Leserbrief

Demokratiefrust nimmt zu

Der seit geraumer Zeit in fast allen Medien thematisierte Demokratiefrust - vor allem bei jungen Leuten und gekennzeichnet durch eine hohe Nichtwählerrate - hat sich für mich durch folgende langfristige Entwicklung abgezeichnet:
In der ersten Phase unserer Zweiten Republik hatten wir es mit Alleinregierungen von ÖVP und später SPÖ zu tun, in denen die Regierenden die Problemlösungen nur parteiintern abstimmen mussten und im Zweifelsfall galt der Klubzwang bei der Abstimmung im Parlament. Die Problemlösungskompetenz war in dieser Phase am höchsten.
In der zweiten Phase gab es dann bereits Zweier-Koalitionen meistens noch mit Verfassungsmehrheit im Parlament, wo die Abstimmung über die Problemlösungen bereits schwieriger wurde.
Man konnte aber noch wichtige Entscheidungen, die Verfassungsmehrheit benötigten, durchbringen. Die Problemlösungskompetenz war durch die Findung eines Kompromisses zwischen den beiden Koalitionspartnern bereits geringer.
In der dritten Phase gab es dann nur mehr Zweier-Koalitionen ohne Verfassungsmehrheit, wodurch man für wichtige Entscheidungen bereits eine Oppositionspartei brauchte.
Der Kompromiss wurde bereits schwieriger und "faul" und die Problemlösung litt stark darunter. Durch die immer weiter gehende Aufspaltung der Parteienlandschaft spricht man bereits von Dreier-Koalitionen (in Deutschland bereits negative Wirklichkeit) mit einer Problemlösungskompetenz gegen Null, weil der Kompromiss - falls er überhaupt gefunden wird - so klein ist, dass er das Problem nicht wirklich löst. Angesichts dieser Tatsache und auch angesichts der häufiger werdenden Verfehlungen von Politikern aller Parteien wünschen sich inzwischen laut Umfragen ein nicht vernachlässigbarer Teil der jungen Menschen nicht nur in Österreich eine "starke Hand" für die Lösung der großen Probleme, die uns derzeit beschäftigen beziehungsweise in absehbarer Zeit beschäftigen werden.
Dass die Rechtsparteien in den westlichen Demokratien immer mehr an Bedeutung gewinnen, führe ich auf die oben erwähnte Entwicklung zurück.

MMag. Peter Mach, 5280 Braunau am Inn

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