Jahresbericht 1829 von Mittersill

Der Jahresbericht 1829 von Mittersill wurde vom Bezirksarzt in Mittersill Dr. Paul Grießmayr im Rahmen seiner Tätigkeit verfasst. er liegt im Salzburger Landesarchiv im Bestand Kreisamt mit der Signatur SLA KR B.IX.9. Sanitäts-Jahresberichte 212. erhalten hat sich der Bericht, weil Dr. Greißmayer darin über jenes Kind berichtet, dessen Kopf er nach dessen Tod an das Kreisamt einsendete.

Text

Wohllöbliches Kaiserlich=Königliches Kreisamt!

Das gehorsamst unterzeichnete Physikat übersendet hiemit in aller Unterthänigkeit den Jahresbericht pro ano 1829 mit nachstehenden gehorsamsten Bemerkungen.

A In Betreff der Abnährungshäuser in diesem Physikats=Bezirke

Das so genannte Bruderhaus zu Mittersill, welches mit dem 11ten Novemb. 1829 der gehorsamst Unterzeichnete ärztlich besorgt, ist das einzige Abnährungshaus in diesem Physikats=Bezirke. Dessen freye und sonnige Lage an einem fließenden Wasser, so wie dessen Bauart entspricht vollkommen seinem Zwecke. Auch ist dieses Bruderhaus mit zwey heitzbaren Zimmern für Irren, und darneben einem für Wärtersleute versehen. Die Zahl der hier in Verpflegung stehenden Pfründtner, Bedinung desseben, und bedienendes Personale x ist aus beygeschlossener Tabelle No I zuersehen.

B In Betreff des Sanitaets=Personales

Hierher gehörigen die 4 Wundarzte, und in gewissen Beziehung die 10 Hebammen dieses Phsikats=Bezirkes. 1 Im Bezug auf die Wundärzte ist im Verlaufe des Solarjahres 1829 keine Veränderung vorgegangen. Der Zustand ihrer Hausapotheken, Gewichte, Instrumente, der medicinisch=chirurgischen Litteratur etc ist aus den hier beygeschlossenen Tabelle No II zuentnehmen. 2 Auch in Hinsicht der Wehemütter ist im abgewichenen Solarjahr[1] Nichts von Bedeutung vergefallen. Nur ist Maria Steiner, ehemalige Habamme zu Bramberg gestorben, und an ihre Stelle Anna Reiner gekommen, welche /sich/ vorher in Neukrichen als zweyte Habamme aufgehalten hat. Neben Fähigkeit, Sittlichkeit u.s.w. gibt beiliegende Uebersichtstabelle No III den nöthigen Aufschluß. Die in diesen Tabellen aufgeführten Hebammen sind nachdem übrigens unmaßgeblichen Dafürhalten des gehorsamst unterzeichneten Physikats für diesen Physikats=Bezirk hinlänglich, um so mehr, da Elisabeth Birchner volgo Schachererbäurin von hier, die sich jetzt zu Salzburg der Hebammenkunst widmet, hieher kommen, und diese Kunst ausüben wird.

Wundärzte und einige Hebammen haben sich zwar auf wiederholtes hinweisen auf ihre Pflicht von Seite des gehorsamst unterzeichneten etwas mehr an Ordnung gewohnt; allein sie vergessen sich dessen ungeachtet gleich wieder, und es wird noch vieler Mühe bedürfen, sie gänzlich zur Ordnung zurück zu führen. Der Notadparat in den wundärztlichen Hausapotheken ist endlich nach wiederholten Belehrung und Anstrengung zu einer genügenden Vollkommenheit gediehen.


C In Betreff der Todtbeschau in diesem Physikats=Bezirke

Die Todtbeschau wird zwar im ganzen Bezirke gepflogen, aber mehr mechanisch als scientifisch oder vorschriftmäßig. Das gehorsam unterzeichnete Physikat dringt zwar bei jeder Gelegenheit darauf, daß die Todtenbeschau zur gesetzlichen Zeit und auf die vorgeschriebene Weise handgehabt werde. Allein es ist demselben doch noch nicht genzlich und durchgehend gelungen, diese so wichtige Geschäft vollkommen nach dem Geiste der Gesetze zu ordnen. Denn bei einer Todtenschau soll man nicht bloß auf das wirkliche Verblichenseyn des zubeschauenden das Augenmerk richten, sondern hierbei sind noch ganz andere und nicht minder wichtige Umstände zubetrachten, nemlich: die Todesart, und deren Veranlaßung. Dadurch nur kann man oft allein Selbstmord, so wie den Tod durch Unglücksfälle oder durch Gewaltthätigkeiten entdecken, und so mancher P[f]uscherey in der Medizin Chirurgie und Geburtshülfe auf die Spur kommen.

