Leserbrief

Skepsis gegenüber Bahn-Großprojekten verständlich

Das Volk wird zunehmend skeptisch gegenüber Bahn-Großprojekten. Mich wundert das nicht. Es wird sehr viel Geld investiert. Bauzeiten bis zwanzig Jahre sind keine Seltenheit. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist oft fragwürdig - profitieren tut auf alle Fälle die Bauwirtschaft! Gewissermaßen haben solche Projekte den Charakter einer "Jenseitsvertröstung". Wenn dann nach einigen Jahrzehnten größere Reparaturen fällig werden, kommt die große Ernüchterung. In Deutschland werden bereits 30 bis 40 Jahre alte (junge?) Neubaustrecken kalt lächelnd für viele Monate gesperrt. Früher waren Bahnverwaltungen und Ministerien stolz, wenn bei Bauarbeiten keine oder nur Sperren für einige Stunden oder Tage nötig waren. Ein Beispiel: Am 16. 11. 1964 wurde das Tragwerk der mächtigen Trisannabrücke in Tirol ausgewechselt. Zwischen dem letzten Zug auf dem alten Tragwerk und dem ersten Zug auf dem neuen vergingen nur elf Stunden und 45 Minuten. Damals gab es noch gut geplante Projekte und wenig politisches Blabla. Schuld ist die (zwecks EU-Reife erforderliche?) Aufspaltung der herkömmlichen Bahnverwaltungen in mehrere eigenständige Gesellschaften. Jede Gesellschaft will das eigene Ergebnis optimieren - ohne Rücksicht auf die gesamte Bilanz. Der Fahrgast soll umsteigen oder den eigenen Pkw benutzen, für die Güter gibt es ja eh den leistungsfähigen Lkw-Verkehr.
Im konkreten Fall (Tauerntunnel) wäre es klüger gewesen, neben dem bestehenden Tunnel eine neue Röhre für ein Gleis zu bohren und dann den alten Tunnel zu sanieren und eingleisig wieder in Betrieb zu nehmen. Dann hätte man mit zwei eingleisigen parallelen Röhren eine zeitgemäße Lösung.

DI Manfred Uttenthaler, 8053 Graz

Aufgerufen am 19.10.2025 um 06:01 auf https://www.sn.at/leserforum/leserbrief/skepsis-bahn-grossprojekten-168805159

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