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"Holz-on-Top": Mehr innerstädtischer Wohnraum durch Dachaufstockung aus Holz

Der steigende Bedarf an innerstädtischem Wohnraum steht im Widerspruch zu dem Ziel, weitere Bodenversiegelung zu vermeiden. Einen innovativen Ansatz, diesen Konflikt zu lösen, verfolgt das Forschungsprojekt "HOT - Holz-on-Top".

 Potenzial für Wohnraumerweiterung.
Potenzial für Wohnraumerweiterung.

Das von der holz.bau forschungs GmbH, mehreren Instituten der TU Graz sowie dem Ingenieurbüro rosenfelder & höfler getragene Konsortium entwickelt Methoden, um durch modulare Holzbauweise Gründerzeitgebäude aufzustocken - und zwar nachhaltig, flexibel und ohne den Charakter der historischen Bauten zu verändern.

Nachverdichtung schafft städtischen Wohnraum ohne Flächenversiegelung

Die Grundlage für das Projekt liefert die Dissertation "Gründerzeitstadt 2.1" von Ida Pirstinger aus dem Jahr 2013. Ihre Untersuchungen zeigten, dass allein in Graz durch die Nachverdichtung geeigneter Gründerzeitblöcke Wohnraum für rund 35.000 Menschen geschaffen werden könnte. In Wien könnten es sogar bis zu 54.000 zusätzliche Wohnungen sein. Diese Ergebnisse verdeutlichen das enorme Potenzial für innerstädtische Wohnraumerweiterung, ohne dass weitere Flächen versiegelt werden müssen.

Dachstühle sanieren und Wohnraum erweitern

Zentrale technische Herausforderung war es, Konzepte zu entwickeln, die bestehende Dachstühle berücksichtigen und zugleich eine flexible, schnell umsetzbare Wohnraumerweiterung ermöglichen. Daher analysierte das Forschungsteam 45 Dachtragwerke in Graz, um deren Erhaltungszustand zu erfassen. Rund 80 Prozent wiesen einen Instandsetzungsbedarf in den kommenden fünf Jahren auf. Für erhaltenswerte Konstruktionen wurden Sanierungsempfehlungen entwickelt; wo eine Sanierung nicht mehr möglich war, entstand ein Nachverdichtungskonzept, mit dem zusätzliche Geschoße errichtet werden können - ohne das historische Erscheinungsbild zu beeinträchtigen und unter Berücksichtigung von Denkmalschutzauflagen.

Nachhaltiges Nachverdichtungskonzept für unterschiedliche Wohnungsgrößen

Das Team entwarf dazu ein modulares Gebäudetechnikkonzept sowie einen Leitdetailkatalog zur energetischen und konstruktiven Ausführung. Tragende Elemente sind ein mit Brettsperrholz abgedeckter Stahlbeton-Trägerrost sowie ein innovativer Faltwerkträger aus Holz, der hohe Lasten aufnehmen kann, ohne das bestehende Gebäude zu stark zu belasten. Besonderer Wert wurde auf einen hohen Vorfertigungsgrad gelegt, um die Baustellenzeiten zu minimieren, sowie auf flexible Grundrisse, die unterschiedliche Wohnungsgrößen ermöglichen. Zudem ist das System resilient, wartungsfreundlich und bei 85 Prozent der untersuchten historischen Dächer einsetzbar.

Planungssoftware unterstützt nachhaltiges Bauen

Auch die Gebäudetechnik ist flexibel: Die Leitungen verlaufen zentral, sind kurz gehalten und erleichtern die Integration vorgefertigter Module. Das Heizsystem basiert auf Luft-Wasser-Wärmepumpen. Damit werden ökologische und ökonomische Anforderungen gleichzeitig erfüllt. Projektleiter Dominik Matzlert: "Mit unseren Leitfäden und der frei verfügbaren Planungssoftware CLTdesigner sind alle Werkzeuge vorhanden, um das Potenzial von Holz-on-Top in die Praxis umzusetzen." Jetzt seien Politik, Verwaltung und Immobilieneigentümer gefragt, den nächsten Schritt in Richtung nachhaltiger Stadterneuerung zu gehen, heißt es seitens der Initiatoren. "Holz-on-Top" zeige vor, wie ressourcenschonend mehr innerstädtischer Wohnraum geschaffen werden könne.