D In Betreff der verzinnten Kupfer= und glasirten Eß= und Trinkgeschirre

In dieser Beziehung hat sich das gehorsamst unterzeichnete Physikat eine andere Ansicht der Dinge verschaft, als im vorjährigen Jahresberichte angegeben wurde. Denn mit der Verzinnung der Kupfergeschirre steht es hier sehr schlecht, indem die meisten derley Geräthschaften nicht verzinnt sind, wie z.B. die Sudpfannen der Bräuer etc. Man gibt vor, es wäre mit einen zu großen Unkosten verbunden, wenn man derley Geräthschaften so verzinnen wollte, daß die Verzinnung von Dauer wäre. Und als eine schlechte Verzinnung ist freylich besser gar keine. Was die Glasur der Eß= und Trinkgeschirre betrift, steht die Sache etwas besser, indem derley Geschirre, wenigstens anfangs, ganz leidendlich d.h. hinlänglich glasirt sind. Die Güte der Glasur richtet sich in dessen freylich vielfälltig nach der Fabrik, in der selbe verfertiget werden.

E in Betreff der Reinigungs=Bäder und Mineralquellen in diesem Bezirke

In Betreff der Reinigungsanstalten ist es sehr zu bedauern, daß der heilsame Gebrauch am Sonnabend oder Vorabend eines Festes den Körper vom Schweise und Staube durch fleißiges Waschen oder Baden zu reinigen, abgekommen ist. Denn jeder Heilkündige wird leicht die Wichtigkeit der Reinigungsbäder eingehen, wenn er bedenkt, welch eine wichtig, Funcition dem Transpirations system der allgemeinen Bedeckung obligt; wenn er bedenkt, wie wohlthätig das Baden und reinigen der Haut auf das Drüsen= oder Lympf-system, ja auf dem Ganzen Organismus einwirken muß. Ein Heer von Krankheiten, vorzüglich die in Pinzgau so häufig vorkommend Drüsenverhärtungen, Kröpfe, Scropheln, Rhachitis, Krätze &.&. würde man wieder verschwinden sehen, wenn man, jenen löblichen Gebrauch wieder einführen möchte.

Mineralquellen oder Heilquellen gibt es bekanntlich in diesem Phsikats Bezirke drey, nemlich zwey an den Purkwiesn, und eine zu Schwarzenbach.

Die Heilquellen an den Purkwiesn sind bereits aus dem vorjährigen Jahres Berichte bekannt. Die versprochene nähere chemische Untersuchung und weitere Beobachtungen über die Kraft u. Natur dieser Heilquelle vereitelte die infame Grobheit, Dummheit und Widerspängstigkeit des dortigen Badinhabers. Denn als sich der gehorsamst Unterzeichnete nun auch um das Schwarzenbacher Bad annahm, wurde in ihm Eifersucht rege, und mit dieser eine zimmliche Portion von Groll. Denn er Beschimpfte und insultirte nicht bloß vorübergehende Leute, welche sich in das Bad nach Schwarzenbach begaben, oder von dort zurückkehrten, und die Familie des gehorsamst Unterzeichneten, sondern sogar ihn selbst, und verweigerte ihm das Badejournal, welches kaum begann.

Und so kam es, daß diese übrigens sehr heilekräftigen Mineralquellen wenig besucht würden, und daß das gehorsamst unterzeichnete Physikat außer Stande gesezt wurde, einem wohllöblichen k. k. Kreisamte weitere Resultate hierüber vorzulegen. Uebrigens bittet man gehorsamst, das im vorigen Jahresberichte hierüber Gesagte mit diesem zu Vergleichen.

Eine erfreulicher Nachricht aber erfolgt hiermit üben den Badeort zu Schwarzenbach. Herr Joseph Arnold, ein junger, geschickter und unternehmender Mann, zeigte sehr vielen Eifer zur Verbesserung dieser Badeanstalt, welche vor ungefähr 1½ Jahr käuflich an sich brachte. Und dennoch unternahm er zur Bequemlichkeit Badegäste schon mehrere kleinere Bauten, er besserte das Wohngebäude aus; richtete mehrere kleinere Zimmer ein, und selbst eines für Honoratioren mit Tafelfenstern und Fliegengüttern versehen, welches beym Eintritt durch seine Eleganz wirklich überrascht, besserte das Badhaus durch Legung neuer Fußböden und Anschaffung verschiedener sehr bequemmen Badewannen etc. bedeutend aus; legte um sein Wohngebäude zwey Küchengärtlein an; stellte einen ordentlichen Weg zum Zufahren her; bedient des badende Publikum mit Mehl= und Fleischspeisen, mit guten Wein und Bier etc. zu deren vollkommenen Zufriedenheit.

