Sollte ich in der Zukunft einmal meinem eigenen Selbstbewusstsein den Krieg erklären, hätte ich bereits verloren. Denn mein Hauptargument, dass an mir nichts außergewöhnlich ist, kann mit einer einzigen Aussage vernichtet werden: "Nenne mir drei Jugendliche in deiner Umgebung, die sich freiwillig Opern anhören."
Als Jugendliche, die sich in letzter Zeit recht für Opern begeistern kann, trifft mich die Feststellung, dass es viele Gleichaltrige nicht können, persönlich; ich sitze nicht gern allein im Saal. Und für mich allein stellt sich kein Mensch auf die Bühne.
Opern und klassische Musik allgemein haben etwas Elitäres. Elitär waren sie schon immer: Immerhin war Musik lange Auftragsarbeit für den Adel; als Konzerte öffentlich wurden, konnte sich die auch nicht jeder leisten. Dieses Stereotyp existiert nach wie vor und wenn wir uns ehrlich sind: Unter einem "Opernpublikum" stellen wir uns auch eher ältere Leute vor.
Durchschnittlich sind Opernbesucherinnen und -besucher rund 57 Jahre alt, etwa drei Viertel haben studiert. Schön und gut, kann man sich dabei denken, gehen halt alte Leute mit Doktortitel hin. Für die Branche ist das aber ein erhebliches Problem.
Der Pool an Personen, auf die diese Kriterien zutreffen, ist ohnehin schon nicht gerade unbegrenzt. Dadurch entgeht der Branche ein großes, potenzielles Publikum. Ein größeres Problem ist aber, dass das aktuelle Publikum kleiner wird. Sollte es jemand noch nicht mitbekommen haben: Alte Menschen sterben früher als junge Menschen. Und wenn keiner auf die Plätze der Toten vorrückt, sieht es leer aus im Zuschauersaal.
Ich sehe zwei Hauptgründe, warum Jugendliche sich nicht für die Opern begeistern: Der erste und größere ist das Image, Oper sei uncool. Mögliche Interessenten kommen gar nicht auf die Idee, der Oper eine Chance zu geben. Sie ist nicht präsent, sie scheint als etwas Weltfremdes, etwas für die Alten und die Eliten, nicht für den sechzehnjährigen Otto Normalverbraucher. Nimmt jemand das Wort Oper in den Mund, stöhnt man sofort innerlich: Das ist doch langweilig! Wer tut sich das freiwillig an?
Natürlich ist es verständlich, dass nicht jedermann und jedefrau Opern lieben kann, aber die Gesellschaft trägt schon ihren Teil dazu bei, dass diese Grundeinstellung ihren Weg in die Köpfe all derer findet, die sonst mit dem Gedanken spielen würden, sich eine Arie aus "Aida" anzuhören.
Zweitens ist Oper alt. "Il barbiere di Siviglia", "Der Ring des Nibelungen" und wie sie alle heißen, all die großen Opern sind alt und die Themen, die Handlungen, die Musik sprechen einfach kaum modernes Publikum an. Die klassische Musik ist nicht mehr sonderlich beliebt, die Zuschauerschaft spricht meist kein Italienisch, wenn Don Ottavio zum fünften Mal von Rache singt, wird es langsam langweilig, wenn Don José Carmen ersticht, wirkt es nicht wie die verzweifelte Tat eines hilflos Verliebten, sondern wie der Gewaltakt eines Mannes, der kein Nein akzeptieren will.
Wenn sie überleben will, muss sich die Oper verändern, und das hat sie auch bemerkt. Schülerinnen und Schüler erhalten Preisermäßigungen, was ihnen den Zugang erleichtert, Jugendopern werden aufgeführt, die ein jüngeres Publikum ansprechen. Aber wie vorhin gesagt: Ich verorte das große Problem in der Grundeinstellung gegenüber Opern. Wie kann man die ändern?
Das ist schwer zu sagen. Wenn allein das Wort Oper schon eine abschreckende Wirkung hat, wird es nicht gerade ein Kinderspiel. Jugendopern tragen schon ihren Teil dazu bei, das Image der Oper ein wenig zu entstauben, aber vorrangig wird mit "Oper" noch immer die klassische Oper assoziiert. Die Spielpläne der Opernhäuser müssen abwechslungsreicher werden und das muss in den Medien, vor allem in den sozialen, geteilt werden, damit die Wahrnehmung verändert werden kann.
Ein zusätzlicher Ansatz, den ich vielversprechendfinde, wäre, Instrumentallehrerinnen und -lehrer zu ermutigen, auch Stücke aus Opern zu spielen. Wer ein Instrument erlernt, spielt dabei schon oft Klassik - darüber könnte man ebenfalls Kinder und Jugendliche mit Oper vertraut machen.
Ich wünsche mir, dass die Oper überlebt. Ob Oper, Operette, Musical: Geschichten, die mithilfe von Musik erzählt werden, faszinieren mich und ziehen mich in ihren Bann. Ich hoffe, dass die lange Geschichte der Oper nicht so enden wird wie Madama Butterfly.
Magdalena Mackinger (17) stammt aus St. Pantaleon (OÖ) und besucht das Rottmayr-Gymnasium in Laufen (D).
