Franz Schellhorn (Wirtschaftswissenschafter)

Franz Schellhorn (* 26. Mai 1969 in der Stadt Salzburg) ist Wirtschaftsfachmann und Leiter der Denkfabrik "Agenda Austria".

Leben

Franz Schellhorn, ein Wirtshauskind aus Goldegg, besuchte die Sporthauptschule Bad Gastein, legte die HAK-Matura ab. Nach dem Bundesheer machte er (1990 bis 1991) in Salzburg und Wien eine Bankausbildung in der Creditanstalt-Bankverein.

Anschließend wollte er Rechtswissenschaften studieren. Um die Zeit zu überbrücken, die er für die Latein-Ergänzungsprüfung veranschlagt hatte, schrieb er sich an der Wirtschaftsuniversität Wien ein. Dort blieb er hängen und absolvierte das Studium der Handelswissenschaften (1992 bis 1997).

Der Zufall lenkte ihn auf einen Platz in der Lehrredaktion der Tageszeitung "Die Presse" − wo er ebenfalls hängenblieb. Von 1997 bis zum Jänner 2013 war er bei der "Presse" beschäftigt. Zwischendurch absolvierte er ein Doktoratsstudium an der Universität Wien (2002 bis 2004); er dissertierte über das Thema "Stromfestung Österreich, oder der lange Schatten der Politik in der heimischen E-Wirtschaft, Warum der völlig liberalisierte Strommarkt den österreichischen Verbrauchern jede Menge Rot-weiß-rot, aber kaum Wettbewerb bringt". Von 2004 bis Jänner 2013 war er Leiter des Wirtschaftsressorts der "Presse", von Juni 2007 bis August 2013 Autor der wöchentlichen Kolumne "SuperMarkt: Was Kapitalismus kann und wofür er nichts kann" und von 2011 bis Jänner 2013 stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung.

Seit 1. Februar 2013 ist er Leiter der (von Parteien und Interessenverbänden) unabhängigen Denkfabrik "Agenda Austria".

Sein Bruder Sepp ist NEOS Politiker und Gastronom. Sein Vater Franz war langjähriger Vizepräsident des ÖSV und des Salzburger Landes-Skiverbandes.

Porträt

Der Einstand im Internat der Sporthauptschule Bad Gastein war nicht berauschend. Nicht deshalb, weil Franz Schellhorn ein eher schmächtiger Bub war. Was heißt das schon mit zehn Jahren. Der Einstand war deshalb schwierig, weil die Klassenkameraden in Windeseile herausfanden, dass der Franz aus Goldegg ein Wirtshauskind ist. Wirtshaus = Unternehmen = g’stopft = verdächtig. "Eine meiner größten Erleichterungen im Kindheitsleben war, dass die Mutter gesagt hat: ,Was? Wir sollen reich sein? Wir sind total überschuldet!‘" Danach ging’s besser im Internat.

35 Jahre später ist Franz Schellhorn zwar immer noch von schmaler Statur. Aber von der Vorstellung, dass Schulden auf jeden Fall super sind, hat er sich längst verabschiedet. Seit eineinhalb Jahren ist er Chef der Denkfabrik Agenda Austria, die weder am Tropf des Staates oder der Parteien noch am Tropf der Kammern oder Interessenverbände hängt. Eine der zentralen Überzeugungen des kleinen Forschungsinstituts ist es, dass sich Österreich eine Schuldenbremse verordnen muss, um zumindest in guten Jahren mit dem nur so sprudelnden Steuergeld auszukommen.

Acht Jahre lang hat Schellhorn die Wirtschaftsredaktion der Tageszeitung "Die Presse" geleitet. Mit seiner wirtschaftsliberalen Einstellung hat er nie hinter dem Berg gehalten und kraft seiner Funktion für politische Denkanstöße und Diskussionen gesorgt. Wieso tauscht man so eine durchaus machtvolle Position? Für die Hoffnung, nun mehr Druck ausüben zu können? "Nein, das war’s nicht", sagt Schellhorn. Das Zuviel an Routine habe ihn zu dem Neustart bewogen. Fast ein Jahrzehnt Chef eines Ressorts mit 16 Leuten zu sein, "das ermüdet". Klar hätte er als Journalist weitermachen können bis 65. Aber dafür habe er sich mit 43 zu jung gefühlt.