Die Ungegend dieses Bade Ortes ist wirklich romantisch; er liegt gegen Süden, an einer mittelmäßigen Abdachung eines grünen Hügels, an dessen Fuße, hart am Wohngebäude, die Heilquelle hervorsprudelt; diesem Hügel folgen ebenfalles südlicher Richtungen anmuthige Waldungen abwechselnd mit fetten Triften, prächtige Alpen und die gigantischen Granit Gebürgen, die mit ewigen Schnee und Eis bedeckten Gletscher oder Thauren, welche im Hintergrunde der südlichen Bergkette ihr stolzes Haupt erheben. Gegen Westen, dem schönen Thale entlang, das imposante Schloß Mittersill in einer Entfernung von 2 bis 3 Stunden im Gesichtskreise liegend; dann die mit Obstbäumen herrlich gespickten Dorfschaften Stuhlfelden und Uttendorf; gegen Norden die herrlichste Aussicht auf die freundlichen Sonnberge von Stuhlfelden, Uttendorf und Niedernsill bis gegen Biesendorf; gegen Osten endlich das romantische Kirchlein zu Schwarzenbach eine ½ Viertel Stunde vom Badhause entfernt.

Was die Heilquelle selbst anbelangt so ist das Wasser derselben ganz klar, im Sommer sehr kalt im Winter viel wärmer; es hat einen angenehmen Geschmack, aber keinen Geruch. Sein specifisches Gewicht verhält sich ungefähr wie 12 zu 11, das heißt, es ist schwerer, als das gewöhnliche Brunnwasser; wallet beym Sieden sehr, und schlägt vielen weissen Schaum, setzt an die Wandungen, und Boden des Siedekessels eine gyps= u. kalkartige Masse ab, so daß bereits den ganzen Kessel incrustirt wird. /: hier werden einige dieser Krusten beygeschlossen :/ Diese Crusta braußt mit Säuren auf, besonders mit Sohlensäure. Dieß scheint zu dem Schluß zu berechtigen, daß diese Quelle sich vor dem gewöhnlichen Quellwasser durch dan geringern Gehalt an Kohlensäur auszeichne. Im Gegentheil scheint sie mehr Schwefel=Säure zu enthalten, welche in Verbindung mit dem Gyps= u. Kalkartigen Bestandtheile etc. schwefel=sauren Kalk etc. bildet.

Eine weitere Analyse dieser Heilquellen war dem gehorsamst unterzeichneten Physikat, wie wohl dasselbe so sehnlichst gewunsch[en] hätte, wegen Drang der Geschäfte im verflossenen Sommer völlig unmöglich. Man hofft dieß aber im nächsten Frühjahr bewerkstelligen zu können. Die Heilkräfte dieses Bades sind auffalend und unverkennbar bey Rheumatalgien und Arthralgien; bei jedem chronischen Hautausschlage; bey allen Arten von Visconien des Unterleibes, bey Scropheln und der Rhachitis; in passiven Blutflüssen; bey den Medoahoea und Gonorhoea aus Schwäche; bey Nervenschwäche etc etc

Die Zahl der constanten Badegäste belief sich im Jahr 1829 auf 89 Individuen. Hierunter waren 24 Männer, 43 Weiber und 16 Kinder. Unter diesen 83 Individuen befanden sich ferners 24 mit Krätze oder anderen exanthematischen Affectionen und hierunter so gar ein 89 jähriger Mann mit einer Elephantiahs; die sich fast gänzlich in wenigen Wochen verzog; 26 mit Rheumatalgie oder Arthralgie; 8 mit Vihionie der Leber, Milz oder der Gekrösdrüsen: 1 Weib mit Vehanie, 7 mit passiven Mutterblutflüssen und 2 mit Medorhoea; 11 mit Nervenschwäche; 2 mit Wunden; 3 mit veralteten Geschwüren, und endlich 2 mit Lähmung der Extremitaeten behaftete Personen. Von den oben erwähnten 83 Individuen genasen vollkommen 62; große und auffalende Linderung ihrer Beschwerd[en] erhielten 20; und ohne Besserung ging am 3ten Tage der Badezeit das Weib mit Vehanie behaftet hinweg.

Die Zahl der inconstanten Badegäste, d.h. derjenigen, welche diese Heilquelle nur zu unbestimmten Tagen besuchten, wird der Zahl der Constanten wo nicht gar noch höher, wenigstens gleich gekommen seyn; von diesen aber wurde kein einziges Individuum in das Badejournal aufgenommen. Der gehorsamst Unterzeichnete besuchte diese Badeanstalt wöchentlich zweymal, späterhin aber nur einmal; ordnete für jeden Badegast das Bad nach der Beschaffenheit seines Organismus und seiner Leiden, und leistete ihnen wohl auch ärztlichen Beystand.

