"Im Vergleich dazu sind wir ein Staubkorn, ein totaler Winzling", lacht Peter Wagner ob des Vergleichs mit dem Onlinegiganten Amazon. Er ist Projektleiter von Widado, einem mutigen Versuch, eine digitale Verkaufsplattform für gebrauchte Güter aufzuziehen. "Wir sind österreichisch, sozial, ökologisch", sagt Wagner, "und damit hoffentlich zumindest sympathischer als Amazon."
Im Trend liegt Widado allemal. Gebrauchtes nicht wegzuwerfen, sondern zu reparieren und wieder zu verkaufen - dieser nachhaltige Gedanke findet immer mehr Anhänger. Passt es doch perfekt in den Zeitgeist des Klimaschutzes und der Abkehr von verschwenderischem Konsum, der auch durch die Teuerungswelle befeuert wird.
15.000 gebrauchte und erneuerte Produkte kann man auf Widado schon bestellen und kaufen - von Kleidung über Elektrogeräte bis zu Designware. Alles stammt von 26 Mitgliedsbetrieben, die sich der Wiederverwertung von Spenden verschrieben haben. Darunter sind bekannte Namen der Sozialwirtschaft - von der Caritas über das Rote Kreuz bis zur Halleiner Arbeitsinitiative HAI.
Wagner hat Heidenrespekt vor der Aufgabe, ist aber entschlossen, den weiten Weg forsch zu gehen. "Die Kreislaufwirtschaft ist ein Riesenthema, und die sozialen Betriebe können da eine wichtige Rolle spielen." Bis nächstes Jahr will er 100.000 Artikel im Shop. In drei Jahren soll die Millionengrenze beim Umsatz fallen. Selbst über eine Expansion nach Deutschland wird nachgedacht. Das große Vorbild, die französische Plattform Label Emmaüs, startete vor sechs Jahren und setzt heute mit 200 Betrieben 3,5 Mill. Euro im Jahr um.
Bis dahin müssen gewaltige Aufgaben gestemmt werden. Die gemeinwirtschaftlichen Mitgliedsbetriebe haben zumeist stationäre Läden, in denen sie Wiederverwertetes verkaufen. Mit Widado können sie nun auch digital verkaufen und müssen den Umgang damit lernen. Denn das Onlinegeschäft habe seine eigenen Gesetze, sagt Wagner. Widado selbst konzentriert sich auf das Bekanntmachen der Marke. Und darauf, ein gutes Image aufzubauen. Denn Secondhand ist dem Klischee des Miefigen, Verarmten längst entwachsen. Breite Bevölkerungsschichten seien offen dafür, Secondhand zu kaufen. "Im besten Fall ist es nicht nur eine gute Tat, sondern bereichert das Leben."
Das hört man auch in den Secondhandläden der Caritas, den Carla-Shops, die ihre Ware aus Sachspenden lukrieren. "Wir haben mittlerweile viele Junge ab 18, oft Studenten als Klientel. Sie wollen nicht nur sparsam leben, sondern auch bewusst konsumieren", sagt der Salzburger Carla-Bereichsleiter Thomas Gaßner. Selbst hat man Aufmachung und Einrichtung der fünf Läden "dem Zeitgeist im Handel" angepasst. "Die Leute sehen uns jetzt als Geschäft und nicht mehr als Bazar", betont Gaßner. "Keine 20 Prozent" allerdings bleiben nach Abzug von Miete und Personalkosten - 12 Mitarbeiter und 15 Langzeitarbeitslose, die auf den Wiedereinstieg in den Jobmarkt vorbereitet werden - als Erlös für karitative Zwecke übrig. Der Onlineverkauf auf Widado könnte die Bilanz deutlich verbessern. Gestartet wurde "auf einfachem Niveau mit 400 Artikeln", sagt Gaßner, ein Webshop sei auch zeitlicher Aufwand. Der Versand in Österreich kostet 3,95 Euro. Ab 39 Euro Warenwert ist er kostenlos.
Beim Widado-Partner HAI in Hallein stellt man vor allem hochwertige Produkte in den Onlineshop, zuletzt etwa einen Desigual-Mantel um 34,90 Euro. "Wir wollen sichergehen, dass die Ware, wenn sie nicht passt, auch wieder zurückkommt. Bei super billigen Artikeln ist die Gefahr groß, dass sie weggeworfen werden", erklärt HAI-Geschäftsführerin Michaela Gadermayr. Click&Collect, also online bestellen und im Shop abholen, sei für Kunden in der Nähe das Vernünftigste. 250 Artikel habe man zum Start online gestellt - "alles Unikate". Dafür stehe Secondhand im Gegensatz zum Billigdiskonter.
Bis April 2023 erhält Widado eine Jahresförderung von 750.000 Euro vom Sozialministerium. Dann werden die Mitgliedsbetriebe 15 Prozent Verkaufsprovision an Widado zahlen. 14 Mitarbeiter kümmern sich um die Plattform, die selbst programmiert ist und über ein Jahr aufgebaut wurde. So startet Widado mit 15.000 Artikeln und nicht als Geisterladen wie einst das "Kaufhaus Österreich". Diese pompös inszenierte rot-weiß-rote Onlineplattform, die das Wirtschaftsministerium in der Pandemie hochzog, geriet mangels gründlicher Vorbereitung zum blamablen Flop.
Rot-weiß-rot, ökologisch, sozial
"Nein zur Überproduktion" ist ein Leitmotiv hinter Widado. Gebrauchtware soll vor dem Wegwerfen bewahrt werden. Das schont Ressourcen und vermeidet Umweltgifte. Entwickler der Plattform ist RepaNet, das die Interessen der sozialwirtschaftlichen Wiederverwertungsbetriebe vertritt. Die sind gemeinnützig und auf Nutzen für die Gesellschaft konzentriert. Allein 2021 sparte deren Wiederverkauf von Gebrauchtem 620.000 Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht der durchschnittlichen Emission von 70.000 Österreichern oder 223.000 Autos im Jahr.
Millionen
Die Mitgliedsbetriebe bearbeiten 56.000 Tonnen jährlich - vom Elektrogerät über Kleider bis Spielzeug. Zwei Drittel werden wiederverwertet, das Potenzial ist riesig. Geschätzte 72 Millionen Kleidungsstücke etwa liegen ungenutzt in Schränken.
Arbeitsplätze
Es geht in den Sozialbetrieben vor allem darum, Benachteiligten einen Arbeitsplatz zu bieten. So entstehen pro 1000 Tonnen aufbereiteter Gebrauchtware 105 Jobs. Was Langzeitarbeitslosen oder Erkrankten ermöglicht, wieder im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Auch der Großteil der Widado-Erlöse wird dafür verwendet.