Leserbriefschreiber Norbert Hüttel (SN vom 14. November 2024) meint, die Fusion der Sozialversicherungen sei für die Notlage in der kassenmedizinischen Versorgung verantwortlich. Einspruch! Am Überwuchern der Zweiklassenmedizin sind wir Österreicher selbst schuld. Über Jahrzehnte hinweg haben wir das Wahlarztsystem zu einem Erfolgsmodell gemacht. Vor vielen Jahren warnte ich in den Gremien der Gesundheit Österreich GmbH vor dieser Fehlentwicklung. Vergeblich! Damals gab es rund 6000 Wahlärzte. Jetzt stehen wir bei knapp 13.000. Statt gegen diese Fehlentwicklung auf die Barrikaden zu gehen, schließen wir kleinlaut Zusatzversicherungen mit Wahlarztkostenrückerstattung ab. Nebenbei sind wir Österreicher leider auch Rekordmeister in Ambulanz-Selbstzuweisungen und eigenmächtiger Facharzt-Inanspruchnahme. Eine verpflichtende Patientenlenkung lehnten wir bisher strikt ab. Folge: Das System wird immer ungerechter mit überlangen OP-Wartelisten und Zuzahlungen unzähliger Art. Eine hausarztzentrierte Versorgung (auch Hausarztmodell genannt), wie in Skandinavien üblich, lässt Auswüchse einer Zweiklassenmedizin gar nicht zu. Blick nach Finnland: Dort herrscht ein striktes Hausarztprinzip. Der Einstieg ins System erfolgt über die Allgemeinmediziner. Niemand kann einfach so in eine Ambulanz spazieren oder gleich einen Facharzt aufsuchen. Österreichs Verantwortungsträger haben sich für eine Aufblähung der Fachärztewelt bei gleichzeitiger Abwertung der Kassen-Hausärzte entschieden. Folge: Wir nehmen leider auch bei Banalerkrankungen Spezialisten in Anspruch. Vergleich mit Dänemark: Dort kommt es pro Jahr zu 2,5 Millionen weniger Facharztbesuchen als bei uns. Kein Wunder, wenn in unserem Land bei den Spezialisten Terminnot herrscht.