F Im Betreff des Impfgeschäftes in dem Solarjahr 1829

Da in den Pfarreyen Mittersill und Stuhlfelden das Impfgeschäft dem gehorsamt unterzeichneten Physikat für die Zukunft übergeben wurde. Nahm sich dasselbe die Freyheit, einen Wohllöblichen k.k. Kreisamt 6 Impflanzett[en] ihm zur Impraegnirung zu übersenden. Diese folgten in sehr kurzer Zeit mit den besten Impfstoffe reichlich getränkt zurück. Dann man 31ten May 1829 adplicirte der gehorsamst Unterzeichnete bei einem ganz gesunden Kinde nur zwey der impraegnirten Lanzettchen mit dem besten erfolge, indem alle 4 Stiche die beste haftung brachten. Benannte Lanzettchen mussten daher mit sehr vielem Flaise impraegnirt worden seyn, wofür man hiermit den verbindlichsten Dank abstattet.

Nach 8 Tagen, d.j. am 6ten Juny wurden nun weitere 6 Kinder fortgeimpft, uns abermals mit dem erwünschten Erfolge. Und wieder nach 7 bis 8 Tagen wurde die erste allgemeine Impfung vormittag in Mittersill, und Nachmittag in Stuhlfeld[en] gepflogen. In Stuhlfelden bedurfte es keiner Nachimpfung mehr. In Mittersill aber wurde wegen zu großer Anzahl und zu weiter Entfernung noch zwey General Impfungen nothwendig.

Allein dessen ungeachtet war die Impfung der zwey so eben genannten Impfstationen schon in den ersten Tagen des Julio vollkommen beendet. Von dem k.k. Pfleggerichte Mittersill kräftig unterstützt wurden alle Restanten aufgebracht und geimpft. Und auf solche Weise wurde das früher hier so verworre Impfgeschäft völlig in Ordnung gebracht.

Gleichzeitig mit dem gehorsamst unterzeichneten Physikat erhielt auch der Wundarzt Hanselmann zu Neukirchen einige impraegnirte Lanzettchen aus Salzburg. Allein der Erfolg war in der Art ungünstig, daß die entstandenen Pusteln als unächt erkannt werden müssen. Das gehorsamst unterfertigte Physikat übersandte ihm nun sodann die 4 aus Salzburg erhaltenen, aber nicht benöthigten impraegnirten Lanzettchen. Diese brachten nun den erwünschtesten Erfolg, und die Impfung ging nun in Neukirchen, Wald und Krimml glücklich vorbey.

Der Wundarzt Herzog zu Bramberg brachte ein Kind nach Neukirchen, um es dort von Arm zu Arm zu impfen. Auch dieser vollendete dann die Impfung in dem ihm zu gewiesenen Impfdistrikte mit dem besten Erfolge und in regelmäßiger Zeit. Anders verhielt es sich jedoch mit der Impfung in dem Hrn. Beidich zu Uttendorf zugewiesenen Impfdistrikte. Dieser impraegnirte bei der Controle in Stuhlfelden 4 bis 6 Lanzettchen, und impfte zwar in Uttendorf mit Erfolg damit vor. Allein in der Kreutztracht Niedernsill mißlang ihm die Impfung. Und da indessen hieroben die Impfung schon zu Ende war, mußte er neuen Impfstoff aus Biesendorf holen, womit er dann endlich nach langer Zeit die Impfung auch in Niedernsill vollendete.

G In Betreff der öffentlichen Gebäude

Hierher gehören: Kirche, Schulhäuser etc. In dieser Beziehung wurde bereits in dem Jahresberichte vom Jahr 1828 ausführlicher gesprochen. Hier muß nur noch des Schulgebäudes in Uttendorf Erwähnung geschehen. Es ist entschieden das schlechteste aus allen. Es ist seit einem Jahr nichts daran verbessert word[en], und muß das Mitleiden jedes Biedermannes erreg[en]. Es wäre daher wirklich recht sehr zu wünschen, wenn sich das Wohllöbl. k.k. Kreisamt dießfalls ins Mittel legen möchte.

H In Betreff anderer, dem Leben und der Gesundheit des Publikums Gefahr drohender Gegenstände

In dieser Beziehung kämen zu erörtern: Wohngebäude, Feuerlöschanstalten, Wege, Brücken etc. 1 Wohngebäude. Die Wohnungen auf dem ebenen Lande in diesem Physikats=Bezirke sind alle mehr weniger den Ueberschwemmungen oder der Versumpfung ausgesetzt. Sie sind daher schon aus diesem Grunde höchst ungesund. Allein diesem Uebl ab zu helfen, liegt außer dem Wirkungskreise des gehorsamst unterzeichneten Physikats. Hier kann sich nur eine Hoche Landesstelle ins Mittel legen.

