Leserbrief

"It's the greed, stupid!"

Hermann Fröschl rückt in seinem Kommentar dankenswert die keineswegs neue Erkenntnis in den Fokus, dass der Anteil der Unselbstständigen am Volkseinkommen stetig sinkt. Mehr noch: dass längst ganze gesellschaftliche Gruppen selbst von bescheidenem Wohlstand "abgehängt" sind und es auch bleiben. Wer nach den Ursachen für den Sinkflug des Politikvertrauens sucht, wird hier fündig werden. Würde jedoch in Österreich der von Herrn Fröschl wortreich gescholten "Vater Staat" - welch bizarr-kakanische Wortwahl übrigens! - mit seinen Transfers nicht für den bitternötigen Ausgleich sorgen - weiter hinten im Blatt liest man behübschend von "Trost" -, so wäre die Gemeinwohl-Bilanz der real existierenden Marktwirtschaft noch desaströser und Österreich ein Armenhaus. Es scheint, als würde hier einer auf den "Sack" einschlagen, der den "Esel", die neoliberal "entfesselte" Marktwirtschaft, nicht einmal benennen, schon gar nicht treffen will.
Die Faktenlage macht es überdeutlich: Die von "Vater Staat" sich selbst überlassenen "Märkte" liefern nicht! Keine faire Bezahlung; keine gerechte Vermögensverteilung; keine nachhaltigen Produkte; dazu auch noch keine bahnbrechenden Innovationen, und Steuern auch nur dort, wo alle Bilanztricks, Schlupflöcher und guten persönlichen Handy-Kontakte direkt hinein ins Finanzministerium ausgereizt sind. Nicht auszudenken, wenn sich hier eine wirkmächtige Wirtschaftslobby ihre Politiker "halten" und ihr genehmen (Steuer-)Gesetze bei diesen "bestellen" sollte! "Feindbild Unternehmer"? Weit gefehlt! Wir brauchen dringend innovative, marktstarke und gemeinwohlorientierte Unternehmer/-innen, die faire Rendite nicht wie G-I-E-R buchstabieren. Ohne sie kann die anstehende umfassende Transformation unseres Wirtschaftssystems nicht gelingen. Und her mit den vorausschauenden, unbestechlichen Staatslenker/-innen, die uns und den ganzen Planeten mittels zukunftstauglicher Steuerung und Regulierung vor einem disfunktional gewordenen (Finanz-)Kapitalismus, und jenen vor sich selbst schützen. Analytisch sattelfeste und unabhängige Medien wären dazu schon einmal ein Anfang.
Welche Chuzpe des Kommentators, ausgerechnet den Gewerkschaften vorzuwerfen, es sei ihnen nicht gelungen, den Unselbstständigen den "gerechten Anteil am Mehrertrag zu erkämpfen", gleichzeitig aber jene Unternehmer, die eben diesen fairen Anteil schnöde unterschlagen haben, unerwähnt beziehungsweise ungeschoren zu lassen. Bei etwas genauerem Hinsehen hätte Herr Fröschl anerkennen müsse, dass gerade gewerkschaftlich gut organisierte Branchen im - leider mehr denn je nötigen - "Kampf" um einen gerechte(re)n Lohn deutlich besser abgeschnitten haben. Bei der Lektüre dieses Leitkommentars, der sich leider in Symptomen verrennt, die "Krankheit Gier" aber nicht beim Namen zu nennen wagt, meint man, die Schere im Kopf klappern zu hören.

Dr. Friedrich Michael Steger, 5161 Elixhausen

Aufgerufen am 05.11.2025 um 11:05 auf https://www.sn.at/leserforum/leserbrief/it-s-the-greed-stupid-132125965

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