Peter Prossinger
Der Fall Peter Prossinger ist die Geschichte eines Korbflechters, der in der Nachkriegszeit auf perfide Art um seine Existenzgrundlage gebracht wurde.
Der Fall Peter Prossinger
Das Salzburger Tagblatt berichtete am 14. Jänner 1949:
Im Zusammenhang mit unserem gestrigen Artikel "So wohnt man in Salzburg" wird uns ergänzend mitgeteilt:
In der Baracke XVI an der Innsbrucker Bundesstraße 67 A arbeitete seit 1945 der Korbflechter Peter Prossinger. Infolge eines ererbten Nervenleidens versuchte dieser Arbeiter 1934 einen Selbstmord zu begehen. Er wurde damals in die Nervenheilanstalt Lehen eingewiesen und bis 1938 dort festgehalten. Die Vollentmündigunig wurde ebenfalls ausgesprochen. Zum Kurator setzte man seine Mutter ein. Dieser gelang es, ihren Sohn 1938 aus der Anstalt herauszubringen und seine Halbentmündigung durchzusetzen. Er arbeitete nun als Bauarbeiter an der Reichsautobahn bis Kriegsbeginn, rückte als Sanitäter ein, wurde aber wegen seines sich immer mehr verschlechternden Augenleidens schon 1942 aus der Wehrmacht entlassen.
In einem Behelfsheim neben, dem Vogelhaus im Mirabellgarten baute er sich nun seine Werkstatt auf und arbeitete seither als Korbflechtermeister. 1944 wird er dort das erstemal und 1945 das zweitemal ausgebombt. Prossinger verlor damit seine Maschinen, (zwei elektrische Motore, eine elektrische Kochanlage, die Band- und Kreissäge) und das Flechtmaterial im Werte von 2500 RM. Nach Kriegsende ging er wieder auf Werkstattsuche und kam auf die Baracke XVI an der Innsbrucker Bundesstraße. Sie gehörte der Heeresabwieklungsstelle der Landesregierung. Sie hatte weder Türen noch Fenster, auch keine Beleuchtung. Nur zwei Räume waren hergerichtet, in denen fünf Ami-Mädchen hausten.
Die Baracke selbst instandgesetzt
Prossinger setzte mit eigenem Geld und eigenem Material diese Baracke sofort in bewohnbaren Zustand. Er verglaste alle Fenster, baute die Rahmen dazu, setzte acht Türen ein, besserte das Dach aus und legte die elektrische Leitung für die Beleuchtung. 1946, nachdem auf Kosten Prossingers die Baracke erst bewohnbar war, setzte die Landesregierung Herrn Max Sterly als Verwalter ein. Irgendeine Vergütung für das aufgewendete Material und Geld erhielt er natürlich nicht. Nicht einmal für die Starkstrom- und Lichtleitung. Die Landesregierung nahm die diesbezügliche Aufstellungsliste nicht einmal zur Kenntnis. Auf Grund dieser Instandsetzungsarbeiten konnten die Parteien überhaupt erst einziehen.
Mit Übernahme der Verwaltung durch Sterly begann auch schon der Verfall der Baracke: Prossinger führte noch die Kanalisierung durch, als er aber sah, daß ihm von Sterly nur Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden, gab er es natürlich auf, sich weiter um die Baracke zu kümmern. Sterly gab auch ganz offen zu, daß er die Baracke verfallen lasse, um sie erstens billig in die Hand zu bekommen und durch ihren unbewohnbaren Zustand die Parteien hinauszutreiben.
An Zins wurden von Prossinger 41 S monatlich verlangt, wozu noch über 40 S Wassergeld kamen. Der Korbflechter verbrauchte nicht mehr als 10 Kubikmeter Wasser im Monat. Nachdem der Kubikmeter 55 Groschen kostet, mußte er im Monat eigentlich für sechs Monate das Wassergeld bezahlen. Im Mai 1948 begann es schon in die Baracke zu regnen, Von Prossinger aufmerksam gemacht, daß die Zinsgelder für Reparaturen zu verwenden sind, bestreitet dies Sterly und verweist darauf, daß sich jede Partei selbst darum kümmern müsse.
Das Kesseltreiben beginnt
Von dieser Zeit an begann nun Sterly eine wüste Hetze in Form von Anzeigen gegen Prossinger, worin er ihn als brandstiftungsgefährlich bezeichnet, ferner beschuldigte er ihn des Verkaufs von Öfen, obwohl Prossinger nachweisen konnte, daß ein Teil der Öfen sich bei den Parteien befindet, einer von einem Sudetendeutschen in die Baracke XVII verschleppt und der andere Teil von den Ami-Mädchen verkauft wurde. Es folgen weitere Anzeigen, daß Prossinger seine erste Frau ermordet und seine Nichte vergewaltigt habe, kurz und gut, ein Trommelfeuer von verleumderischen Anzeigen prasselte auf Prossinger herunter, das, trotz seiner Haltlosigkeit, dem ohnehin nervenkranken Mann so zusetzte, daß er einen neuerlichen Selbstmordversuch unternahm. Prossinger wurde also wieder nach Lehen eingeliefert, seine Frau erlitt dadurch einen Nervenzusammenbruch und mußte ebenfalls in die Heilanstalt eingeliefert werden. Das Kind lebt seither bei der Mutter. Sterly hatte damit erreicht was er wollte. Das Ehepaar Prossinger in der Heilanstalt und das Korbflechtergeschäft zerstört.
Prossinger arbeitet nun in der Heil- und Pflegeanstalt Lehen, als Korbflechter von 7 Uhr früh bis 12 Uhr und von 2 Uhr bis 8 Uhr in einem Kellerloch ohne Fenster, kalt, nicht heizbar, den ganzen Tag bei elektrischem Licht. Obwohl er laut Vereinbarung mit der Direktion für Stücklieferung bezahlt werden sollte, was im Monat durchschnittlich 250 bis 300 Schilling ausmachen würde, wurde diese Vereinbarung nicht eingehalten und Prossinger bekommt für die ganze Arbeit lediglich ein Taschengeld von 3 S im Monat.
Wer steckt hinter der Internierung?
Nach Beschluß der Untersuchungskommission kann Prossinger sowohl aus der Heilanstatt entlassen als auch darin behalten werden. Man läßt ihn natürlich darin. Prossinger macht, wie wir uns selbst überzeugen konnten, einen durchaus normalen und in seiner Ausdrucksweise auch intelligenten Eindruck. Als tüchtiger und äußerst fleißiger Arbeiter ist er in der ganzen Anstalt beliebt und wird deshalb auch dementsprechend ausgenützt.
Jedenfalls geht es nicht an, daß man einen Menschen, weil er tüchtig, fleißig und als Facharbeiter eine billige Arbeitskraft ist, einfach festhält. Oder steckt da auch Herr Sterly dahinter? Die Befürchtungen Herrn Prossingers, daß er durch seinen Aufenthalt in Lehen auch noch um seine Wohnung und die Werkstätte in der Baracke kommt, sind daher vollauf berechtigt.
Quelle
- ANNO, Salzburger Tagblatt, Ausgabe vom 14. Jänner 1949, Seite 4