Allein die Dummheit und Halsstörrigkeit der fleißigen Bewohner scheint jede noch zu gutgemeinte Absicht einer hohen Landesregierung zu vereiteln. Es wäre freylich zu wünschen, daß man da, wo es sich umdas allgemeine Wohl handelt, nicht auf die Stimme Einzelner hören möchte, sondern das Gute auch mir Ernst zubetreiben trachtete. Mit Dank würd[en] dann die Nachkommen eine solche Maaßregel anerkennen.

2 Feuerlöschanstalten. Diese berühren zwar nicht unmittelbar das Gebieth des gehorsamst unterezeichneten Physikates. Allein dessenungeachtet kann sich dasselbe nicht enthalten, den innigsten Wunsch zuäußern, daß auch von dieser Seite die Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Unterthanen durch öftere und genaue Besichtigung und Ordnung der Feuerlöschgerätschaften, durch vorschriftsmäßige auseisung der zu Winderszeit stets zugefrierenden Wasser Resavoire etc. best möglichst abgeleitet wird[en] möchte.

3 Strassen und Wege. Die Strassen sind fast durchgehends in einem leidendlichen Zustande. Bei den Wegen aber wären noch vielfältig bessere und allgemeinere Einblankungen, so wie verläßlichere Brücken zuwünschen.

4 Die Brücken an der Hauptstrasse werden nun meisterhaft hergestellt. Das größte Lob unterdiesen verdienen unstritig die Brücken zu Mittersill und die nun neu erbaute Gollersbahne Brücke über die Salzache.

J In Betreff der Medicina=Pfuscherey

In dieser Hinsicht muß man hier bemerken, daß die Pfuscherey in Pinzgau, vorzüglich in Oberpinzgau, wie es scheint, besonders bisher in Schwung war. Das gehorsamst unterzeichnete Physikat suchte diesem Uebelstand auf den Grund zu kommen, und fand, daß hier vor einiger Zeit, wo noch die Wundärzte allein schalteten und walteten, die Leute dazu förmlich abgerichtet wurd[en], indem es Wundärzte gab, welche dem Trunke zu stark ergeben war[en], wie z.B. ein Lainer, Auer etc., und nicht mehr im Stande waren, eine ordentliche Hausapotheke zuführen. Sie gaben daher den Leuten vielfältig den Rath, bei dem nächsten besten Landkrämmern die nöthigen Arzneystoffe zu kaufen, zu deren Gebrauch sie Anleitung erhielten.

So wurden nach und nach die Leute darauf abgerichtet, und gewohnt, sich und andere die Arzneyen selbst zubereit[en]; Viele fingen daher an, gleichsam ein Handwerk daraus zu machen. So kam es dann auch, daß die Landkrämmer sich mit allerley medicinischen Artikeln versahen, und sich noch versehen. Dieß beweißt die wiederholte Wegnahm von Medicamenten durch das Aufseher Personale beym Waldkrämmern, und erst neulich beym Branberger Krämmer, Mathias Faschnaller. Bei diesem stand nun: 3 Pfund 20 Loth Guldpulver, 3 Pfund Sennesblätter,[2] 2 Loth Krähenaugen, 6 Loth Marggrafenpulver,[3] 16 Loth Glaubersalz, 10 Stück Gläsl Wunderbalsam , und ein hölzernes Lagel, ungefahr 2 ½ Pfund Mithridat enthaltend. Die Arzneystoffe wurd[en] dem Pfleggerichte übergeben, wo sie noch liegen. Der Krämmer beschwerte sich hierüber, indem er vorgab, er brauche diese Artikel für die Thierärzte.

Allein dieß ist nur die gewöhnliche Ausrede und der Stützpunkt der Krämmer, aber gekauft werden genannte Stoffe größtentheils nur für Menschen. Diesem Uebelstande kann aber lediglich eher abgeholfen werden, so lange man nicht den Landkrämern das führen von Arzneystoffen gänzlich untersagt. Dafür müßten freylich die Chirurgen auf dem Lande verhalten werden, auch die zur Thierheilkunde gehörigen Artikel in ihren Hausapotheken zu führen. Dadurch verschwände dann mit einem Mal jede Veranlasßung zu Medicinal=Pfuschereyen. Und dieß ließe sich leicht bewerkstelligen. Müssen doch nun Menschen warten, bis ihnen vom Arzte oder Wundarzte Hilfe kommt, warum denn nicht auch die Thiere? Oder wenigstens soll genauer bestimmt werden, welche Artikel denn doch die Krämmer auf dem Lande zu diesem Zwecke führen dürften, da man bisher immer solche Arzneystoffe antraf, welche sich mehr für Menschen, als für Thiere schicken.

