Leserbrief

Ein Plädoyer für Solidarität

Im Leitartikel der SN vom 30. Okt. wird wieder einmal der sogenannte "Generationenvertrag" aus dem Hut gezaubert. Als wäre jemals eine Vereinbarung einer Generation mit einer anderen Generation abgeschlossen worden. Es liegt auf der Hand, dass es einen solchen Vertrag nie gab und aus praktischer Sicht auch nie geben kann. Worum es in Wahrheit geht, ist die Solidarität innerhalb einer Gemeinschaft, und zwar nicht nur zwischen Jungen und Alten, sondern zwischen allen gesellschaftlichen Gruppierungen mit ihren jeweiligen Einzelinteressen.
Der Artikel verwendet den "Generationenvertrag" zur Kritik daran, dass in der Frage der Verlängerung des Wehrdienstes "über die Köpfe der Generation Z hinweg"
entschieden werden soll. Und wenn der Wehrdienst (vom Parlament!) tatsächlich verlängert werden sollte, fordert der Autor des Leitartikels im Gegenzug für Ältere beim Eintritt in die Pension ein verpflichtendes "Sozialjahr". Begründung: der Generationenvertrag! Wie könnte man sich das vorstellen? Sollen Männer (und Frauen?) vielleicht vor Antritt der Pension vor einer neu gegründeten Pensionisteneinstellungskommission auf ihre Tauglichkeit für ein verpflichtendes Sozialjahr untersucht werden?

Apropos Solidarität: Ich gehöre zur älteren Generation. Als ich der jüngeren Generation angehörte, leistete ich selbstverständlich den verpflichtenden neunmonatigen Wehrdienst, und zwar unter wesentlich härteren Bedingungen, als dies heute der Fall ist. Mit welcher Begründung sollte ich jetzt zusätzlich zu einem "Sozialjahr" verpflichtet werden?

Auch die Kritik, dass "über die Köpfe der Generation Z" hinweg entschieden werde, ist nicht nachvollziehbar. Es kann doch nicht der Generation Z obliegen zu entscheiden, ob aufgrund der gegenwärtigen Bedrohungslage eine Verlängerung der Wehrpflicht geboten ist, um die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu sichern? Eine Entscheidung, die für den Staat insgesamt von Bedeutung ist.
Es steht jeder Gruppe frei, im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ihre Interessen einzubringen, wovon auch häufig Gebrauch gemacht wird. Aber letztendlich werden Gesetze in einer parlamentarischen Demokratie vom Parlament beschlossen. Die Feststellung im erwähnten Artikel, dass sich die "Lust junger Österreicher in Grenzen hält, den Dienst an der Waffe anzutreten", kann nicht der Maßstab sein für wehrpolitische Grundsatzentscheidungen. Die erwähnte "Lust" gab es in der Zweiten Republik verständlicherweise nie.

Alois Federsel, 5201 Seekirchen

Aufgerufen am 04.11.2025 um 01:19 auf https://www.sn.at/leserforum/leserbrief/ein-plaedoyer-solidaritaet-187010764

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