Bewertung im Internet
Bewertungen im Internet von Dienstleistungen und Unternehmen haben in den 2010er-Jahren rasant zugenommen.
Einleitung
Mit dem Entstehen von online-Plattformen, auf denen jedermann über seine Erfahrungen mit einer Einrichtung veröffentlichen konnte, anonym oder mit Namen, traten eine Reihe von Problemen auf: Sind diese Bewertungen echt, also wirklich von der betreffenden Person erlebt oder sind sie erfunden? Es etablierten sich Unternehmen, die gegen Bezahlung Personen anstell(t)en, die fingierte Bewertungen erstell(t)en. Wie können die betroffenen Unternehmen sich wehren, wenn es unehrliche Bewertungen sind? Sind solche Bewertungen im Hinblick auf Anzahl von veröffentlichten Bewertungen im Verhältnis zu den Personen, die diese Dienstleistung in Anspruch genommen hatten, in einem Restaurant speisten oder in einem Hotel übernachteten? Also, wenn Beispielsweise ein Hotel mit 100 Betten ganzjährig geöffnet hat wahrscheinlich zehn- oder zwanzigtausend Nächtigungen pro Jahr zählt und eine Handvoll aber nur Negatives über das Hotel verbreitet.
Immer häufiger passiert es, dass vor allem von Hotelgästen Forderungen finanzieller Art an den Hotelier gestellt werden, um "zu schweigen". Wie es beispielsweise im Sommer 2019 bei einer kurioses Urlaubsreklamation im Land Salzburg der Fall war. Die betroffenen Hoteliers wehren sich immer öfters mit Anzeigen.
Unrating
Nun hält ein neuer Trend Einzug in Österreich. Unrating nennt WienTourismus eine Kampagne, die im Sommer 2019 startete. WienTourismus-Kampagne nimmt Bewertungs-Inflation ins Visier ... und wer bestimmt, was dir gefällt? Weniger stark von Online-Bewertungen steuern lassen, dafür mehr vom Urlaub haben: Mit seiner Kampagne "Unrating Vienna" regt der WienTourismus sein Publikum in Deutschland und Großbritannien dazu an, individueller zu reisen und sich dabei nicht zu sehr von anderen beeinflussen zu lassen.
WienTourismus kommuniziert "Wir leben in einer digitalen Seifenblase. Mehr denn je wird unser Alltag fremdbestimmt, vorgeplant, gesteuert und reguliert. Suchmaschinen bestimmen, was wir finden. Soziale Netzwerke und Algorithmen entscheiden, was uns interessieren könnte. Rankings, Votings und Top-10-Listen definieren, was wir im Urlaub keinesfalls verpassen dürfen. Vom vermeintlichen Sightseeing-Geheimtipp bis hin zum Dessert im Restaurant wird quasi jeder Schritt einer Reise bewertet und geteilt. Das Abarbeiten von Must-See-Listen im Urlaub wird zur Arbeit, und letztlich machen dann fast alle dasselbe. Mit der aktuellen Kampagne "Unrating Vienna" ermutigt der WienTourismus seine Gäste, aus diesem Raster auszubrechen und dem nachzugehen, was den Urlaub schön macht: individuelle Erfahrungen zu sammeln, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden und dabei wirklich Neues und Überraschendes zu entdecken.
"Online-Bewertungen sind grundsätzlich eine tolle Sache, helfen sie doch, in einer komplexen Welt Orientierung zu finden. Somit ist unsere Kampagne auch kein Fingerzeig gegen technologische Errungenschaften, die unser Leben einfacher machen und die wir selbst im Tourismusmarketing nutzen. Wir verstehen Digitalisierung allerdings als Kulturtechnik, die dem Menschen nutzen soll und kein Selbstzweck ist. Dass Onlinebewertungen bei der Suche nach Entspannung und individuellen Genussmomenten nicht immer der richtige Weg sind, thematisieren wir im Rahmen der aktuellen Wien-Kampagne mit einer Portion Humor. Sie soll einen Denkanstoß geben und zur Diskussion auf gesellschaftlicher Ebene beitragen", erklärt Tourismusdirektor Norbert Kettner die Intention.
Die Kampagne lief den ganzen Juni lang in Hamburg und London auf unterschiedlichen Kanälen. Rund 220 City-Lights oder Screens in Hamburgs Zentrum und an Verkehrsknotenpunkten der Stadt sowie 180 Plakate und Screens in Londons U-Bahn- und Busstationen zeigten auf den jeweiligen Markt abgestimmte Sujets mit schönen Urlaubsmomenten, Orten oder Objekten, die aber mit negativen und polarisierenden Bewertungen von User versehen wurden. Deren Namen wurden zwar geändert, die Kommentare basieren allerdings auf echten Bewertungen. So wird die romantische Bootsfahrt auf der alten Donau als langweilig bewertet, das knusprige Wiener Schnitzel wird aufgrund fehlender Tunke, der einzigartige Ausblick auf Schloss Schönbrunn aufgrund des üppigen Rasens kritisiert. Provokant regt die Frage "Und wer bestimmt, was dir gefällt?" ("So who decides what you like?") zum Nachdenken über das Verhältnis von Selbst- und Fremdbestimmung an, verbunden mit der Aufforderung "Entdecke dein eigenes Wien" ("Discover your own Vienna"). Auf der Kampagnen-Website unrating.wien.info, Facebook und Instagram, bei Schaltungen direkt auf TripAdvisor und via Adressable TV sollte mittels #UnratingVienna eine länderübergreifende Diskussion angefacht werden.
Quellen
- Peter Krackowizer, Tourismusfachmann
- www.tourismuspresse.at "Unrating Vienna" – WienTourismus-Kampagne nimmt Bewertungs-Inflation ins Visier, 6. Juni 2019
- Salzburger Nachrichten vom 21. August 2019