Denn nur selten trift man bei ihnen z.B. Federweiß,[4] faenum graecum,[5] Rapontica,„Rapontica“, Rhabarber, Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, online in: http://www.zeno.org Steinöl[6] etc. Wohl aber Bittersulz, Doppelsalz , Glaubersalz, Manna , Rhabarbar, Sennesblätter, die so genannten Kräuter Säckchen /: bestehend aus Sennesblättern, Rhabarbar, und Weinstein etc. :/, so wie das geprießene Wind= u. Gallpulver /: das Pulvis julappae etc. :/ in Mengen an.

Das gehorsamst unterzeichnete Physikat bittet daher ein Wohllöbl. k.k. Kreisamt dringendst um bestimmte Verhaltungs Regeln bei derley Fällen, insbesondere aber in Bezug auf die jüngsthin dem Krämmer zu Bramberg abgenommenen Arzneywaaren.

K In Betreff merkwürdiger Fälle aus dem Gebiethe der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe

Außerordentlich Wichtiges ist in dieser Beziehung in diesen Physikats=Bezirke nichts vorgekommen; jedoch verdienen folgende Fälle hier aufgeführt zuwerden, als:

1 ein Wolfsrachen mit besonderer Mißbildung der Mund= und Rachenhöle bey einem nun ¾ jährigen Kinde zu [...] dahier. Bey diesem ist eine dreyfache Mißbildung wahr zu nehmen. Nemlich a fehlt die Oberlippe von einem Mundwinkel zum anderen gänzlich; b fehlt auch größtentheils das Oberkiefer; dann derjenige Theil desselben wo die zwey ersten Schneidezähne hervor zu brechen pflegen, ragt wie ein Hacken horizontal 1 ½ Zoll über das Terain des gewöhnlichen Oberkiefers und die Nasenspitze hervor, mit welcher dieser Kiefervorsprung mittelst der hier anklebenden und 2 bis 3 Linien breiten Oberlippe verwachsen ist, und dadurch zum bemelten Kiefervorsprung etwas abgezogen wird. Und selbst genannter Vorsprung des Oberkiefers, scheint isolirt von allen übrigen Gebilden vorhanden, und nur durch bemelte Hautparthie der Oberlippe mit der Nasenspitze in Verbindung zu treten. Denn es fehlt c das knöcherne Gaumengewölbe gänzlich, so daß die Nasenhöle von oben zu gleich in die Mundhöle einmündet und den Schleim unmittelbar in diese abgesondert wird. Diese Mißbildung ist zwar einzig in ihrer Art, und nicht leicht zu sehen, kann aber mit Wort[en] nicht klar genug beschrieben werd[en], selbst die hiervon gemachten Zeichnungen gewährten kein ganz klares Bild von diesem Monstrum. Da aber das übrigens wohlgebildete Kind immer kränkelt, und mehr und mehr atrophisch wird, so sieht man seinem gewissen Tode entgegen. Und für diesen Fall hat das gehorsamst unterzeichnete Physikat auf dessen Kopf praenummerirt, den es so dann einem Wohllöblichen Kays. königl. Kreisamte zu übersenden gedenkt.

2 Eine merkwürdige rosenartige Halsentzündung. Walthasar Taxer

26 Jahre alt, Bauersknecht zu Löschenbrand dahier, sanguinischen Tempraments, und vorher von guter Körpers Konstitution, bekam ungefähr vor zwey Monaten die hier gleichsam epidemisch herrschende erysipelatöse Halsentzündung. Diese angina erysipelatosa, anfangs vernachläßigt, und durch allerley hausmittel mißhandelt bildete sogleich bösartige Geschwüre in der Rachenhöle und dann am Halse, welche schnell um sich frassen, einen Fistelgang um den andern bildet[en], so daß der Hals endlich einem groben Siebe ähnlich wurde.

Von dem Halse herab verbreitete sich diese Entzündung nach den beiden Schultern, und den beidenseitigen äußern Brustmu[s]keln und zwar in der Art, daß beide Schlüßelbein=Gegenden und die ganze äußere Brust Einen Eitersack bildeten. Dieser enorme Eitersack brach endlich an der linken Seite der Brust nach Außen durch, und eben so lange offene Geschwüre, Auf der rechten Seite der Brust aber brach das Eiter nicht durch, sondern hob bloß die /blaulicht rothe Haut/ und die ihr am nächsten gelegene Muskulatur in die Höhe, und strömmte, wenn sich der Kranke aufrichtete, oder bei einem mitt angebrachten mittelmäßig starken Drucke wie ein Brunnen durch die Öffnungen linker Seits hervor, Bemerkenswerth hiebei ist noch, daß sich das Eryhipel von der linken Schulter gegen dem linken Oberarm, und namentlich über den Musculus Deltoides hinweg bis gegen das Ellenbogen=Gelenk hinzog, und hier ein 10 bis 12 Zoll langes, und 4 bis 5 Zoll breites /offenes/ Geschwür bildete.

