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Nationalbank beschloss strengere Vorgaben für Wohnkredite

Die lockere Wohnkreditvergabe der österreichischen Banken bei gleichzeitig bereits überbewerteten Immobilien und weiterhin dynamisch steigenden Preisen hat mittlerweile auch international Aufsehen erregt. Das Finanzmarktstabilitätsgremium (FSMG) hat in seiner gestrigen Sitzung Verschärfungen beschlossen, die ab Mitte des Jahres gelten sollen, wie die Oesterreichische Nationalbank am Mittwoch bekanntgab. Ein Eigenkapitalanteil von mindestens 20 Prozent ist künftig Pflicht.

Für den Kauf einer Wohnung braucht man künftig mehr Bares
Für den Kauf einer Wohnung braucht man künftig mehr Bares

Die vorgesehenen Maßnahmen verringern laut OeNB "die exzessiven Aspekte der Immobilienkreditvergabe, wie zu geringe Besicherung, zu hoher Schuldendienst und zu lange Laufzeiten".

Zuletzt hatte der in Frankfurt ansässige Europäische Rat für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB), der zur Europäischen Zentralbank (EZB) gehört, strengere Vergabekriterien für Immo-Kredite nahegehintanzuhalten; davor kamen bereits ähnliche Anregungen seitens des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Bestandskredite sind von den Änderungen nicht betroffen.

Konkret empfehle das Finanzmarktstabilitätsgremium der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA), eine maximale Beleihungsquote von 90 Prozent, eine Schuldendienstquote von 40 Prozent und eine Laufzeitbeschränkung von 35 Jahren zu verordnen, teilte die Nationalbank heute mit. Ein Ausnahmekontingent in Höhe von insgesamt 20 Prozent solle den Kreditinstituten ausreichend Flexibilität gewährleisten.

"Eine Beleihungsquote von 90 Prozent stellt eine ausreichende Besicherung des Kreditvolumens sicher und ist für eine typische Immobilienfinanzierung konsistent mit einem Eigenfinanzierungsanteil von 20 Prozent", sagte ein OeNB-Sprecher zur APA. Kaufe man etwa eine Immobilie im Wert von 200.000 Euro und trage eine entsprechende Hypothek ein, so sei maximal eine Kredithöhe von 180.000 Euro zulässig. "Angesichts von typischen Nebenkosten von rund 10 Prozent - also Gesamtkosten von 220.000 Euro - wären somit 40.000 Euro als rund 20-prozentiger Eigenfinanzierungsanteil aufzubringen", rechnete der Sprecher vor.

Die bestehende Leitlinie zur nachhaltigen Immobilienkreditvergabe an Private wurde zudem ergänzt: Künftig wird die Schuldendienstquote für Kredite mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren auf 30 Prozent stärker begrenzt, wenn die Zinsbindung kürzer als die Hälfte der Laufzeit des Kredits ist, die aufgenommene Summe also überwiegend variabel verzinst ist.

Das Gremium werde "die Entwicklungen in der Neukreditvergabe weiterhin genau beobachten und ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung des Anteils der variabel verzinsten Kredite legen", betonte die Nationalbank.

Das Finanzmarktstabilitätsgremium hat den Angaben zufolge bereits in den letzten Sitzungen festgestellt, dass die systemischen Risiken aus den Wohnimmobilienfinanzierungen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind und sich in den letzten beiden Jahren noch deutlich beschleunigt haben. Die systemischen Risiken in diesem Segment seien zwar in vielen Ländern des Euroraums gestiegen, allerdings seien die Entwicklungen in Österreich "besonders auffällig".

Derzeit werden in Österreich laut Nationalbank bei mehr als der Hälfte der vergebenen Kredite die FMSG-Richtlinien, also die empfohlenen Mindestkriterien, nicht vollständig erfüllt. Mehr als 50 Prozent der Kreditnehmer und Kreditnehmerinnen haben weniger als 20 Prozent Eigenfinanzierungsanteil und fast 20 Prozent wenden für die Tilgung der Rate mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens auf. Die Laufzeiten betragen nur in wenigen Fällen mehr als 35 Jahre.

Mit den beschlossenen Maßnahmen sollen im Aufbau befindliche systemische Risiken "präventiv" adressiert und Verluste aus Kreditgeschäften abgeschwächt werden. Weiters sollen damit Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer vor den Konsequenzen einer Überschuldung geschützt werden.

Internationale Erfahrungen zeigten, dass Finanzkrisen im Zusammenhang mit Immobilienkrisen hohe Wohlstandsverluste mit sich bringen können, strich die Nationalbank hervor. Österreich sei in den letzten Jahrzehnten von einer Immobilienkrise verschont geblieben - "die empfohlenen Maßnahmen sollen einen Beitrag dazu leisten, dass dies so bleibt". Auch hätten 24 von 30 EWR-Ländern bereits derartige Maßnahmen eingesetzt.

Das FMSG hat in seiner 31. Sitzung am Dienstag auch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Finanzmarktstabilität in Österreich diskutiert und festgestellt, dass die in den letzten Jahren aufgebauten "makroprudenziellen Kapitalpuffer einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Stabilität des Bankensystems zu gewährleisten". Dem Finanzsystem stehe auch ausreichend Liquidität zur Verfügung, um einen etwaig kurzfristig auftretenden erhöhten Liquiditätsbedarf bedienen zu können.

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