Der Beitrag über die SKGLB - Salzkammergut Lokalbahn - mit dem Bahnforscher W. Schleritzko im Lokalteil der SN am 17. März 2025 hat in mir viele Erinnerungen geweckt. Meine Heimat ist St. Gilgen/Abersee, genauer in Brunn; damals "Gschwandt 39", heute "Brunn 2". Ich kam am 18. Juni 1938 auf die Welt, das war drei Monate nach der Okkupation Österreichs durch Hitler-Deutschland. Der Arzt sagte zwei Tage später bei einer Visite: "Frau Appesbacher, das wird ein kräftiger Hitlerjunge werden".
Von Kindesbeinen an ist mein Leben und Lebensrhythmus mit der Ischlerbahn verbunden gewesen. Schon deshalb, weil die Bahntrasse mitten durch unsere Felder führte. Wenn wir auf dem Feld arbeiteten, hörten wir die Pfeifsignale der Zug-Lokomotive ganz aus der Nähe. Der Lokführer winkte uns jedes Mal. Die Zeit der vorbeifahrenden Züge hatte für uns einen wunderbaren Rhythmus: 6.30 Uhr (Frühstück), 9.00 Uhr (Neunern), um 12.00 Uhr (Mittag), ca. 15.30 Uhr (Jausnen), 18.30 Uhr (Feierabend). Der sonntägliche Kirchgang (manchmal auch werktags) war meist nur mit einer Hin- oder Rückfahrt mit dem Zug möglich. Eine Strecke (über fünf Kilometer) mussten wir immer zu Fuß gehen. Ein angeheirateter Onkel mütterlicherseits war bei der Ischlerbahn Heizer. Er musste immer schon um 4.00 Uhr früh aufstehen und hat mir öfters von seinen Erlebnissen erzählt. Einmal durfte ich mit ihm mitfahren, was für ein Erlebnis!
Von 1950 bis 1958 war ich Schüler des Borromäums in Salzburg. Die ersten vier Jahre gab es für uns fast nur den Zug als Verkehrsmittel; vier bis fünf Mal im Jahr brauchten wir ihn: am Ferienanfang und -ende und ev. in einem Ausnahmefall. In den Jahren ab 1954 fuhr ich meistens (außer im Winter) mit meinem selbst gebauten Rad die Strecke (35 km). Besonders erinnere ich mich noch an den Herbst 1957. Ich begann gerade mein letztes Jahr vor der Matura (1958) und wusste, dass es meine letzte Zugfahrt mit "unserem Zug" sein wird.
Als am 21. September vom Salzburger Hauptbahnhof zum Residenzplatz ein Protestschweigemarsch stattfand, durfte ich mit Sondererlaubnis des Borromäums teilnehmen. Die Lok am Bahnhof war geschmückt. Es gab weinende Gesichter wie bei einem Begräbnis. Meine Mutter hat mir im Nachhinein einen Brief geschrieben, wie groß die Trauer in Abersee war.
Das Leben ging weiter. Die Jahre meines folgenden Theologiestudiums vergingen auch ohne Ischlerbahn, aber ihr Ende war doch so etwas wie ein Signal, dass wir uns in Kirche und Gesellschaft auf andere Zeiten, andere Werte, andere Umgangs- und Kommunikationsformen, anderes Tempo ... einstellen müssen.