Hydraulischer Widder

Der hydraulische Widder, eine geniale Erfindung am Ende des 18. Jahrhunderts.

Geschichte

Im Zeitalter der modernen Technik wird einem selten bewusst, welch großartige Erfindungen unsere Vorfahren gemacht haben. Eine davon ist der "hydraulische Widder", eine Wasserpumpe, die weder Menschenkraft noch einen Motor zum Antrieb benötigt. Eine geradezu perfekte und umweltschonende Maschine.

Erfunden wurde sie 1797 von Josef Michel Montgolfier, dem gleichen Mann, der 14 Jahre zuvor mit seinem jüngeren Bruder Jacques Etienne den ersten bemannten Flug mit einem Warmluftballon durchgeführt hatte. Er nannte die Pumpe wegen ihrer stoßweisen Funktion. "bélier hyraulique", also "hydraulischer Widder". In der Literatur ist u. a. auch die Bezeichnung "Montgolfiersche Wassermaschine" oder "Stoßheber" verwendet worden. Eine Vorgängererfindung war die "Pulsation Engine" des Engländers John Whitehurst aus dem Jahre 1772, bei der durch händisches öffnen und schließen eines Wasserhahnes ein Druckstoß zur Wasserförderung erzeugt werden konnte.

Noch vor ca. 50 Jahren waren diese "Widder" auch in unseren Gegenden zahlreich im Einsatz. Bei einer Wanderung durch die Landschaft war das charakteristische Geräusch dieses unermüdlichen "Nutztieres", ein im gleichmäßigen zeitlichen Abstand von etwa einer knappen Sekunde erfolgender gedämpfter Schlag, nicht zu überhören.

Der Widder kann einen Teil des Wassers, das ihm aus einem Hang aus niedriger Höhe von vielleicht fünf Metern (unterste Grenze etwa zwei Meter) zufließt, 100 Meter oder noch höher fördern. Damit konnte die Trinkwasserversorgung von hochgelegenen Gehöften, für die es sonst keine andere Möglichkeit der Wasserversorgung gab (Quellwasser, Brunnen) automatisch und betriebssicher durchgeführt werden.

Eine solche technische Rarität war in Hof bei Salzburg noch vor wenigen Jahren für die Versorgung von drei Häusern in Betrieb. Dem Widder in Hof strömte das Wasser aus dem Quellfassungsbehälter über eine Strecke von 15 m bei einem Gefälle von ca. 6 m zu. Er pumpte einen Teil dieses Wassers (zwei Liter pro Minute) über eine Höhendifferenz von ca. 40 m hinauf in einen Hochbehälter. Von dort lief es in separaten Leitungen zu drei, etwas niedriger gelegenen Häusern; damals Hof 53 (Robl), Hof 273 (Strübler) und Hof 73 (Landauer).

Der ungefähr 175 Jahre alte Widder diente ursprünglich der Wasserversorgung des Bauerngutes "Unterhaslau"in Hof. Als Wasserleitungen wurden anfänglich gebohrte Rundhölzer verwendet. Auch der Ederbauer (FN: Enzinger) in der Ortschaft Egg der Gemeinde Thalgau hatte viele Jahre einen Widder im Einsatz. Dieser befindet sich bestens restauriert als Ausstellungsobjekt im Feuerwehrmuseum in Thalgau. Auch in Ramingstein im Lungau sind noch Widder im Einsatz. Im Salzburger Freilichtmuseum in Großgmain wurde ebenfalls ein Widder installiert, der Wasser aus einem Bächlein etwa 20 m hoch in einen Trog bei einer Almhütte fördert.

Die früheren Widder wurden je nach erforderlicher Förderhöhe und Fördermenge in verschiedenen Dimensionen erzeugt. Sie waren aus Bronze- oder Stahlguss gefertigt und bestanden aus einer als Grundplatte ausgeführten Kammer, einem Windkessel und zwei Ventilen sowie den entsprechenden Anschlüssen für die Wasserzuleitung vom Quellfassungsbehälter und für die Steigleitung zum Hochbehälter (Speicherbehälter). Im Freilichtmuseum Großgmain wurde ein Widder älterer Bauart installiert, der Wasser aus einem Bächlein über eine geschätzte Höhendifferenz von 25 m zu einem Wassertrog des Oberfurtlehens fördert. Auch heute werden noch "Widder" erzeugt, freilich in moderner Technik, vor allem für Jagd -und Almhütten, die keinen Stromanschluss für eine Wasserpumpe besitzen.

