Immer wieder wird in der öffentlichen Diskussion der Eindruck erweckt, dass die Ärzteschaft und die Ärztekammer das zentrale Problem der medizinischen Versorgung seien und als "Blockierer" gelten. Diese Sichtweise greift jedoch viel zu kurz. Das eigentliche Problem in der ambulanten Versorgung liegt in der mangelnden Attraktivität der Kassenverträge mit der ÖGK, in den unterschiedlichen Zuständigkeiten bei der Finanzierung der Gesundheitsleistungen, ganz nach dem Motto: "Das ist nicht unser Leistungsbereich, sondern der des anderen Kostenträgers."
Zeit, Professionalität und menschliche Zuwendung - die Basis ärztlicher Tätigkeit - werden im aktuellen System kaum honoriert und seitens der Sozialversicherungen in der Regel auch nicht wertgeschätzt. Mühsame Bürokratie, insbesondere die uns quälende "Arzneimittelbewilligungspflicht" seitens des Chefarztes (wessen Chef eigentlich?) bei verordneten Medikamenten aus Spezialabteilungen, welche nicht genehmigt werden wollen und endlose Telefonate mit SachbearbeiterInnen der ÖGK am Ende einer Abrechnungsperiode sind Beweis dafür. Gerade als Paradox und entfremdend wirken Zeitungsberichte über 260.000 Euro Wellnesswochenenden in Luxusressorts für ÖGK-Funktionäre, während die ÖGK für 2025 ein Defizit von 900 Millionen Euro prognostiziert. Selbstreflexion findet nicht statt. An den Leistungen für die Vertragsärzte und Vertragsärztinnen kann es nicht liegen: Eine Blutabnahme beim Allgemeinmediziner wird mit 1,86 Euro, eine Ohrreinigung mit 2,84 Euro brutto entlohnt.
Der beinahe täglich aufkeimende Wunsch, den Kassenvertrag mit der ÖGK zu kündigen, scheitert aufgrund gesellschaftlicher Verpflichtung und Solidarität zu den tausenden Ecard-Besitzerinnen und -Besitzern, die monatlich ihre Versicherungsgebühren bezahlen (müssen) und ein Recht auf eine faire und leistbare ärztliche Versorgung haben.
Besonders unverständlich und unlogisch ist die aktuell politische Bevorzugung und Propagierung der Primärversorgungszentren: Dort gibt es keine Limits, höhere Fallpauschalen pro Patient und es entsteht ein "Konkurrenzprodukt" zu den seit Jahrzehnten etablierten und engagierten Fachärzt/-Innen für Allgemein- und Familienmedizin, die die wohnortnahe Versorgung am Land auch in "Kleinstdörfern" in Zusammenarbeit mit diplomiertem Pflegepersonal, interdisziplinären Netzwerken sowie Hausapotheken absichern.
Primärversorgungszentren stärken wiederum eher urbane Zentren und verschärfen den Ärztemangel in den Landgemeinden weiter.
Auch die, seitens des ÖGK-Obmannes oft kritisierten, Wahlärztinnen und Wahlärzte sind nicht das Problem, sondern die unattraktiven Kassenverträge, eine Sozialversicherung, die Qualität und Zuwendung nicht anerkennt. Wer wirklich und ehrlich die Versorgung am Land sichern möchte, muss endlich faire und umsetzbare Bedingungen für Ärztinnen und Ärzte schaffen, "Fließbandmedizin" beenden und Kassenverträge so attraktiv gestalten, dass es auch für Wahlärzte und Wahlärztinnen wieder interessant wird, im "öffentlichen" Gesundheitssystem mitzuarbeiten. Die derzeitigen Parallelstrukturen (privat versus öffentlich, ambulant versus stationär) sind kontraproduktiv und tragen nicht zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung bei.