Sowohl der Interessensverband für Anleger (IVA), als auch die Arbeiterkammer (AK) und die Übernahmekommission selbst sprechen sich gegen die neue Bestimmung zum "Creeping-in" aus. Auch der Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff lehnt die vorgeschlagene Regelung ab, sie sei "eine deutliche Schlechterstellung der Minderheitsaktionäre". IVA-Vorstand Florian Beckermann bezeichnete die Saldierungsmöglichkeiten innerhalb eines Kalenderjahres als gefährlich, sie würden eine legale Umgehung von angebotsauslösenden Schwellen erlauben. "Der Schutzzweck des Übernahmerechts wird damit ohne Not ausgehöhlt", kritisierte Beckermann.
Schon bisher, insbesondere in der jüngeren Vergangenheit, sei der heimliche Hinzuerwerb von Aktien für bestehende, kontrollierende Großaktionäre ohne Auslösung eines Angebots "immer wieder ein Ärgernis" gewesen, so Beckermann, etwa "durch verschleierte Optionsgeschäfte, kaum nachvollziehbare Transaktionsverlagerungen ins Ausland oder die Einbindung von 'Family & Friends'. Laut Beckermann kommt eine Liberalisierung den ohnedies dominanten Kernaktionären zugute.
Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer (WKÖ) hingegen begrüßten beim Creeping-in die Anhebung der Schwellenwerte von 2 auf 3 Prozent. Für sie wäre eine Anhebung auf 5 Prozent ein deutlicheres Signal in Richtung Liberalisierung gewesen.
Die Novelle des Übernahmegesetz war durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nötig geworden. Der EuGH bemängelte, dass die bei der Wiener Börse angesiedelte Übernahmekommission kein unabhängiges und unparteiisches Gericht sei und gegen ihre Bescheide kein wirksamer Rechtsbehelf möglich sei. Mit der Novelle soll nun am Oberlandesgericht Wien eine neue Instanz eingeführt werden, die nicht nur Rechtsfragen, sondern auch den Sachverhalt prüfen kann.