Rishelle Wimmer ist gebürtige US-Amerikanerin und hat an der Eliteuniversität Cornell in New York Ingenieurswissenschaften studiert. In Salzburg hat der hochbegabten Technikerin dann ein Professor gesagt, sie sollte doch erst mal Erziehungswissenschaften studieren. Was sie brav gemacht habe, wie sie lachend erzählt. Heute ist Wimmer Senior Lecturer und Internationale Koordinatorin am Studiengang Informationstechnik & System-Management der Fachhochschule Salzburg. Soeben holt sie die größte Vereinigung von Frauen aus Ingenieurwesen und Technik, die Society of Women Engineers (SWE), ins Haus. Damit wird die Fachhochschule Salzburg offiziell zum ersten SWE-Partner in Westeuropa.
Wie viele Studentinnen haben Sie an der FH in den technischen Fächern? Wimmer: In unserem Fach Informationstechnologie haben wir einen Frauenanteil von elf Prozent, bei Multimedia-Technologie sind es rund 20 Prozent, bei Holztechnologie und Smart Building um die 30 Prozent.
Warum sind das so wenige? Es fehlt an Role Models, Frauen im Ingenieurswesen und in technischen Berufen sind nicht sichtbar. Wir nehmen technische Berufe als Männerberufe wahr. Frauen gehören nicht dazu.
Wer war Ihr Role Model? Ein Mann in einer US-Fernsehserie, der Brücken und Städte gebaut hat. Aber natürlich ist es eine Hilfe, wenn jemand in der Familie ein Ingenieur oder gar eine Ingenieurin ist, dann gehen auch Frauen öfter in die technischen Bereiche.
Sie selbst sind schnell von der Technik in den Managementsektor gewechselt, warum? Ich habe in dieser Technik-Männerwelt nicht dazugehört. Frauen werden nicht wahrgenommen, und sie werden zu wenig ermutigt. Es gibt Belästigungen und Beleidigungen. Als Mitglied einer Minderheit ist man vielem ausgesetzt. Man muss sich ständig behaupten, das müssen Männer auch, aber sie erfahren eine andere Unterstützung. Die sozialen Netzwerke, die Frauen in anderen Berufen haben, gibt es in den technischen Feldern kaum.
Seit den 80er-Jahren hat die Zahl der Frauen in Ingenieurswissenschaften ein Plateau erreicht, das bei 15 Prozent liegt. Was muss sich ändern, damit sich etwas ändert? Die Unternehmen wollen die Frauen dringend. Es gilt aber der Leitsatz, morgen wird das sein, was du heute kennst. Darum engagiere ich mich jetzt für das Netzwerk, damit Frauen sichtbarer werden. Es ist wichtig, dass die Frauen sich zusammenschließen. Und wir müssen die Männer als Partner der Diversität gewinnen. Frauen allein können das nicht. Unternehmen müssen eine Umwelt schaffen, in der sich Frauen wohlfühlen und sich willkommen fühlen und als gleichwertige Partner behandelt werden.
Welche Unterstützung braucht es? Maria Caraballo zum Beispiel, die bei der Eröffnung des Netzwerks in Salzburg sprechen wird, arbeitet als Direktorin bei Juniper Networks. Der weltweit zweitgrößte Netz werkausrüster vergibt für Frauen in Ingenieurswissenschaften in Europa Stipendien in der Höhe von 7000 Dollar plus ein bezahltes Praktikum bei der Firma. Solche Unterstützungsmodelle könnten etwas bewirken.
Warum sehen wir nicht einmal die 15 oder 20 Prozent der Ingenieurinnen in der Öffentlichkeit? Es ist wichtig, dass sich Frauen in Leitungspositionen präsentieren können. Deshalb habe ich mit SWE begonnen. Das Netzwerk hat weltweit 38.000 Frauen als Mitglieder.
Das Netzwerk gibt es bereits seit 1950. Aber bringt das überhaupt etwas? Frauen wie Anca Eisele, die SWE-Botschafterin ist, sie arbeitet seit 20 Jahren bei John Deere (Landmaschinen, Anm.) und ist dort Global Commodity Quality Manager. Sie ist eine jener Frauen, die sich vernetzen und weiterbilden. Wenn Frauen sehen, dass das jemand anderes schafft, dann motiviert sie das. Im Oktober fand die internationale Konferenz in Texas mit 15.000 Frauen aus technischen Berufen und Studien statt. Das sind Erlebnisse, die prägend sind. Frauen müssen sich zeigen, eine Gemeinschaft bilden, und Verantwortung übernehmen.
Aber Frauen sind es oft müde, zu kämpfen. Ja. Unlängst hat mir eine Technikerin erzählt, sie sei nach 20 Jahren von der Industrie in ein Innovationsinstitut gewechselt. Sie sagt, man werde müde, sich immer behaupten zu müssen. Eine Studentin von mir, die in einem Unternehmen als einzige Frau arbeitet, erzählt, sie müsse so aufpassen, dass sie keinen Fehler mache. Denn dann ist es nicht nur ihr Fehler, sondern es fällt auf Frauen zurück. 40 Prozent der Technikerinnen in den USA hören nach drei bis fünf Jahren auf.
Jeder sagt heute, die Wirtschaft brauche die Frauen in der Technik. Warum fühlen sich die nicht angesprochen? Unsere Firmen in der Region brauchen zwei bis drei Mal so viele Absolventinnen und Absolventen, wie wir an der Fachhochschule produzieren können. Wichtig wäre zu vermitteln, dass Ingenieure dazu da sind, Probleme zu lösen. Wir müssen Technik anders präsentieren. Es ist ein kreativer Beruf. Man muss es neu verpacken, was es bedeutet, ein Ingenieur zu sein. Die neue digitale Welt wird von Ingenieuren gemacht. Sie gestalten unsere Zukunft. Wir müssen Ingenieursberufe als erstrebenswerte Karrieren für Frauen verkaufen. Technik ist die Architektur für alle Dinge. Und weil Männer und Frauen diese Dinge zu gleichen Teilen benutzen, müssen beide daran arbeiten. Wir brauchen die Sicht der Frauen dabei. Zudem sind diverse Teams produktiver und generieren mehr Geld.
Und was passiert, wenn Frauen weiterhin in der Technik eine Minderheit bleiben? Die Wirtschaft verliert zu viele Talente, und das können wir uns angesichts des Wettbewerbs etwa aus dem Pazifikraum nicht länger leisten. Daher müssen wir uns in den Betrieben auch den harten Themen stellen, das sind etwa Machtverhalten und sexuelle Übergriffe. Es geht nicht um Opferrollen, sondern darum, eine gestalterische Position einzunehmen. Etwa bei der Frage, wie können wir eine gute Arbeitswelt 4.0 gestalten. Frauen haben hier etwas beizutragen.
Rishelle Wimmer kennt das SWE- Netzwerk Society of Women Engineers aus ihrer Technikerin-Zeit in den USA. Die gebürtige US-Amerikanerin und Mutter dreier Kinder will, dass das professionelle Weiterbildungs- und Netzwerkangebot SWE auch in Salzburg wirkt. Am 24. November (19 Uhr) findet am Campus Urstein unter der Schirmherrschaft von Frauen-Landesrätin Martina Berthold die Eröffnung statt.