Patient war durchgehends sehr abgemagert, war mit einem hutischen Fieber sichtlich behaftet, und hustete sehr viel. In einem solchen Zustand nahm ihn der gehorsamst Unterzeichnete am 10ten December 1829 in ärztliche und wundärztliche Behandlung. Der Eitersack unter der rechten Schlüßelbein= und Brustgegend wurde bloß durch Comprehsion behandelt, wodurch er in Zeit von 14 Tagen zur gänzlichen Heilung gebracht wurde.

Zur Reinigung der Geschwüre im Halse verordnete man ein Gargarisma aus einem Insuhum flor. Verbasci, Herb. Salviae mit alumen und Mel Rosarum, und Injectionen von einem Decoitum corticum quereus et salicum albarum mit Tinctura Myrrhala in die fistelgänge. An die äußere Fläche des Halses adplicirte man die Species emollientes pro Cataplasmate. Einige Fistelgänge wurden in offene Geschwüre verwandelt, und dann mit Digestiv=Salbe verbunden, wie die Wunden der Brust und des linken Oberarmes.

Innerlich gab man ein Decoit aus Cortex chinae Sulficce, Lichen Islandicum, mit Extractum Tararaii, folii fibrini und Spiritus Minderi. Auf ähnliche Weise wurde Patient bis zu Anfangs dieses Monates fortbehandelt. Bis dahin wurde derselb[e] so hergestelt, daß er nun frey herum gehen, und sich selbst bedienen kann, und täglich an dem so genannten Turgor Vitalis zunimmt. Ueberhaupt ist dieses Erysipelos phlemonodes seiner Heilung sehr nahe, und darf täglich nur noch einmal verbunden werd[en] was indessen durch Chirurgen Seywald geschieht, der wegen dem gehorsamst Unterzeichneten gebrechender Zeit dazu ver[!] verwendet wurde.

Am 11. December 1829 wurde der gehorsamst Unterzeichnete zu Georg Wohler, Bauersknecht zu Willhelmsdorf ½ Meile von Mittersill, gerufen.

Wenige Stunden vorher zerschmetterte ihm ein vom Berge herab rollender Baumstamm den linken Unterschenkel, und riß ihm denselben in der Art weg, daß die fiebula am Kniegelenk, die tibia aber 3 bis 4 Zoll unter dem Kniegelenk in schiefen Bruch abgerissen wurde. Von den wenigsten Theilen wurden nur einige Lappen von den Wadenmuskeln, deßgleichen vom Kniegelenkmuskel erhalten;

Alles Uebrige flog mit Strumpf und Stiefel 6 bis 7 Schuhe weit von Rumpfe hinweg. Patient verlohr so gleich seine Besinnung, und wurde nach seiner Wohnung gebracht. In einem solchen Zustande fand man nun den Verwundeten in der gewöhnlichen Wohnstube. Die Blutung war indessen unbedeutend. Vorsichtshalber legte man aber jedoch so gleich die Aderpresse an die Arteris cruralis, und schritt sodann zur Unterbindung der vo[r]dern und hintern Schienbeinschlagader; schraubte hier auf den Tourniquer etwas lockerer, und ließ ihn vorsichtshalber noch am Schenkel.

Hierauf praeparirte man /Beinhaut/ mit einem Scalpell von dem übrig gebliebenen Stück des Schienbeines gegen das Kniegelenk. Zurück, so wie einen Theil der allgemeinen Bedeckung; schnitt hierauf den schiefen und überflüßigen Theil des Schienbeines von ungefähr 1 ½ Zoll länge mit einer Amputations=Säge horizontal hinweg; zog die zurück praeparirte Beinhaut wieder über das abgesägte Ende des Schienbein Restes hervor; praeparirte hierauf die übrig gebliebenen Muskel am Unterschenkel zurecht, indem man den innern Wadenmuskel größtentheils, und einen Theil des Kniegelenks hinweg schnitt.

Der äußere oder zweyköpfiger Wadenmuskel aber samt der allgemeinen Bedeckung wurde über das übrig gebliebene obere Ende des Schienbeines zurückgelegt, und hier mittelst eines zweckmäßigen Verbandes erhalte. Der Verwundete wurde inzwischen mit Wein etc- erquicket und nachher eine gelind antiphlogistische Heilmethode eingeschlag[en]. Später aber. Als der Eiterun[g]sprozeß beteuend wurde, gab man inerlich China mit andern tonischen /und/plastischen Mitteln. Der Kranke befindet sich jetzt ganz wohl, und der Heilungsprozess geht nach Wunsch vorsich, und man hat die gegründeteste Hoffnung, Patienten in kurzer Zeit herzustellen, daß er mittelst eine Stelzfusses überall hingehen, und die meisten Bauerarbeiten wieder verrichten werde können.

