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Digitalsteuer: Speicherpflicht "auf Vorrat" zerpflückt

Zum Digitalsteuerpaket der ÖVP-FPÖ-Regierung gibt es nach Ablauf der Begutachtungsphase mehrere kritische Stellungnahmen. Der beim Justizministerium angesiedelte Datenschutzrat der Republik Österreich zerpflückte die Speicherpflicht von IP-Adressen "auf Vorrat". Diese sei nicht verhältnismäßig, besser wäre eine anonymisierte Speicherung oder Werbeverträge für die Bemessung heranzuziehen.

Die Bemessung der fünfprozentigen Online-Werbeabgabe soll laut Gesetzesentwurf durch die IP-Adresse erfolgen. Dazu kommt eine siebenjährige Speicherpflicht der Daten. Nach massiver Kritik von Internetprovidern erklärte das Finanzministerium, im Rahmen der Begutachtung zu prüfen, ob nicht eine anonymisierte Speicherung ausreiche.

Der Datenschutzrat stellte jedenfalls klar, dass personenbezogene Daten nur verarbeitet werden dürfen, wenn sie im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemäß Datenschutzgesetz sowie im Lichte der Grundsätze der Zweckbindung und Datenminimierung gemäß Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zur Zweckerreichung unbedingt erforderlich seien. "Die massenhafte Speicherung etwa der IP-Adressen von Nutzern durch den Steuerschuldner im Rahmen der Aufzeichnungspflichten auf Vorrat erscheint zum Zweck der Berechnung der Digitalsteuer keinesfalls verhältnismäßig."

Auch der Handelsverband erklärte, er erachte "die für die Steuereinhebung erforderliche massive Datensammlung als überaus bedenklich". Das würde bedeuten, dass die jeweiligen Nutzer mit ihrer IP-Adresse, dem Standort ihres Gerätes und dem Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung am Gerät, bei den großen Internet-Konzernen erfasst und gespeichert werden müssten. Der Handelsverband erwartet, dass Facebook, Google und Co. die Werbeabgabe 1:1 an die Auftraggeber weiterverrechnen werden, also dass letztlich heimische Unternehmen diese Steuer zahlen müssen. Die Abschaffung der Einfuhrumsatzsteuer-Freigrenze begrüßt der Verband, kritisiert aber die langsame Umsetzung, statt 2021 sollte und könne die Abschaffung schon 2020 in Kraft treten.

Der Handelsverband sieht ebenso wie der Datenschutzrat und der Verfassungsdienst offene Fragen und Unschärfen bei der Auslegung des Gesetzes. So heißt es etwa, dass eine Onlinewerbeleistung dann als im Inland erbracht gilt, wenn sie "sich ihrem Inhalt und ihrer Gestaltung nach (auch) an inländische Nutzer richtet". Für den Verfassungsdienst fraglich ist, wann dies genau der Fall ist, reiche etwa die Verwendung der deutschen Sprache bereits aus, um von einer an inländische Nutzer gerichtete Onlinewerbung auszugehen. Bei der Speicherpflicht der IP-Adressen erinnerte auch der Verfassungsdienst an den Datenschutz. Es sollte im Gesetz auch näher dargelegt werden, welche personenbezogenen Daten bei der Ortung verarbeitet werden und welche Garantien bestehen, um die Möglichkeit der Erstellung von Bewegungsprofilen auszuschließen.

Die Wirtschaftskammer lehnt die neue Steuer ab. Weil die Werbeabgabe auf die werbenden Unternehmen übergewälzt werden könnte, zweifelt die Kammer an der Treffsicherheit der Maßnahme im Sinne der Steuergerechtigkeit. Lob kommt hingegen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer, wenn auch mit einem "Aber": "Dass die Bundesregierung nach dem Scheitern auf EU-Ebene jetzt national tätig wird, wird grundsätzlich positiv beurteilt. Mit dem vorgelegten Digitalsteuergesetz 2020 bleibt sie aber unter ihren Möglichkeiten", heißt es in der AK-Stellungnahme auf der Parlamentswebseite. So bleibe das Problem der mangelnden Wettbewerbsgerechtigkeit zwischen traditioneller und digitaler Wirtschaft weitgehend ungelöst. Zudem gewähre die IP-Speicherung der Verwaltung unnötig viel Spielraum zur Abfrage und Verwertung personenbezogener Daten.

Der Rechtsanwaltskammertag teilt die Datenschutz-Bedenken, zugleich warnt die Kammer der Rechtsanwälte vor einem Verstoß gegen EU-Recht, "da die Schwellenwerte beabsichtigen, inländische gegenüber ausländischen Unternehmen zu begünstigen (und dieses Motiv für die Schwellenwerte sogar vom Gesetzgeber eingeräumt wird)". Der Verband der Privatsender (VÖP) sorgt sich, dass mit steigenden Umsätzen auch österreichische Medienunternehmen von der Online-Werbeabgabe erfasst werden, begrüßt das Gesetz aber als Beitrag zur Steuergerechtigkeit und erfreut sich insbesondere an der geplanten Förderung des österreichischen Medienstandorts mit jährlich 15 Mio. Euro, gleichwohl der VÖP eine Zweckwidmung oder zumindest eine regelmäßige Erhöhung anregt.

Kritik äußerte der Provider-Verband ISPA. Neben Kritik in puncto Datenschutz sprachen sich die Internetprovider auch dagegen aus, die Einnahmen aus der Online-Werbeabgabe an heimische Medien zu verteilen. Dies wäre eine Querfinanzierung österreichischer Medienunternehmen durch die Werbewirtschaft. Der ORF regte in seiner Stellungnahme an, die GIS dezidiert nicht als Umsatz zu werten. Außerdem sollte klargestellt werden, dass es keine Aufzeichnungs- und Meldepflichten für Unternehmen gibt, die unter den Umsatzschwellen für die Online-Werbeabgabe bleiben. Des weiteren sollte die "Definition der Onlinewerbeleistung zeitgemäß erfolgen und auch andere gängige Werbeformen (eindeutig) erfassen, die nicht (nur) in Form von Bannern oder Standbildern bestehen (z.B. auch alle Formen des Streaming oder sonstige integrierte Verlinkungen)".

Die Online-Werbeabgabe, die jährlich rund 25 Mio. Euro einbringen soll, betrifft Unternehmen, die weltweit einen Umsatz von mehr als 750 Mio. Euro, davon 25 Mio. Euro in Österreich, machen. Die Pläne umfassen weiters eine Ausdehnung der Einfuhrumsatzsteuer im Online-Handel sowie eine Haftungsklausel für Online-Vermittlungsplattformen. Die Begutachtung für das Gesetz endete am Donnerstag. Als nächster Schritt stehen etwaige Änderungen und darauffolgend der Beschluss der Regierung im Ministerrat an. Dieser Regierungsentwurf wird dann an das Parlament weitergeleitet.

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