Nachfolgend eine Erläuterung der Funktionsweise anhand einer Prinzipskizze
 
Prinzipskizze

Das Sperrventil V1 wird durch Federkraft offen, das Druckventil V2 durch Gewichtsbelastung geschlossen gehalten. Vom Quellfassungsbehälter strömt Wasser über die Zuleitung in die Kammer des Widders und durch das Ventil V1 ins Freie; das dauert etwa 0.3 Sekunden bis der quadratisch mit der Geschwindigkeit ansteigende Druck des durch die Fallbeschleunigung schneller werdenden Zulaufwassers auf den Ventilteller von V1 dieses plötzlich schließt. Die dadurch verursachte schlagartige Abbremsung der zufließenden Wassermenge lässt den Druck zwangsläufig auf jene Höhe ansteigen, der für das Öffnen des Ventils V2 gegen das Belastungsgewicht, den Druck der Wassersäule im Steigrohr und zu einem kurzzeitigen Wasserstoß in die Steigleitung notwendig ist. Gleichzeitig strömt ein Teil des Wassers in den Windkessel, wodurch die Luft in diesem auf den gleichen Druck zusammengepresst wird. Unmittelbar darauf sinkt der Druck in der Kammer (Energie des Druckstoßes ist verbraucht), V2 schließt und V1 öffnet wieder und ein neuer Pumpzyklus beginnt. Ohne Windkessel käme das Wasser im Hochbehälter nur stoßweise an. Der Druck im Windkessel schiebt jedoch in den kurzen Pausen während der Öffnungszeit von V1 Wasser nach, sodass eine fast gleichmäßige Strömung im Steigrohr entsteht. Da das Wasser immer etwas Luft aus dem Windkessel in die Steigleitung mitnimmt, muss dieser Luftverlust über eine kleine Öffnung (beim Hofer Widder geschah deren Größeneinstellung mit einem kleinen Holzkeil in einem Schlitz des Rohres) oder ein "Schnüffelventil" in der Zulaufleitung kurz vor dem Widder, ersetzt werden.

Der Widder wirkt vereinfacht betrachtet (unter Vernachlässigung der Verluste) wie ein hydraulischer Hebel: kleine Zulaufhöhe mal große Wassermenge = große Steighöhe mal kleine Wassermenge. Der Wirkungsgrad eines Widders hängt vor allem vom Verhältnis der Förderhöhe zur Zulaufhöhe ab und liegt in der Regel zwischen 50 und 70 %

Quellen und Literatur

  • Kleiber, Johann: Grundriss der Physik, neu bearbeitet von Heinrich Alt, 7. Auflage München 1954, S. 78
  • Mähr, Christian: Vergessene Erfindungen. Warum fährt die Natronlok nicht mehr? dritte Auflage Köln 2004, S. 65
  • Busse, Burkhard u. a.: Noch mehr Wissen über Technik, Köln 1988, S. 81
  • Gschwandtner, Martin: Der hydraulische Widder. Eine technische Rarität ist in Hof noch in Betrieb, Flachgauer Nachrichten, 3. September 1998
  • Gschwandtner, Martin: Referat in der LV (KO) "Innovationen, Technologietransfer und Industriespionage", gehalten im SS 1999 bei Prof. Reinhold Reith an der Universität Salzburg, Teil 2: Vorstellung eines Beispieles aus der Praxis: "der Hydraulische Widder"
  • Skizze: Vereinfachte Darstellung des Hofer Widders; diese Skizze basiert auf der Zeichnung des Verfassers, die in der Reportage der SN, Lokalteil S.16. vom Montag, 14. September 1998 enthalten ist
  • Weinmann, Peter: Faszination Hydraulischer Widder, Hersbruck 2009