Das Ziel solcher Abkommen liegt im Investitionsschutz - Klimaschutz ist hingegen kein Thema. Gesetzesänderungen zum Ausstieg aus der Kohle, wie etwa in den Niederlanden geplant, führen daher zu Schadensersatzklagen, erinnert Gabriel Lentner von der Donau Universität. 52 Staaten und die EU haben das in den 1990er-Jahren ausgehandelte ECT-Abkommen unterzeichnet. Seit 2017 laufen Bemühungen um eine Modernisierung, bis Juni 2022 soll der Reformprozess abgeschlossen sein. Allerdings zeichne sich nicht ab, dass generell der Schutz von Investitionen in fossile Energieträger auslaufen wird, sagte heute Fabian Flues von PowerShift. Der Investitionsschutz für bestehende fossile Investitionen werde wohl für Kohle bis in die 2030er-Jahre und für Erdgas bis 2040 weiterlaufen, in einigen ECT-Mitgliedsstaaten soll er überhaupt nicht Enden. Auch werden weiter Klagen gegen Umwelt- und Klimamaßnahmen möglich sein.
attac Österreich wirft dem Wirtschaftsministerium vor, rund eine Million Unterschriften aus der ganzen EU gegen das Abkommen nicht in Empfang genommen zu haben. "Österreich unterstützt voll und ganz die Arbeit der ECT Modernisierungsgruppe" heißt es dazu aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium. Österreich stehe hinter dem Verhandlungsmandat der EU-Kommission. Der Vertrag müsse reformiert und in Einklang mit den Zielsetzungen des Pariser Klimaschutzübereinkommens gebracht werden.
Unter den vielen weltweiten Investitionsschutzabkommen sei das ECT besonders einflussreich, weil die EU-Länder dabei sind und EU-Firmen andere EU-Staaten klagen können. So eine Verpflichtung zwischen Industriestaaten gibt es sonst nicht. Dabei hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon einmal entschieden, dass das Abkommen zwischen EU-Staaten nicht anzuwenden sei. "Leider ist es aber so, dass die Schiedsgerichte die Tendenz haben, den EuGH zu ignorieren", sagte die Grüne Abgeordnete im Deutschen Bundestag Kathrin Henneberger bei der Pressekonferenz.
Die Umweltorganisationen kritisieren grundsätzlich mangelnde Transparenz von Schiedsverfahren und die Verlegung der Entscheidung an einige wenige, von den Parteien ausgewählte Personen, die keine Richter sind. So sind auf der Homepage der ECT 142 Verfahren aufgelistet, der Großteil davon betrifft Erneuerbare Energieträger. Allerdings hält ECT selber fest, dass Streitfälle nicht bekanntgegeben werden müssen, die Liste also keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellt.
So laufe unter dem ECT auch ein Verfahren wegen der fertiggestellten, aber noch nicht zum Betrieb freigegeben Pipeline Nord Stream 2 gegen die EU. In den ersten Einwendungen des russischen Unternehmens geht es um 8 Mrd. Euro - das könnte also künftig noch zu einem der größten Streitfälle des Vertrags führen, sagt Flues. Die bisher drei größten - bekannten - Fälle unter dem ECT gingen zugunsten des klagenden Investors gegen Russland aus - Hulley Enterprises wurden 91 Mrd. Dollar zugesprochen, Veteran Petroleum 18,7 Mrd. Dollar und Yukos 4 Mrd. Dollar.
Ganz allgemein sei in internationalen Investitionsschutzabkommen die fossile Industrie "der prozessfreudigste Wirtschaftszweig", zeigt eine Studie des IISD (International Institute for Sustainable Development). Fast jedes fünfte Verfahren bei internationalen Schiedsgerichten (nicht nur ECT) werde von der fossilen Industrie angestrengt, die meisten der Verfahren würden zugunsten der Investoren entschieden und die durchschnittliche Entschädigung sei mit über 600 Mio. Dollar fast fünfmal so hoch wie bei anderen Fällen sagte Lukas Schaugg, Referent des IISD. Untersucht wurden gut 1.200 Verfahren zwischen Investoren und Staaten, die öffentlich bekannt wurden. Davon fielen 231 auf fossile Energie. Ein Drittel wurde zugunsten der Investoren, ein Viertel zugunsten der Staaten entschieden, sehr viele durch bilaterale Streitbeilegung. Wenn es aber zu einer Entscheidung in der Hauptsache kam, dann gewannen Investoren sogar in drei von vier Fällen, so die IISD-Studie (http://go.apa.at/NyxP6mVk).
Investitionsschutzabkommen wurden ursprünglich von Industriestaaten gefordert, um die Investitionen ihrer Firmen in anderen, aus westlicher Sicht weniger stabilen Ländern zu sichern. "Es gab die Sorge, dass die Unternehmen auf korrupte, dysfunktionale Regierungen und Staaten stoßen und dann bei Regierungswechseln Zusicherungen wieder zurückgenommen werden" - oder es gab die Angst vor Verstaatlichungen, sagte Lentner. Auch habe man sich damals vorgestellt, dass ein starker Investitionsschutz Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung sei - dafür sei der Beleg aber noch nicht erbracht, sagt Lentner. Entsprechend stark ist der Schutz der Firmen auch ausgelegt - Schiedssprüche können oft nicht mehr beeinsprucht werden, sind bindend und können weltweit vollstreckt werden. Neue Gesetze zum Schutz vor dem Klimawandel sind darin nicht vorgesehen.