Der stille Tod der Wirtshäuser in Salzburg
Der stille Tod der Wirtshäuser in Salzburg ist seit den 2010er-Jahren immer wieder ein Thema in den Salzburger Nachrichten.
Roland Essl zum Thema
Roland Essl war Wirt im Gasthof Weiserhof in der Stadt Salzburg, Koch, Manager, Metzger und Handwerker. Sein Vater Günter machte den Salzburger Gasthof Krimpelstätter zu einer gastronomischen Institution. In der Ausgabe vom 6. Mai 2019 nahm Essl Stellung zum Wirtshaussterben:
"Gastronom ist ein wunderschöner Beruf", sagt er. "Kaum ein anderer bietet so viele Gestaltungsmöglichkeiten." Und trotzdem ist er überzeugt, dass die heimische Wirtshauskultur dem Untergang geweiht ist. Warum das so ist? "Da muss ich weit ausholen", sagt er. Noch bis in die 1970er-Jahren sei ein Wirtshaus ja fast nur eine Ausschank gewesen. "Da gab es höchstens Würstel und Gulasch - und einen Fernseher." Auch das Bier für daheim wurde damals noch in Milchkannen mit nach Hause genommen. Aber irgendwann hätten die Gäste eben auch daheim ihren eigenen Fernseher gehabt - und das Bier vom Supermarkt.
Die Wirte mussten sich etwas Neues überlegen. Und das war dann ein erweitertes Speiseangebot. Dafür braucht man wiederum gute Köche. "Solche Köche mussten damals mindestens zehn Lehrstationen absolviert haben", erzählt Essl. Diese Fachkräfte konnten den Wirt aber auch leicht erpressen. Weil er seine Rezepte nur an seine Lehrlinge weitergab - wenn überhaupt. Aus dieser Situation gab es für den Wirt dann nur einen Ausweg: "Convenience-Produkte", sagt Essl. "Das ist super für den Wirt. Convenience spart Personal, es ist besser kalkulierbar und länger lagerfähig. Aber das Wichtigste ist: Der Küchenchef war auf einmal problemlos austauschbar."
Der Nachteil von Convenience, erklärt Essl, sei ihre Mittelmäßigkeit. Und genau diese Mittelmäßigkeit habe einen Teufelskreis in Gang gesetzt: "In Convenience-Küchen ausgebildete Köche bilden heute die nächste Generation an Köchen aus", sagt Essl. "Und wenn diese schlecht ausgebildeten Köche nicht mehr imstande sind, Grießnockerl oder Strudelteig herzustellen, dann haben wir den Salat." Dem Vorschlag der Wirtschaftskammer, die Lehrlingsentschädigung anzuheben, um die Kochlehre wieder attraktiver zu machen, kann Essl nichts abgewinnen: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Und die gehobene Position in der Küche sollte man sich schon erarbeiten."
Den Betrieben, in denen noch gute Köche das Sagen haben, macht dann der Staat das Leben zusätzlich schwer. Essl: "Die Auflagen und Aufzeichnungsvorschriften erdrücken uns. Von der Rattenbekämpfung bis zum Fahrtenbuch - wer wann was mit was gereinigt hat. Da wird der Koch zum Hilfsbeamten."
Und vor dem Arbeitsinspektor, sagt Essl, könne man richtig Angst haben. Denn dessen Behörde steht im Ruf, so lang zu kontrollieren, bis sie endlich etwas gefunden hat. "Und dann dem bösen Wirt eine Auflage zu verpassen", fügt er hinzu. "Und hat sich jemand in der Küche verletzt, dann war die Polizei nicht selten früher da als die Rettung."
Ein weiteres großes Problem ist der Personalaufwand. "Die Preise der Getränke und Gerichte sind ja an die Finanzkraft des Gastes gebunden", erklärt Essl. Die Personalkosten in einem Wirtshaus sind aber sehr hoch. "Sie liegen oft bei 45 Prozent vom Gesamtumsatz. