Ein Jahr nach der spektakulären Übernahme des oberösterreichischen Automationsspezialisten Bernecker & Rainer aus Eggelsberg wirken Sie immer noch äußerst zufrieden. Sind Sie mit dem Kauf wirklich wunschlos glücklich? Ulrich Spiesshofer: Als Konzernchef darf man nie zufrieden sein. Aber es ist alles so gekommen, wie wir es damals gesehen haben. Wir sind sehr, sehr zufrieden mit dem Geschäftserfolg. Mit dem Mitarbeiterstand, mit der Firmenkultur, die sehr gut zu uns passt. Das hat uns auch bewogen, 100 Millionen Euro im Innviertel zu investieren.
Was macht Bernecker & Rainer zur "Perle", wie Sie es immer wieder nennen? Wir haben ein hervorragendes Team mit fleißigen, gut ausgebildeten Menschen, die nach vorwärts streben. Dazu kommt das lösungsorientierte Geschäftsmodell von B&R, das mit den Kunden Lösungen erarbeitet, die diesen Wettbewerbsvorteile bringen. Das Dritte ist, dass B&R ein Technologieführer in vielen Bereichen der Prozessautomation ist.
Was wird der Innovations- und Bildungscampus sein, den Sie in Eggelsberg planen? Auf 35.000 Quadratmetern werden Forschungs- und Entwicklungsteams zu Themenschwerpunkten aber auch in klassischen Bereichen wie Steuerungs- und Automatisierungstechnik arbeiten und sich auch mit Themen wie Maschinen-Lernen und künstlicher Intelligenz auseinandersetzen. Die "Automation Academy" wird einen großen Bereich einnehmen. Dort werden wir auch international unsere Mitarbeiter ausbilden. Wir werden dafür eine Mischung aus erfahrenen Industriehasen und Digitalfüchsen anstreben, die Lösungen erarbeiten. Das werden viele Österreicher sein, aber auch internationale Fachkräfte, um sicherzustellen, dass bei Lösungen für internationale Märkte die Marktbesonderheiten berücksichtigt werden können.
Sie investieren viel Geld im Nirgendwo, Eggelsberg hat nur rund 2400 Einwohner. Ist das für Sie kein Thema angesichts der Probleme, die andere große Unternehmen in dieser Region mit der Personalsuche haben? Wir fangen ja nicht im Niemandsland an, die B&R hat es geschafft, aus dem Nichts in 30 Jahren ein Unternehmen mit 2000 Mitarbeitern aufzubauen. Davon sind schon jetzt 1000 Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung und Anwendungsentwicklung tätig. Wir müssen sicherstellen, dass wir den Mitarbeitern, die wir dort haben wollen, eine ABB-B&R-Kombination anbieten, die einzigartig ist. Wir sind wahrscheinlich der einzige Anbieter in Oberösterreich, der Mitarbeitern internationale Karrierechancen in der Qualität der ABB anbieten kann. Der Mitarbeiter fängt vielleicht in Eggelsberg an, landet aber später einmal in den USA oder in Indien. Gerade für junge Mitarbeiter ist die Firmenkultur, die bei uns weder politisch noch hierarchisch, sondern ein offenes Miteinander ist, sehr attraktiv. Natürlich arbeiten wir auch mit der Politik zusammen.
Planen Sie in absehbarer Zeit auch Investitionen in die Infrastruktur, Stichwort Freizeit oder Hotels? Wir wollen auch junge Menschen und junge Familien in Eggelsberg beschäftigen, daher brauchen wir Kindergärten, Schulen und Wohnungen. Wir brauchen eine sichere Verkehrsinfrastruktur. Das nehmen wir sehr ernst. Da engagieren wir uns auch. Aber das ist nicht unsere originäre Aufgabe, das ist Aufgabe der Politik. Wir planen daher als ABB nicht, selbst Kindergärten oder Hotels zu bauen.
Wie sieht die Fabrik der Zukunft, die auch von Eggelsberg aus mitentwickelt wird, aus? Die Fabrik der Zukunft ist klein und lokal. Es sind hochflexible Fabriken, die nah am Punkt der Nachfrage sind. Das gibt die Möglichkeit, Fabriken, die in Asien oder in Entwicklungsländern angesiedelt sind, wieder zu uns zurückzubringen. Die Kombination von Automatisierungstechnologien und Robotics schafft die Möglichkeit, kleine Fabriken näher beim Kunden zu bauen.
Und was sagen Sie den Menschen bei uns, die sich genau wegen dieser neuen Technologien um ihre Arbeitsplätze Sorgen machen? Wir müssen erklären, dass gut eingesetzte neue Technologien es ermöglichen, Produkte günstiger anzubieten. Die können sich dann mehr Menschen leisten. Damit kann die Nachfrage steigen und Beschäftigung geschaffen werden. Als Nummer zwei auf dem Weltmarkt sehen wir, dass Länder mit der höchsten Roboterdichte - Japan, Südkorea, Deutschland - die niedrigsten Arbeitslosenraten haben.
Ulrich Spiesshofer ist deutsch-schweizerischer Manager und seit 2013 Vorstandschef von ABB. Seine Karriere begann er bei der Unternehmensberatung A. T. Kearney.
Der Riese investiert 100 Millionen Euro
Vor gut einem Jahr war die Überraschung groß, als der ABB-Konzern den Innviertler Prozesstechnik-Spezialisten Bernecker & Rainer um kolportierte 1,8 Mrd. Euro übernahm. Nun folgt der zweite Schritt: 100 Mill Euro Investiert ABB in Eggelsberg, am Stammsitz von B&R, in einen globalen Innovations- und Bildungscampus. Der Standort zählt damit neben Schanghai, Peking, Bangalore und der Schweiz zu den fünf wichtigsten Forschungsstandorten des Konzerns mit 135.000 Mitarbeitern.