Leserbrief

Stille Komplizenschaft im Fall Benko

Der Fall Benko ist mehr als eine Episode gescheiterter Finanzarchitektur - er ist ein Spiegel der ökonomischen Kultur unserer Zeit. Geschädigt sind Banken, Investoren, Anteilseigner - und in ihrer Folge die Steuerzahler, die stets das letzte Glied der Haftungskette bilden. Doch entscheidend ist nicht nur der Schaden, sondern seine Genese. Benko wurde beraten, flankiert und legitimiert von einer Vielzahl hochrangiger Experten, Institutionen und Kanzleien. Kaum jemand in diesem Kreis kann für sich in Anspruch nehmen, die Tragweite des Geschehens nicht erkannt zu haben. Das Wissen war vorhanden, das Risiko bewusst - und dennoch wurde gehandelt.

Hier offenbart sich die stille Komplizenschaft einer Branche, die Verantwortung gern outsourct, während sie Rendite internalisiert. Die Gier, so scheint es, war nicht Fehltritt, sondern Betriebssystem. Und wie in anderen Bereichen der Gesellschaft zeigt sich auch hier eine bittere Konstante: Wer über Einfluss verfügt, erfährt Nachsicht. Wer Strukturen beherrscht, entzieht sich ihrer Strafe. So entsteht ein Raum, in dem Schuld verhandelt, aber selten getragen wird - ein Raum, in dem das Privileg die Moral übertönt.

In diesem Licht verschwimmen die Konturen zwischen Täter und Opfer. Wer wissentlich profitiert, während die öffentliche Hand zahlt, verliert das moralische Privileg, sich als Geschädigter zu sehen. Eine Täter-Opfer-Umkehr wäre hier keine Verdrehung, sondern ein Akt intellektueller Aufrichtigkeit. Der Fall ist damit kein Einzelfall, sondern ein Lehrstück: Ökonomie ohne Ethik verkommt zur Kulisse, auf der Macht schützt, wo sie eigentlich haften müsste - und Gier als Genie inszeniert wird.

Lydia Forster, 5400 Hallein

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