Leserbrief

Kosten der Tunnel Karlsruhe und Salzburg sind nicht vergleichbar

Zum Leserbrief von Dr. Jörg Stein:

Der Herr aus Karlsruhe, der in Salzburg wohnt, hat richtig von Wikipedia abgeschrieben. Experten recherchieren allerdings wissenschaftlich auf der Basis von Fakten und die sind meist viel komplexer. Das muss demnach auch im Detail aufgezeigt werden und daher ist dieser Leserbrief auch etwas umfangreicher:

Da der aus Karlsruhe stammende Leserbriefschreiber ja vermutet, dass auch er als Experte gelten könnte, wird ihm gewiss bewusst sein, dass die beiden genannten Beträge von 496 Millionen Euro zur Förderantragstellung der Kombilösung im Jahr 2004 sowie die aktuelle Betrachtung der Gesamtkosten von etwa 1,48 Milliarden Euro im Jahr 2022 nach der Inbetriebnahme sowohl inhaltlich als auch zeitlich nicht ohne Weiteres miteinander zu vergleichen sind und die pauschale Behauptung einer Kostenverdreifachung nicht haltbar ist.

Erstens gehen in den Förderantrag in Deutschland systembedingt nur die errechneten Baukosten im engeren Sinne zum Zeitpunkt der Antragstellung ein. In den nun häufig zitierten Gesamtkosten nach Fertigstellung und der Inbetriebnahme sind aber zahlreiche weitere Kosten wie etwa Planungs- und Personalkosten, Finanzierungskosten oder Aufwendungen des Entschädigungsmanagements enthalten, der Kostenbetrachtungsrahmen wurde also maßgeblich erweitert, die Berechnungsmethode umgestellt.

Zweitens müssen aufgrund des langen Projektzeitraumes auch allgemeine Preissteigerungseffekte sowie auch die Markt- und Auftragssituation im Spezialtiefbau unbedingt bei der Analyse der Kosten einbezogen werden (die Umsetzung von Stuttgart 21 hatte speziell den südwestdeutschen Markt im Spezialtiefbau deutlich beeinflusst und somit ein Anziehen der Angebotspreise bewirkt, dies ist jedoch kein Naturgesetz und für Salzburg nicht erwartbar). Zudem hatte die ab 2020 einsetzende Material- und Personalknappheit im Zuge der Covid-19-Pandemie entsprechend negative Effekte auf Zeitplan und Kosten beim Endausbau, was ebenfalls nicht unmittelbar auf den S-Link übertragen werden kann. Die zeitliche Verlängerung ist insbesondere auch einer sorgfältigen und sicherheitsorientierten Bauausführung geschuldet, wo im Zweifelsfall eher pausiert und überlegt wurde, als einfach weiterzubauen. Die tadellose bauliche Sicherheitsbilanz der Kombilösung ohne relevante Schäden an Bestandsgebäuden oder Infrastrukturen spricht hier für sich; das ist gut investierte Zeit und Geld!

Der fachkundige Experte erkennt somit schnell, dass allein zwischen 2005 und 2021 die einschlägigen Baupreis- und Baukostenindizes einen Anstieg des Preisniveaus um etwa 40% erklären können. Dies ist jedoch ein allgemeiner volkswirtschaftlicher Effekt, den man entsprechend berücksichtigen kann und gewiss kein Planungs- oder Kalkulationsfehler bei der Karlsruher Kombilösung.

Drittens liegt die wesentliche Unschärfe aber in der alleinigen Betrachtung der Kostenseite und der dazu noch sprachlich irreführenden Bezeichnung als "Schulden". Es ist nicht nur unüblich, sondern methodisch falsch und letztlich nichtssagend, allein auf die Kostenseite eines solch umfassenden Stadtumbaus mit einem völlig neuen und hochleistungsfähigen Schienenverkehrskonzept zu schauen. Karlsruhe profitiert mit der Kombilösung jeden Tag von der Entscheidung für die Investition in eine zukunftsfähige Mobilitätslösung, die eine direkte und äußerst erfolgreiche Nahverkehrsanbindung der Region an die Innenstadt ermöglicht und die gleichzeitig Raum für eine attraktive Neugestaltung des Stadtbilds bietet. Dass der Nutzen und die Vorteile der Kombilösung auch weiterhin die gestiegenen Kosten überwiegen, lässt sich übrigens nicht nur im alltäglichen Betrieb oder an der regen Inanspruchnahme durch die Fahrgäste festmachen, auch das Land Baden-Württemberg hatte dies zur Eröffnung der Kombilösung nochmals mit externem Blick ausdrücklich bestätigt.

Der unnötig dramatisierende Hinweis auf den Umstand, dass der kommunale Karlsruher Eigenanteil an der Projektfinanzierung im Rahmen der üblichen Abschreibungs- und Abrechnungsmodalitäten noch weiter in die Zukunft reicht (dies entspricht übrigens dem Modus jeder unspektakulären Baufinanzierung etwa im privaten Wohnungs- und Eigenheimbau), sagt darüber hinaus rein gar nichts über Sinn, Zweck und Mehrwert der errichteten Verkehrsanlagen als solche aus, angesichts der dringenden Handlungsnotwendigkeiten vor der Entscheidung zur Kombilösung erscheint dies nach wie vor als gute und kluge Investition mit entsprechendem langfristigen Gegenwert auch für kommende Generationen, auch dies wird ein fachkundiger Experte gewiss mit Leichtigkeit erkennen.

Um die Projekte in Karlsruhe und Salzburg vergleichen zu können, muss man auch die Dimensionen des Bauvolumens und den geologischen Untergrund vergleichen. In Karlsruhe besteht der Großteil des Untergrunds aus unproblematischem Kies und Sand, in Salzburg aus dem schwierigen Seeton. In Karlsruhe hat der Stadtbahntunnel 3342 Meter Länge und die beiden Straßentunnel Kriegsstraße zusammen 2760 Meter, also die "Kombilösung" zusammen 6102 Meter Tunnel. Die Gesamtkosten in Karlsruhe beliefen sich um etwa 1,48 Milliarden Euro 2022 nach Inbetriebnahme. In Salzburg hat der S-Link-Tunnel rund 4500 Meter bis Friedensstraße und geplanten Gesamt-Baukosten (inkl. Verlängerung bis Hallein) von 2,171 Milliarden, wobei rund 35% Unvorhergesehenes, die hoffentlich nicht eintreten, zusätzlich eingerechnet wurden. Man kann den Bürgern und der Stadt Karlsruhe nur gratulieren, wie "billig" die Kombilösung gebaut wurde; die Infrastruktur-Kosten waren sensationell preisgünstig!


Richard Fuchs, Obmann Verein "Die Rote Elektrische", 5020 Salzburg

Aufgerufen am 19.10.2025 um 12:41 auf https://www.sn.at/leserforum/leserbrief/kosten-tunnel-karlsruhe-salzburg-164781646

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