Unlängst bin ich spätabends durch eine ruhige Wohnsiedlung gegangen, als mir ein Igel auf der Straße vor die Füße lief. Er lief entlang hoher Mauern zu einer Haustür, in eine betonierte Garagenzufahrt und an der Gartenmauer wieder Richtung Straße. Ich hob den Igel mit meinem Schal hoch und wollte ihn in den Spalt zwischen Gartenmauer und Metallzaun in den dahinterliegenden Garten schieben: Es ging nicht, der Spalt war so schmal, dass gerade mal eine Maus durchpassen würde, aber mit Sicherheit kein dicker Igelpopo. So bin ich mit einem Igel in den Händen an sämtlichen Häusern vorbeigeirrt, auf der Suche nach einer Möglichkeit, ihn in einem der Gärten abzusetzen - Fehlanzeige! Alles versiegelt und Metallzaunspalten viel zu eng. In meiner/unserer Verzweiflung bin ich wieder ein Stück zurück zu einer Siedlung, wo ich wusste, dass es einen etwas verwilderten Garten gab. Zum Glück war dort ein Maschendrahtzaun, den ich etwas zurückbiegen konnte, und der Igel lief, als ob er dort zu Hause wäre, sofort ins finstere Gebüsch. Ich blieb zwiegespalten zurück: einerseits glücklich über diese Mensch-Tier-Begegnung, andererseits wieder einmal entsetzt darüber, wie der Mensch sich in einer Selbstverständlichkeit auf diesem Planeten breitmacht, als sei er die einzige Spezies! Ich verurteile nicht die Hausbesitzer, sondern die Menschheit allgemein in ihrer Überheblichkeit. Wer schon einmal einen Ameisenhaufen beobachtet hat, der weiß, wie organisiert diese Tiere sind. Der Mensch ist nur ein kleines Rädchen im Universum, nicht wichtiger als eine Ameise oder ein Igel. Ich würde mir für Ameise, Igel und vor allem für uns selber wünschen, dass das Internet in den reichen, wohlstandsverwöhnten Ländern mal für ein paar Monate ausfällt. Vielleicht könnte das manchem helfen, wieder zu erkennen, dass der Mensch, genauso wie der Igel, ein analoges Wesen ist, genährt von zwischenmenschlicher Beziehung und vollständig abhängig von der Natur, nicht umgekehrt: Der Planet Erde dreht sich auch ohne den Menschen weiter. Errungenschaften der Technik und erfüllte Bedürfnisse des Menschen haben den Sinn, uns das Leben zu erleichtern, aber nicht, uns davon abhängig und den Menschen zur "Krone der Zerstörung" zu machen! Ja, das alles kann man von einer kurzen nächtlichen Begegnung mit einem dicken Igelpopo lernen!