Primar Christian Datz über Darmkrebsvorsorge: "90 Prozent der Darmkrebsfälle können verhindert werden"
Primar Christian Datz erläutert, wie ein jeder Darmkrebs vorbeugen kann. Zudem geht er auf die Prognose ein, dass bis 2050 viele Karzinome nicht mehr tödlich sein werden.
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Darmkrebsvorsorge: 90 Prozent der Darmkrebsfälle können laut Primar Christian Datz verhindert werden.
Der Darm macht wieder mal Probleme. Aber was ist schon dabei? Meist vergeht es ja von selbst. Und auch andere haben ab und zu Bauchdrücken, Verstopfungen, Durchfall.
Untersuchung hilft, Darmkrebs zu verhindern
Solche Aussagen kennt wohl ein jeder und eine jede. Tatsächlich haben auch sehr viele Probleme mit dem Verdauungstrakt: Neue Zahlen aus Deutschland weisen aus, dass grob jeder Zehnte und jede Zehnte deshalb in Behandlung ist. Wiederkehrende Darmprobleme als gegeben hinzunehmen, sei dennoch ein falscher Ansatz, sagt Christian Datz, ärztlicher Direktor des Krankenhauses Oberndorf. Mehr noch: Sich wegen Darmproblemen untersuchen zu lassen kann nicht nur Erkrankungen aufdecken - es kann sie verhindern. "Bei einer Vorsorgeuntersuchung können vor allem Vorstufen von Dickdarmkrebs entfernt werden. Darmkrebs ist eine verhinderbare Erkrankung."
"Darmkrebs ist eine verhinderbare Erkrankung. "
Christian Datz
Leiter Krankenhaus Oberndorf
Mit flächendeckender Vorsorge "90 Prozent aller Darmkrebsfälle" verhinderbar
Christian Datz referiert am 6. November im SN-Saal zum Thema Darmprobleme. Dabei wird der Facharzt für Gastroenterologie und Hepatologie, also Magen, Darm und Leber, vor allem auf die Prävention eingehen. Sein Hauptappell im Vorabinterview: Der Gang zu einer Vorsorgeuntersuchung sei das beste Mittel, um sich zu schützen. Und zwar für alle - also ebenso für jene, die keine Probleme mit dem Darm haben. Dies könne auch in Zahlen belegt werden: In jenen Ländern, in denen Screeningprogramme breit implementiert wurden, sei es "zu einer 50-prozentigen Rückläufigkeit der Erkrankung gekommen". Oder anders: Die Hälfte der Dickdarmkrebsfälle konnte verhindert werden. Und würde man es schaffen, flächendeckend vorzusorgen, wären gar "90 Prozent aller Darmkrebsfälle" vermeidbar. Aktuell gibt es in Österreich rund 5000 Neuerkrankungen jährlich, also 15 bis 20 neue Fälle pro Tag. Davon endet die Hälfte tödlich.
Teilnahmerate bei Vorsorgeuntersuchungen zu niedrig
"Obwohl sich dieses Wissen schon rumgesprochen haben sollte, gibt es in Österreich nur eine Akzeptanz (also eine Teilnahme bei den Vorsorgeuntersuchungen, Anm.) von 16 Prozent", ergänzt Datz. Dass die Quote derart niedrig sei, habe mehrere Gründe. Einerseits halte sich über die gängige Methode - eine Koloskopie, also eine Darmspiegelung - die "obskure Information", dass sie schmerzhaft sei. "Das kann aber absolut entkräftet werden: Man bekommt eine Spritze, die einen in einen Dämmerschlaf versetzt, sodass man nichts mitbekommt." Andererseits treffe die Methode "eine Tabuzone" - das Koloskop wird bekanntermaßen rektal eingeführt -, die aber keine Tabuzone sein sollte. Auch, dass man deshalb tagelang ausfällt, stimme nicht: Im Regelfall seien die Untersuchten lediglich am Tag des Screenings nicht arbeitsfähig. Einzig, dass die Vorbereitung auf die Untersuchung nicht besonders angenehm ist, kann der Primar nicht entkräften: Am Tag zuvor muss der Darm gereinigt werden. Das passiere mithilfe einer wenig wohlschmeckenden Trinklösung, die einen an die Toilette fesseln könne. Doch dieses kleine Opfer sei es wert - und zwar mittlerweile auch für Jüngere: "Es gibt eine hochsignifikante Zunahme von Darmkrebsfällen bei den 40- bis 49-Jährigen." Deshalb hätten manche Länder, darunter die USA, das Vorsorgealter von 55 oder 50 auf 45 Jahre gesenkt.
