Leserbrief

Aller Ehren ist Österreich voll

In der 1938er-Ausgabe in meinem Marschbuch ist er nur mit den beiden ersten Wörtern betitelt. Darf man ihn spielen? Da wohl damals die Melodie des zweiten Teils des Trios nicht als burgenländisch-kroatisches Volkslied - vulgo österreichische Volkshymne - identifiziert wurde, sondern als Deutschlandlied. Ich blättere um: Schon wieder ein böhmischer Komponist:"Castaldo". Angeblich verpönt in der NS-Zeit, weil tschechischer Nationalmarsch, obwohl genauso so ein kuk Regimentsmarsch. Ja, jeder der historischen Märsche hat so seine Geschichte. Wie Fuciks "Herzegovac", der den Imperialismus der Monarchie glorifiziert, der schlussendlich im Weltkrieg endete und der als Musikstück trotzdem wunderschön ist. Man kann das Umfeld erklären, wie ich es immer wieder als Historiker und Konzertsprecher mache, möchte mir aber (fast) keine Märsche, als politisch unkorrekt verbieten lassen. Auch nicht die "Vier Religiösen Aufzüge" von Kliment, heute noch gerne bei Fronleichnamsprozessionen gespielt, die der austrofaschistische Ständestaat bei politischen Staatsakten so zelebrierte. Wir haben in Österreich ein sehr verkrampftes Verhältnis zur Geschichte. Wir schaffen es nicht - wenn ich den Artikel vom 24.11.2018 in der SN zu den Märschen lese - klar zu trennen zwischen falschen (z.B. Militarismus, Imperialismus) oder kriminellen Ideologien (v.a. Nationalsozialismus) und Musik, die in Zeiten entstanden ist, in denen wir heute nicht mehr leben möchten. "Preussens Glanz und Gloria" wurde vor ein paar Jahren am Roten Platz von einer Kapelle der Deutschen Bundeswehr unter dem Jubel der russischen Zuseher gespielt. Der "Badonviller", der komponiert wurde, als Hitler noch nicht einmal Gefreiter war, wird - sollten die youtube-Videos stimmen - nicht nur von Musiken der Bundeswehr, sondern weltweit gespielt. Vielleicht sieht man das in Deutschland, wo Vergangenheitsbewältigung viel früher und seriöser als in Österreich begann, viel entspannter. Und ich spiele beim "Rainer-Marsch" im Trio einfach grundsätzlich die wunderbare Flügelhornstimme, da der Komponist das so wollte und weil der meist gegrölte Text einfach strohdumm ist.

MMag. Peter Atzmanstorfer, 4822 Bad Goisern

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