Wenn der von mir sehr geschätzte Herr Zulehner die österreichischen Freikirchen mit einer freiheitlichen, autoritären Gesinnung in einen Topf wirft, bedarf es weiterer Erklärung bzw. Entwirrung: Denn das Gegenteil ist der Fall! Heuer gedenken wir 500 Jahre Täuferbewegung (die genuin in Europa gestartet ist, nämlich um 1525 in der Schweiz, nicht in den USA). Diese Christen haben sich seit dem 16. Jh. (!) mutig für eine Trennung von Kirche und Staat eingesetzt, wo es aus landespolitischer Sicht in keiner denkbaren Realisierungsmöglichkeit lag. Sie ließen für ihre Überzeugung am Scheiterhaufen oder durch das Schwert ihr Leben. "Individuelle Freiheit" wurde bereits 1661 auf Rhode Island (1639 durch den Baptisten Roger Williams als Kolonie gegründet) als allgemeines Grundrecht deklariert.
Im 19. Jh. griffen liberal-demokratische Kräfte, inspiriert durch Baptisten, diesen Gedanken der Religionsfreiheit (im Übrigen für Juden, Christen, Muslime) wieder auf und entwickelten gemeinsam mit Quäkern und anderen Gemeinden die Aufnahme der Glaubens- und Gewissensfreiheit in die Verfassungen, die schließlich in der Bundesverfassung der USA und in den Menschenrechten Umsetzung fand (wenn auch diese noch nicht überall auf der Erde verwirklicht wurde …)
Es mag in den amerikanischen (evangelikalen) Freikirchen durchaus anders zugehen als bei uns in Österreich. Hierzulande wäre mir noch keine politisierende Predigt untergekommen. Dass Christen politisch aktiv und engagiert sein sollten, hier stimme ich Zulehner zu, sonst hätte ich auch diesen Leserbrief nicht verfasst und so meinem Unmut Luft gemacht.