Mir ist die Frage "Bist du für oder gegen Israel?" zu einfach. Es ist auch bezeichnend, dass die eine Seite meist "die Terrororganisation Hamas" genannt wird, die andere aber "Israel". So als ob Israel ein homogenes Gebilde wäre. Tatsächlich muss man aber natürlich schauen, wer persönlich was tut. Und da muss ich sagen, ich bin bekennender Anti-Netanjahist. Was seit dem 7. Oktober passiert, ist die tief traurige Folge der jahre- und jahrzehntelangen Missachtung der Menschenrechte durch Netanjahu, seine Parteikollegen und seine Koalitionspartner. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht in der Präambel "... da es notwendig ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht gezwungen wird, als letztes Mittel
zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung zu greifen ...". Genau das ist jetzt passiert. Die Taten der am Massaker beteiligten Palästinenser sind individuell durch nichts zu entschuldigen. Sucht man nicht primär nach Schuldigen, sondern nach einer Lösung, muss man wahrscheinlich zurückblicken bis zur Ermordung Jitzchak Rabins 1995. Warum wurde er ermordet, in dem Moment als er den Frieden mit den Palästinensern unter Jassir Arafat ausverhandelt hatte? Warum haben die Wähler sich nach Rabin für Netanjahu und damit gegen den Verhandlungsfrieden entschieden? War es Angst? War es das Gefühl einen militärischen Sieg am Verhandlungstisch zu verlieren? Warum läuft ein Volk, das mehr als jedes andere unter extremen Nationalisten gelitten hat, einem Nationalisten nach? Jedenfalls ist das Konzept "Frieden durch Dominanz" krachend gescheitert. Es wäre gut, wenn Netanjahu das eingestehen und zurücktreten würde. Und wenn es Parteien mit einem überzeugenden Gegenkonzept gäbe. Österreichs Aufgabe als neutrales Land wäre es, diesen Parteien eine Stimme zu geben und Verhandlungen abseits der jetzigen Streitparteien vorzubereiten. Andere Verhandlungspartner auf palästinensischer Seite wird es wohl erst geben, nachdem die Hamas von der Macht entfernt wurde. Letzteres und den Aufbau einer neuen zivilen Verwaltung halte ich für eine internationale Aufgabe.
