Dass nach Wahlen nahezu immer alle Parteien bzw. Wahlwerber ihr Ergebnis als Erfolg sehen (und oft "schönreden"), ist ja nichts Neues. Die Wahl zum Bundespräsidenten 2022 ist da keine Ausnahme. Dennoch ist es eigenartig, dass alle Mitbewerber, die zwar eine Stichwahl mit Van der Bellen anstrebten, aber bei weitem nicht erreichten, ihr Ergebnis aber als Erfolg und Auftrag zum Weitermachen werteten. Außer dem wiedergewählten Präsidenten kann nur Dr. Dominik Wlazny einigermaßen zufrieden sein, hat er doch immerhin in Wien und bei den Jungen den zweiten Platz erreicht und in der Bundeshauptstadt als Newcomer sogar den FPÖ-Kandidaten hinter sich gelassen.
Mit besonderer Verwunderung ist festzustellen, dass vor allem die FPÖ (und leider auch einige Medien) den Erfolg Van der Bellens klein reden möchten, seinen erreichten Prozentsatz der Wählerstimmen mit jenen Dr. Kirchschlägers, Dr. Fischers oder Dr. Klestil vergleichen. Ja, diese drei Präsidenten hatten einen deutlich höheren Stimmenanteil bei ihrer Wiederwahl erreicht, doch hatten sie es - vor allem Dr. Kirchschläger und Dr. Fischer - mit wesentlich weniger Gegenkandidaten zu tun.
Besonders skurril ist aber - natürlich - die Argumentation der FPÖ: Herbert Kickl sieht im Ergebnis ein "unüberhörbares Signal für das Ende des Polit-Establishments" (dem er übrigens selbst angehört), eine "herbe Niederlage für die Systemparteien" und das "historisch schlechteste Ergebnis eines amtierenden Bundespräsidenten". (Was natürlich nicht den Tatsachen entspricht: Sowohl Franz Jonas als auch Dr. Adolf Schärf hatten weniger Stimmanteile bei ihrer Wiederwahl.)
Schon eigenartig, wie abgehoben diese Funktionäre agieren und die Wähler offenbar für dumm verkaufen wollen. Oder meinen sie das, was sie gesagt haben, wirklich so, wie sie es gesagt haben? Das wäre dann noch problematischer.