Die beiden Beispiele hätten eines gemein: Menschen sollen spielerisch zu klimafreundlicherem Verhalten "angestupst" werden, in der Fachsprache spricht man von "Green Nudging". Der Tiroler "ummadum"-Gründer René Schader erläuterte im APA-Interview, warum das in puncto Mobilität besonders sinnvoll ist: Grünere Mobilität setze eine Verhaltensänderung voraus, die mit einem Umdenken einhergehe. Oft stoße man auf Widerstand. Anstatt durch Klimaschutzmaßnahmen Pendelnde zu vergraulen, setze man auf Belohnung, die auch der lokalen Wirtschaft nutze, so Schader.
Österreich ist ein Pendlerland. Laut Statistik Austria pendeln rund 2,5 Millionen Erwerbstätige. Von 2001 bis 2017 ist ihr Anteil von 45 auf 60 Prozent gestiegen. In Österreichs vier wichtigsten wirtschaftlichen Zentren - Wien, Graz, Linz, Salzburg - arbeiten rund ein Drittel aller Beschäftigten. Im Schnitt sitzt in einem Pendler-Auto lediglich eine Person. Das führt nicht nur zu Stau, sondern auch zu viel Abgasen und CO2 in der Atmosphäre. Gemessen an den aktuellen Spritpreisen ist es zudem teuer für den Einzelnen, unterstrich Schader.
Wer die Verkehrsproblematik nachhaltig lösen wolle, müsse aber nicht die einzelnen Pendler, sondern das "große Ganze" im Blick behalten, gab Schader zu bedenken. Deshalb visualisiert seine App zunächst Verkehrsströme. Personen, die zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung fahren, werden über die Plattform vernetzt.
Das Konzept binde aber auch Unternehmen und Gemeinden mit ein, weil sie Strukturen mitgestalten könnten. Mittlerweile würden mehr als 100 Unternehmen und Gemeinden bei "ummadum" ein sogenanntes "Mobilitätsbudget" an Punkten kaufen und ihren Mitarbeitern oder Einwohner zur Verfügung stellen, ließ Schader wissen. Etwas mehr als 150.000 Nutzer seien mittlerweile - rund vier Jahre nach der Gründung - auf der Plattform aktiv.
Potenzielle Nutzer müsse man "außerhalb der täglichen Informationsschiene" über "ungewöhnliche Kommunikationskanäle" erreichen, erklärte Schader. Durch die Einbindung der rund 100 Partnerbetriebe des lokalen Handels in das Konzept, schaffe man nicht nur einen "zusätzlichen Touchpoint", um Konsumenten auf umweltfreundlichere Mobilität aufmerksam zu machen, sondern stärke zusätzlich die regionale Wertschöpfung. Denn ein "ummadum"-Punkt habe einen fixen Euro-Gegenwert von einem Cent und könne direkt beim Einkaufen - etwa in der Tiroler Supermarktkette MPreis - direkt bei der Zahlung verwendet werden.
Begonnen habe alles mit dem Kristallkonzern Swarovski mit Sitz in Wattens in Tirol, zwei Gemeinden und einem Krankenhaus, erzählte der Unternehmensgründer. Damals seien sie noch proaktiv auf die Unternehmen zugegangen, erinnerte sich Schader. Mittlerweile sei es umgekehrt und "ummadum" werde von vielen Unternehmen direkt kontaktiert. Seit 2019 ist das Unternehmen in ganz Österreich vertreten, seit 2021 auch in Italien. Die Expansion in die Schweiz sei in Vorbereitung, in der zweiten Jahreshälfte 2022 wolle man das Modell auch in Deutschland ausrollen. Von dort erhalte man bereits Anfragen von Unternehmen. Mittlerweile nennen wir uns selbst "eine Bewegung", sagte der Unternehmensgründer nicht ohne Stolz.
Auch das steirische Unternehmen "Saubermacher" belohnte klimafreundlicheres Verhalten im Rahmen des 2021 durchgeführten Pilotprojekts "Digi-Cycle" mit Punkten - und zwar beim Sammeln von Plastikflaschen und Dosen in der Gemeinde Gnas in der Südoststeiermark. Rund 15.000 mit QR-Code beklebte Getränke wurden bei Promotion-Tagen am Gnaser Hauptplatz inklusive gelbem Sack mit eigenem QR-Code ausgegeben. Dazu gab es eine einfach zu bedienende App für die Abwicklung. Etwa jeder sechste Haushalt machte mit, was die Projektleiterinnen und -leiter als eine hohe Beteiligung werteten.
Der Ablauf des Projekts: Die Bevölkerung scannte mit ihren Apps auf Mobiltelefonen den QR-Code auf den ausgetrunkenen Getränken sowie auf den extra beklebten, passenden Abfallbehältern (gelber Sack, gelbe Tonne bzw. blaue Tonne, Anm.), in die sie die Verpackung warfen. Mit jedem Einwurf wurden Punkte gesammelt. Diese konnten anschließend in einer Bäckerei eingelöst werden. Die mit dem Code versehenen Dosen und Plastikflaschen konnten an allen öffentlichen Sammelstellen in Gnas oder mit dem ausgegebenen gelben Sack entsorgt werden.
107 Männer und Frauen gaben im Anschluss an das Projekt noch eine Bewertung bei einer Befragung ab: 85 Prozent sagten, dass sie eher mehr von den leeren Verpackungen sammeln, wenn sie diese in die gelbe Tonne oder den gelben Sack schmeißen können - sprich sie bevorzugen die Haushaltssammlung. Weniger als elf Prozent wollte die Rückgabe - etwa mit Pfand - im Supermarkt. Müllanalysen am Beginn und gegen Ende des Projektes zeigten "einen deutlichen Rückgang" an Plastikflaschen und "einen äußerst geringen Anteil an Getränken mit 'Digi-Cycle'-Code" im Restmüll.