In dieser Phase kam eine Idee von Christoph Kraus vom Stiftungsverband gerade recht: Wie wär’s mit einem Thinktank, der gewissermaßen wie eine Redaktion funktioniert? Der ausschließlich von Privaten eine Summe Geldes bekommt, mit dem er "etwas Gescheites" anfangen und der Politik zu denken geben soll. Im Fall der Agenda Austria handelt es sich bei der Summe um eine Million Euro jährlich, vorerst drei Jahre lang. Auf der Homepage findet man die Geldgeber: Privatstiftungen und Banken, Unternehmen und vermögende Privatpersonen. Im Gegensatz zu anderen kleinen Instituten macht die Agenda prinzipiell keine Auftragsstudien. Sie wird aus eigenem Antrieb aktiv. "Wir können unabhängig arbeiten", betont Schellhorn, "aber das konnte ich als Journalist auch."

Fünf Wirtschaftswissenschafter gehören dem achtköpfigen Agenda-Team an. Sie tun nichts anderes, als gängige Thesen und politische Behauptungen zu überprüfen und zu versuchen, neue Antworten auf bekannte Fragen zu geben. "In Wahrheit mach ich dasselbe wie früher, nur viel vertiefter", sagt Schellhorn. Und: Er habe mit weniger öffentlicher Aufmerksamkeit gerechnet, ja damit, von machen überhaupt ignoriert zu werden. "Aber man verfolgt uns mit Interesse. Mehr kann man nicht erwarten nach all den Jahren der Lähmung."

Das politische Interesse schlägt freilich schnell in Gereiztheit um, speziell in der linken Reichshälfte. Als die Agenda-Wissenschafter jüngst die politische Behauptung überprüften, ob das Pensionssystem wirklich langfristig gesichert sei, und zum Schluss kamen, dass dem nicht so ist, reagierten vom Sozialminister bis zur Arbeiterkammer alle höchst unwirsch. Solche politischen Reflexe sind Schellhorn vertraut. Was ihn stört, ist etwas anderes: "Dass das Wenige nicht getan wird, mit dem der Wohlfahrtsstaat Österreich dauerhaft und vor allem ohne Diktat von außen abgesichert werden könnte. Vielleicht passiert es ja deshalb nicht."

Für eine kapitale Fehleinschätzung hält er die Meinung der Politik, dass die Leute nicht mit unangenehmen Wahrheiten belästigt werden wollen. "Die Österreicher sind sehr veränderungsbereit, wenn Dinge gut erklärt werden. Sie erwarten Lösungen dafür, dass sie sich stoisch das Geld aus der Tasche ziehen lassen." Jüngstes Beispiel einer typisch österreichischen Symptombekämpfung ist für ihn die Gratisnachhilfe in Wien, die als Problemlösung verkauft wird. "Damit kreiert die Politik wieder eine falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit." Eine echte Problemlösung wäre es, das Bildungssystem derart auf Vordermann zu bringen, dass es keine Gratisnachhilfe brauche – "die, nebenbei erwähnt, natürlich von uns allen bezahlt werden muss".

Glück habe er in seinem Leben gehabt, sagt Schellhorn, immer habe sich eine Möglichkeit ergeben, "das tun zu können, was mich interessiert". Nach der HAK-Matura und dem Bundesheer machte er eine Bankenausbildung, dann wollte er Jus studieren. Um die Zeit zu überbrücken, die er für das kleine Latinum veranschlagt hatte, inskribierte er sich an der WU. Dort blieb er hängen. Dann kam zufällig ein Platz in der "Presse"-Lehrredaktion daher. Er blieb wieder hängen. Jetzt hat er noch zwei Jahre Zeit, um sich und die Agenda Austria derart zu profilieren, dass die Denkfabrik in die Verlängerung gehen kann.

Aber was ist es, das ihn treibt? "Hm", sagt Schellhorn. "Schon die Frage, wie jedermann ungeachtet seiner sozialen Herkunft ein Leben nach seinen Talenten führen kann."

Quellen