Die Sicherheitswirtschaft in Österreich werde unterschätzt, sagte Neumayer am Montag vor Journalisten in Wien. "Wir haben rund 100 bis 150 Unternehmen und Zulieferer in diesem Bereich." So werde auch der neue Radpanzer "Pandur Evo" in Österreich produziert. "Es gibt rund 200 österreichische Unternehmen, die hier Zulieferer sind - das reicht von der Lackierung bis zum Gießen der Wanne."
Rund 10.000 Leute seien in diesem Bereich direkt beschäftigt, in den Wertschöpfungsketten noch deutlich mehr. "Das ist ein Bereich, der mit über sieben Prozent eine sehr hohe Forschungsquote hat", so der IV-Generalsekretär. "Es wäre möglich, wenn investiert wird, in Teilbereichen bis zu 90 Prozent dieser Investitionen in Österreich abzudecken - insbesondere im Bereich der Mannesausrüstung oder der Mobilität." So habe etwa ein Kärntner Unternehmen vor kurzem eine Ausschreibung der tschechischen Armee für die Uniformierung gewonnen.
Wichtig sei es, dass sich österreichische Unternehmen an europäischen Forschungs- und Entwicklungsprojekten im Rahmen des European Defence Fund (EDF) beteiligen, sagte IV-Chefökonom Christian Helmenstein. In Europa würden pro Jahr 190 Mrd. Euro für Rüstung ausgegeben, "davon könnten 25 bis 100 Milliarden durch grenzüberschreitende Beschaffungsprojekte eingespart werden".
Traditionell habe Österreich bei Beschaffungsaufträgen des Bundesheeres Gegengeschäfte verlangt, etwa beim Eurofighter. Das sei zwar sehr erfolgreich gewesen, "aber in der Europäischen Union sind Gegengeschäfte nicht sehr willkommen". Deshalb sei es wichtig, dass sich österreichische Unternehmen an internationalen Konsortien Eintritt in Forschungs- und Wissenschaftsprojekte verschaffen. Derzeit würden 80 Prozent der Rüstungsbeschaffungen national erfolgen, aber "der Ukraine-Krieg wird dazu führen, dass die Rüstungskooperationen in der EU verstärkt werden", glaubt Helmenstein. So würden Deutschland und Frankreich den militärisch-industriellen Kern beim Eurofighter-Nachfolgeprojekt bilden. Spanien und Italien würden bei derartigen Projekten eingebunden.
Auch Österreich müsse sich an solchen Konsortien beteiligen, es gebe hier viel Kompetenz etwa im Bereich der Drohnentechnologie oder der Luftraumüberwachung, sagte der IV-Volkswirt. Im Rahmen des European Defence Fund könnte Österreich Rückflüsse von 37 Mio. Euro pro Jahr lukrieren, dafür sei aber eine nationale Kofinanzierung von 18 Mio. Euro notwendig, und die müsste im Verteidigungsbudget sichergestellt werden, sagte Neumayer. "Eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets sollte das beinhalten." Derzeit müssten österreichische Unternehmen, die sich an internationalen Konsortien beteiligen, bis zum Schluss zittern, ob sie die nationale Kofinanzierung bekommen.
Eine erste Antragsrunde für Projektförderungen habe es bereits gegeben, sagte Helmenstein, an zehn Konsortien seien auch österreichische Unternehmen beteiligt. Die Ergebnisse werde man voraussichtlich im Juni erfahren.
Die Kofinanzierungen von Gemeinschaftsprojekten durch den Staat würden sich auf jeden Fall lohnen, meint man in der Industriellenvereinigung. Für jeden Euro, der in gemeinsame Forschungsprojekte gesteckt werde, würden 88 Cent an Wertschöpfung in Österreich bleiben, sagte Helmenstein. Bei Entwicklungsprojekten betrage die nationale Wertschöpfung 60 bis 70 Prozent. Bei Beschaffungen aus den USA oder Deutschland bzw. Frankreich betrage die nationale Wertschöpfung nur 35 Prozent.
Der Ukraine-Krieg wird nicht nur zu einem massiven Anstieg der Rüstungsausgaben führen, sondern habe auch das "Seidenstraßen"-Projekt mit der geplanten Verlängerung der Breitspur-Bahn nach Österreich für viele Jahre gestoppt, meint Helmenstein. "Wir werden sicher keine Startrampe bauen, um russische Truppen schnell nach Europa verlegbar zu machen."