Da hier so viele Missinterpretationen vorgenommen wurden, melde ich mich nochmals zu Wort, und ich meine, als Ex-Bezirksrichter kann ich da eine fachkundige Meinung äußern.
Hier ist ohne Zweifel ein Urteil ergangen, das dem vorliegenden Sachverhalt nicht gerecht wird. Die Verantwortung dafür liegt aber nicht beim Gericht, sondern meiner Meinung nach bei der Staatsanwaltschaft. Denn die hat dem Gericht die Möglichkeit vorenthalten, den Sachverhalt umfassend rechtlich zu beurteilen.
Angeklagt wurde nämlich nach § 205a StGB die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung. Dieser Paragraf enthält keine Jugendschutzbestimmungen. Jugendschutzbestimmungen enthalten hingegen die §§ 206 und 207 StGB betreffend den sexuellen Missbrauch von Unmündigen. Hier spielen das Alter von Täter und Opfer und der Altersunterschied zwischen beiden eine entscheidende Rolle. Da kann auch geprüft werden, ob die Täter guten Glaubens über das angeblich höhere Alter des Opfers waren bzw. sein konnten. Das wäre eigentlich Sache des Gerichts gewesen.
Und ich erlaube mir dazu die persönliche Meinung, dass die kriminelle Energie, mit der die (wiederholten) Handlungen vorgenommen wurden, enorm war. Den Tätern war daher wohl zuzutrauen, dass ihnen das Alter des Mädchens egal war. Ganz egal, wie alt ihr Opfer war, das Mädchen hat sich für sie als ein verfügbares Opfer dargestellt. Dass die sich Gedanken über ihr Alter gemacht haben und vor der Tat zurückgeschreckt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass sie erst zwölf Jahre alt ist, ist für mich nicht lebensnah und glaubhaft.
Das heißt: Sie haben es meines Erachtens in Kauf genommen, dass das Mädchen auch erst zwölf Jahre alt war.
Juristisch gesprochen: Es ist bedingter Vorsatz vorgelegen.
Und gerade das zu prüfen, war dem Gericht entsprechend nicht möglich, weil mit der Anklage schon die Vorentscheidung - eine vorweggenommene Beweiswürdigung - getroffen wurde und weil die Gesetzeslage es dem Gericht in diesem Fall nicht erlaubt hat, davon abzugehen und den Sachverhalt umfassend zu prüfen. Es musste ihn aus der eingeschränkten Sichtweise der Staatsanwaltschaft beurteilen.
Das Urteil wird daher dem vorliegenden Sachverhalt nicht gerecht. Das mag man auch als Fehlurteil bezeichnen.