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Das teure Wohnen erschüttert den Zukunftsglauben

Trotzdem vernachlässigt die Politik die akuten Probleme in diesem zentralen Lebensbereich seit Jahren. Dabei liegen Lösungen längst auf dem Tisch.

Hermann Fröschl
Ein Viertel des Einkommens reicht bei den meisten nicht mehr zum Wohnen.
Ein Viertel des Einkommens reicht bei den meisten nicht mehr zum Wohnen.

Es ist eine der größten Enttäuschungen, die die Menschen aktuell erleben. Wer sich anstrengt, wird dafür belohnt - der Glaube an dieses lange gültige Wohlstandsversprechen schwindet rasant. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass das Wohnen für die Menschen viel zu teuer geworden ist. Der Traum vom Eigenheim zerplatzt ohne Erbschaft. Und Mieten kennen seit 20 Jahren nur eine Richtung: steil bergauf.

Die lange gültige Maßzahl, dass man ein Viertel des Einkommens fürs Wohnen ausgeben sollte, ist Makulatur. Nicht wenige brauchen die Hälfte oder noch mehr. Umso irritierender ist, dass die Politik das seit Jahren brodelnde Thema sträflich vernachlässigt. Während Deutschland das Wohnen zuletzt in einem eigenen Ministerium gebündelt hat, wabert das Thema in Österreich zwischen Bund und Ländern hin und her. Jeder ist ein bisserl zuständig, niemand wirklich. Selbst die budgetäre Vorgabe, die von den Steuerzahlern eingehobenen Wohnbaubeiträge sowie die Rückflüsse aus Wohnbaudarlehen für geförderten Wohnbau zu verwenden, wurde vor Jahren gestrichen. Mit der Folge, dass die Länder Milliarden aus Wohnbaugeldern für andere Bereiche ausgaben. Eine Chuzpe, die das Versagen der Politik offenbart. Dazu kommt ein 40 Jahre altes Gesetz, das Mieter erster, zweiter und dritter Klasse schafft - ein Durcheinander, das niemand versteht und das in der Teuerungswelle keine preisdämpfende Antwort bietet.

Dass Kanzler Karl Nehammer am Freitag ein Plädoyer dafür hielt, dass bis 2030 möglichst viele Österreicher Wohnungseigentümer sind, ist rührend. Doch seit Jahren explodieren die Preise, werden Gründe spekulativ gehortet und triumphiert der freie Markt über den geförderten Mietwohnbau. Jetzt verschärfen die steigenden Zinsen die Lage zusätzlich. Die Politik ist längst Getriebener eines fehlgeleiteten Markts. Statt Visionen braucht es rasche Krisenintervention. Erstens ist in der Teuerungswelle eine rasche Mietbremse für alle überfällig. Zweitens müssen Grundbesitzer, die beim Verkauf viel verdienen, bei der Umwidmung verpflichtet werden, Gründe für günstigen Wohnbau bereitzustellen. Und drittens gehört der fatale Fehler korrigiert, dass die Wohnbaubeiträge der Steuerzahler für andere Budgetbereiche verwendet werden dürfen. Und zwar, werter Kanzler, nicht irgendwann, sondern sofort. Das öffentliche Geld ist da, es wird nur nicht konsequent für günstigen Wohnraum eingesetzt. Ein Armutszeugnis in einer Zeit, in der immer mehr Menschen unter viel zu hohen Wohnungspreisen leiden.

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