L In medicinisch topographischer Hinsicht

In dieser Beziehung kann das gehorsamst unterzeichnete Physikat nur folgende Bemerkung hiermit zu Papier bringen. Die fast durchgehende Sumpfige Lage Oberpinzgaus und das daher rührende schlechte Trinkwasser, so wie die dadurch verunreinigte Luft trägt hauptsächlich zu Erzeugung der hier endemisch herrschenden Krankheiten, als den Wechselfiebers, der Krätze, des Kropfes etc.etc. bei. Auf der anderen /Seite/ durch die Nachbarschaft der mit ewigen Schnee und Eise bedeckten Gletscher oder Thauren, besonders zu Sommerszeit, beständig feuchte, kalte und regnerische Witterung, kalte Nachtlüfte etc. verursacht. Hierdurch wird nun auch der Grund gelegt von Krankheiten, als zu

Rheumatismus, zu arthritischen und catarhalischen Affectionen, zu Gedärmentzündungen, zu Diarrhoeen und Dysenterien etc. etc. Indessen geht diesem armseligen Lande von der Nachbarschaft der Thauren doch auch der Vortheil zu, daß durch die stets kühlere Luft, besonders zu Nachtszeit, die athmosphaerische Luft abgekühlt, und gereinigt wird. Dadurch wird der zu Sommerszeit völlig unausstehliche Gestank der Pfützen und Möser doch bedeutend vermindert,

und soweit auch manche bösartige Krankheit, wie z. B. Faulfieber etc. wieder in etwas verhütet. Die so oft in diesen Gegenden statt findende Ueberschwemmungen tragen gleichfalls nicht wenig zu Erzeugung von Krankheiten bey, indem sie, da sie nicht geleitet werden, die Versumpfungen mehr und mehr vergrößern und ausbreiten. Und so wird es kommen, daß das ehemals so edle Pinzgau ein Continuum von Sümpfen und Moorästen, und so mit auch die Quelle unberechenbaren Unheils werden.

Im Gebiethe der Geburtshülfe

kam[e]n im Lauf des vorigen Jahres dem gehorsamst Unterzeichneten drey Zangen Geburten, zwey Wendungen auf die Füsse, und eine auf den Kopf, eine Enthirnnung und Zerstückelung des Kindes vor. Alle diese Manual= und Instrumental=Entbindungen liefen glücklich für Mutter und Kinde ab, nur der letzte Fall lief unglücklich auch für die Mutter ab, indem heftige Metroahagien wegen Theilweiser Lösung der Placenta eine allgemeine Entkräftung und endlich den Tod herbey führten.

k.k. Distrikts Physikat Mittersill

den 10ten Jänner 1830.

Dr: Griesmayr

k.k. Bezirksarzt

  1. Sonnenjahr (Annus naturalis, Natürliches Jahr).
  2. „Sennesblätter“ (Folia Sennae), die Blätter mehrerer Arten von Cassia (s. d.), nach dem deutschen Arzneibuch die Blätter von C. angustifolia ... Bei entzündlicher Anlage, bei Schwellung der Hämorrhoidalgesäße, Schwangerschaft, Menstruation, Neigung zu Krämpfen oder Kolik sind sie ausgeschlossen. Über deutsche oder falsche S. (Blasensennesblätter) s. Colutea, Meyers Großes Konversations-Lexikon, online in: http://www.zeno.org.
  3. „Markgrafenpulver“ (Pulvis marchionis), ein sonst gebräuchliches Mittel gegen Krämpfe u. Epilepsie (der Kinder), aus Päonienwurzel, Mistel, geraspeltem Elfenbein, Elennklauen u. Hirschhorn, calcinirtem Elfenbein, rothen u. weißen Korallen u. sein geschnittenen Goldblättchen, Pierer's Universal-Lexikon, online in: http://www.zeno.org.
  4. „Federweiß“, […] feine Mineralpulver zur Schlüpfrigmachung, z.B. Speckstein- und Talkpulver zum Einstreuen in Handschuhe, Stiefeln etc., Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, online in: http://www.zeno.org.
  5. „faenum“, […] fenum graecum = τηλις (Gloss.), Fönnkraut, Hornklee, Bockshorn, Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, online in: http://www.zeno.org.
  6. „Steinöl“, Erdöl, Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, online in: http://www.zeno.org