu tun. SARS-CoV-2 ist aber kein Killervirus." Die anfänglich befürchtete Sterblichkeitsrate von 30 Prozent habe sich bei Weitem nicht bestätigt. Die Letalität liege unverändert bei 0,3 Prozent aller Infizierten. Das sei immerhin drei Mal so hoch wie bei der echten Grippe. Er sieht eine Durchimpfungsrate von 30 Prozent als realistisch erreichbar an. "Kombiniert mit jenen, die eine Infektion durchgemacht haben, wäre in Richtung Durchseuchung und Herdenimmunität schon viel gewonnen." Die Zahl bereits immuner Personen schätzt Hell auf das Zehnfache der positiv Getesteten (österreichweit 260 000) Die Gefahr von Mehrfachinfektionen mit dem aktuell zirkulierenden Virusstamm sei nach jüngsten Studien eher vernachlässigbar.

Eine gesetzlich verordnete Impfpflicht oder auch eine durch die Hintertür - via Einschränkungen für Nichtgeimpfte - sieht Hell kritisch. "Das würde einen negativen Rebound-Effekt bringen und eine zunehmende Skepsis gegenüber anderen Impfungen, die dringend nötig sind."

Die niedrige Impfmoral bei Influenza will er nicht auf Corona umlegen. "Bei der Grippe kommen wir auf maximal zehn Prozent, auch viele im medizinischen Bereich Tätige lassen sich nicht impfen. Ich denke aber, dass die Bereitschaft im Fall von Corona sicher höher ist."

Gelinge es, das richtige Drittel der Bevölkerung zu impfen, dann sei eine langsame Rückkehr zur Normalität gut machbar. Das Virus auszurotten werde wohl nicht gelingen. Mit dem Coronavirus als einem von vielen respiratorischen (die Atmung betreffend, Anm.) Erregern müsse man dauerhaft rechnen. Dass es durch Mutationen noch gefährlicher werde, sei unwahrscheinlich. Hell: "Aus mikrobiologischer Sicht will das Virus mit uns leben und uns nicht killen."

Quelle

Übersicht über die Beiträge zum Thema Infektionskrankheit Covid-19