Leserbrief

Unsere Kinder müssen leben dürfen

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
auch ohne Coronapandemie spricht die Demografie seit Jahren eine deutliche Sprache: Spätestens mit dem Pensionseintritt der Babyboomer-Generation werden auf der einen Seite viele potenzielle Pflegekräfte (und Steuerzahler/-innen) fehlen, auf der anderen Seite werden viele zunehmend medizinisch zu versorgen sein. Welche Maßnahmen haben Sie bisher dafür getroffen und welche gedenken Sie angesichts der derzeitigen Situation für zukunftsfitte Krankenhäuser und menschenwürdige Pflegeeinrichtungen zu ergreifen?
Der Pflegeberuf muss dringend eine deutliche Aufwertung erfahren, die schmeichelhafte Bezeichnung "systemrelevant" allein ist zu wenig. Dabei geht es einerseits um eine der hohen Verantwortung und der Belastung angepasste Entlohnung und andererseits um Arbeitsbedingungen, die Menschen nicht abhalten, einen solchen Beruf bei entsprechender Neigung zu ergreifen. Auch Kündigungen von geschultem Personal aufgrund der enormen Arbeitsbelastung können wir uns nicht leisten. Nicht nur die Menschen erkranken, unser Gesundheitssystem ist derzeit selbst Intensivpatient, verursacht durch jahrelange Sparmaßnahmen am absolut falschen Platz. Das Virus und seine Nachfolger werden nicht einfach so verschwinden, auch Impfungen werden das Problem nicht aus der Welt schaffen. Der Zeitpunkt für massive und durchdachte Investitionen im Pflegebereich ist JETZT. Wir werden in Zukunft jedenfalls mehr Intensivbetten und -personal benötigen. Wir können Virusmutationen nicht ausschließen - viel eher sind sie sehr wahrscheinlich. Die gesellschaftlichen Auswirkungen der bisherigen Einschränkungen aufgrund dieses Mangels sind heute noch nicht abzusehen. Das darf so nicht weitergehen. Unsere Kinder müssen leben dürfen, dazu gehören soziale Kontakte!
Neben der Symptombekämpfung auf der Versorgungsseite ist ein wachsames Auge auf die Erhaltung gesunder Lebensräume für Mensch und Tier zu richten, damit Virusübertragungen möglichst eingeschränkt werden können. Setzen wir uns für einen achtsamen Umgang mit unserer Umwelt ein. Neben fundierter (Bewussteins-)Bildung wird nur die Einberechnung aller Umweltschäden in die Produktionskosten dazu führen, dass Menschen bewusster konsumieren und ökologische Schäden minimiert werden können. Dafür haben wir uns im Namen der Gesundheit einzusetzen, innerhalb Österreichs, aber auch weit über seine Grenzen hinaus. Die Alternative ist, dass zunächst die Umwelt den Preis bezahlt und letzten Endes durch weitere Krankheiten - und nicht zu vergessen durch den Klimawandel - wir alle.
Wir sollten wirklich weniger am eigenen Ast sägen. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran: Ich ersuche Sie dringend, auf die Wissenschaft und nicht zuletzt auch Ihre Regierungspartner zu hören und Maßnahmen zur nachhaltigen Lösung der großen Themen der Gegenwart zuzulassen. Für eine lebenswerte Zukunft. Jede Investition, die Sie in Bildung, Gesundheit und Umwelt nicht tätigen, wird uns später teuer zu stehen kommen.

Mag. Michaela Lindner-Fally, 5162 Obertrum am See

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