Stuhltests sollen bei Früherkennung von Darmkrebs helfen
Rund um die Vorsorgeuntersuchung von Darmkrebs gibt es aber noch einen weiteren Ansatz: Wie die SN berichteten, ist angedacht, ab 2026 alle Salzburgerinnen und Salzburger, die 45 oder älter sind, mit einem Stuhltest zu versorgen. Dieser wird via Hausarzt an ein Labor weitergereicht und auf nicht sichtbare Blutspuren hin untersucht. Auch auf diese Weise kann Darmkrebs detektiert werden. In anderen Bundesländern, darunter Wien, laufen bereits Pilotprojekte. Und jetzt schon kann ein jeder Salzburger und eine jede Salzburgerin einen solchen Stuhltest beim Hausarzt einfordern; die Kosten werden übernommen. Eine Koloskopie könne der Test zwar nicht ersetzen, er sei aber ein großer Schritt in die richtige Richtung, um das Bewusstsein für die Erkrankung zu stärken, ergänzt Datz.
Krebs verliert kontinuierlich seinen Schrecken
Aber wird Krebs im Allgemeinen und Darmkrebs im Speziellen nicht ohnehin seinen Schrecken verlieren? Erst vor wenigen Tagen ließ der Onkologe Christoph Zielinski in einem SN-Interview mit der Aussage aufhorchen, dass bis 2050 der Großteil der Karzinome nicht mehr letal sein werde - vor allem dank Immuntherapeutika und gezielter Therapien. Christian Datz bestätigt, dass "wir auf einem sehr guten Weg sind. Wir dürfen aber nicht auf die Vorsorge verzichten, nur weil es in absehbarer Zeit gute Behandlungsmöglichkeiten geben könnte."
Diesen Vorsorgegedanken könne ein jeder und eine jede auch fernab von Arztpraxen leben - Stichwort Lebensstiländerung. Dafür brauche es aber Gesundheitskompetenz. "Und da steht Österreich sicher nicht an vorderster Front", sagt Datz. Dabei wäre das Grundrezept, was Darmerkrankungen anbelangt, kein komplexes: Man müsse sich ausreichend bewegen und adäquat ernähren. Wie das idealtypisch gestaltet sein soll, will Datz am 6. November verraten. Aber bereits vorab führt er aus: Die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation seien eine gute Leitplanke. Und in puncto Ernährung müsse das Ziel sein, den Zucker- und den Salzanteil zu reduzieren. Dabei gebe es nach wie vor nichts Empfehlenswerteres als den mediterranen Lebensstil, also viel Gemüse, Fisch, Olivenöl - aber vor allem einen stärkeren Hang zu pflanzlichem und weniger zu tierischem Eiweiß.
Veranstaltung im SN-Saal
Im Zuge der Reihe "Meine Gesundheit" referiert Christian Datz am Mittwoch, 6. November, ab 19 Uhr im SN-Saal. Dabei geht der ärztliche Direktor des Krankenhauses Oberndorf auf Dickdarmkrebs und weitere Erkrankungen ein. Und verrät etwa, wie man Darmproblemen vorbeugt und vorsorgt.
Wer vor Ort dabei sein will, sollte sich auf www.sn.at/reservierung oder unter 0662/8373-222 kostenlos anmelden. Parallel wird der Abend auf www.sn.at/live via Stream übertragen.