Die Salzburger Landesregierung will ihren Job machen und ein Budget konsolidieren. Dafür müssen wir in einer Demokratie Verständnis haben. Wir Salzburger/-innen können nur froh und dankbar sein, dass wir Menschen haben, die sich um diese Arbeit kümmern. Diese Herausforderung zu meistern, ist ein überaus anspruchsvoller Prozess, vor allem dann, wenn ein Land hoch verschuldet ist. Es ist eine Gratwanderung, einerseits einen hohen finanziellen Nutzen zu erzielen und andererseits im Sinne der Demokratie den moralischen Pfad nicht zu verlassen. "Was ist gerecht, was ist ungerecht?" Diese Frage stellt sich eine Gesellschaft grundsätzlich. Somit wird es keine politischen Entscheidungen geben, die auf einer rein sachlichen Ebene abgehandelt werden können. Gerechtigkeitsempfinden ist mit unseren Emotionen eng verbunden.
Gerade gehen die Emotionen hoch in der Salzburger Pflegewelt und der zuständige Soziallandesrat stellt die schwierige Frage: "Wie lässt sich begründen, dass nur eine von ca. 40 Berufsgruppen im Gesundheitswesen weiterhin ein Bonusgeld erhält?" Es geht um die Suche nach Begründungen für das Aus des "Bonus" für die Pflege. Währenddessen laufen Pflegepersonen Sturm, weil sie sich nicht nehmen lassen wollen, was sie bereits haben.
Es gibt noch unzählige andere hoch anerkannte Gesundheitsberufe, die im engen Patientenkontakt stehen. Das sind z. B. die Physiotherapie, die Ergotherapie, die Diätologie, die Psychologie, die Soziale Arbeit, die Logopädie, die medizinischen Assistenzberufe oder die Hebammen - sie sind die weitaus älteste Berufsgruppe von allen Gesundheitsberufen.
Was ist jedoch das Besondere am Pflegeberuf, der von sich behauptet, er sei "systemrelevant" wie kaum eine andere Berufsgruppe? Welchen Bonus darf sich eine Gesellschaft und eine Gesundheitsökonomie vom Pflegeberuf erwarten? Ein Versuch, Antworten zu geben.
Bei den ärztlichen Berufen, die übrigens auch Teil dieser ca. 40 Gesundheitsberufe sind, stellen sich diese Fragen nicht. Es ist seit Jahrhunderten unumstritten, dass die Medizin als Wissenschaft unverzichtbar für den Menschen ist und somit Mediziner/-innen richtig gut verdienen dürfen. Durch das Kammerwesen sind die ärztlichen Berufe gut vertreten. Ein Bonus wie für die Pflege würde für sie kaum spürbare Wirkung haben. Für Pflegepersonen hingegen sind zusätzliche 100 Euro im Monat viel Geld und nicht selten "familiensystemrelevant".
Die Medizin und die Pflege stehen jedoch in einem überaus engen Kontakt zueinander. Sie haben es über die vielen Jahrzehnte geschafft, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Sie wissen: Der/die Eine kann ohne den/die Andere(n) nichts Gutes bewirken. Wenn z. B. ein Patient aus dem Operationssaal geschoben wird, hat die Pflegeperson die volle Verantwortung, im Rahmen ihrer postoperativen Patientenbeobachtung alle Risikofaktoren im Blick zu behalten. Die Pflegeperson muss entscheiden, in welcher Situation ein Arzt/eine Ärztin hinzugezogen werden muss. Die Pflegeperson hat z. B. die volle Verantwortung, dass eine Nachblutung nach einer Gefäßoperation, was keine Seltenheit ist, rechtzeitig erkannt wird. Erkennt sie das nicht rechtzeitig, ist sie im Gerichtssaal geladen, weil z. B. der Patient verstorben ist. Die Pflegeberufe setzen im Rahmen ihrer Tätigkeiten sog. "invasive Maßnahmen", was bedeutet, dass sie die körperliche Unversehrtheit eines Menschen durchdringen und zu diagnostischen und/oder therapeutischen Zwecken den menschlichen Körper verletzen (müssen). Diese Maßnahmen, z. B. das Legen von Kathetern, Infusionen, Sonden, Drainagen, bergen ein sehr hohes Infektionsrisiko für Patienten/-innen. Wenn hier Fehler passieren und die Hygienerichtlinien nicht sorgfältig beachtet werden, sind Patienten/-innen, die nicht selten ein labiles Immunsystem haben, gefährdet, im Krankenhaus weiter schwer zu erkranken. Keine der anderen vielen Gesundheitsberufe, mit Ausnahme der Medizin und der Hebammen, muss invasive Maßnahmen setzen und sich dieser hohen Verantwortung stellen.
Wenn wir Menschen einem hohen Autonomieverlust, z. B. durch das Alter, durch Krankheit, Unfall und Verletzung, ausgesetzt sind, dann ist die Pflege für uns bei Tag und bei Nacht präsent. Sie ist umfassend verantwortlich, von der apparativen Überwachung unserer Beatmungsparameter beginnend bis hin zur Verabreichung und Beobachtung unserer nebenwirkungsreichen Medikation oder der sensitiven Kommunikation und der fürsorglichen Pflege unseres versehrten menschlichen Körpers. Der Umgang mit unseren menschlichen Ausscheidungen, das Freihalten unserer Atemwege, die mit Schleim verlegt sind, zeigen, wie nahe die Pflegeperson an den Grenzen unserer menschlichen Intimität ihre Handlungen ausführen muss.
Niemand der anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen ist so sehr gefordert, unsere menschliche Würde zu bewahren oder diese wiederherzustellen. Niemand der anderen Berufsgruppen eilt in unser Patientenzimmer, wenn wir zu Pflegende oder unsere Angehörigen die sog. "Rufglocke" bedienen. Die Pflegeperson weiß nie, was sie erwartet, wenn sie die Tür öffnet. Nicht bei Tag und nicht bei Nacht. Sie ist als einzige der 40 Berufsgruppen im Gesundheitswesen 24 Stunden präsent, also wach, und übernimmt die volle Verantwortung, auf jede klinisch relevante Veränderung angemessen zu reagieren.
Und vor allem das ist eine Besonderheit: Es ist die Aufgabe der Pflegeperson, den zu Pflegenden trotz ihrer Versehrtheit, ihrer Unheilbarkeit das Gefühl des "Heilseins" zu geben. Dieses Gefühl des "Heilseins" ist unsere zentrale Ressource für Lebensqualität. Dies gelingt nur durch Beziehung, durch Vertrauen, durch die hohe Präsenz und durch eine hohe fachliche Kompetenz einer Pflegeperson. Das alles und vieles mehr sind Begründungen, warum die Gesellschaft einen hohen Bonus durch den Pflegeberuf erwarten darf und Pflegepersonen so richtig gut verdienen dürfen.