Leserbrief

Müssen Menschen nach 80 Jahren vorgeführt werden?

Zu "Von Helden und Tätern": Ich hatte 1970 das Glück, während meiner Zeit als junger Turnusarzt im Krankenhaus Zell am See den damals schon betagten, aber körperlich noch rüstigen und geistig aktiven Arzt Dr. Josef Heiß kennenlernen zu können.

Ich war damals beeindruckt von der Persönlichkeit dieses Menschen, wusste ich doch auch von der Hochachtung, die diesem Arzt zeit seines Lebens entgegengebracht worden war. Die Menschen wussten und waren ihm dankbar, dass er die medizinische Versorgung der Zeller während des Kriegs und in der schweren Nachkriegszeit aufrechterhalten hatte. Dafür wurde ihm auch vom Landeshauptmann der Titel "Medizinalrat" verliehen.

Zwei seiner Söhne traten dann in seine Fußstapfen: Der ältere Sohn Werner versorgte Jahrzehnte lang als einziger Gynäkologe den Pinzgau auf höchstem medizinischem Niveau. Sohn Volker war ebenso lang als einziger Kinderarzt für den ganzen Pinzgau erfolgreich tätig.

Und nun erscheint in den "Salzburger Nachrichten" der Artikel "Helden und Täter", in dem Dr. Heiß als führender Nationalsozialist vorgeführt wird. Er wird - der Überschrift entsprechend - als Täter vorgeführt. Ich frage nun: Was will dieser Artikel bezwecken, wozu und wem soll er nützen? Müssen 80 Jahre nach der nationalsozialistischen Zeit Menschen beleidigt werden (die sich auch nicht mehr wehren können), um ein politisches Süppchen am Köcheln zu halten?

Ich vermisse eine Stimme aus der Stadtführung Zell am See, die sich vor den verdienten Mitbürger stellte. Ich vermisse einen Aufschrei aus der Zeller Bevölkerung.

Das, und genau das ist die stets beschworene "Spaltung der Gesellschaft", in der niemand mehr seine Meinung zu sagen wagt, aus Furcht vor Nachteilen in seinem eigenen Fortkommen.


Dr. Karl Watschinger d. Ä., 5710 Kaprun

Aufgerufen am 05.09.2025 um 09:28 auf https://www.sn.at/leserforum/leserbrief/muessen-menschen-jahren-173360269

karriere.SN.at

Schlagzeilen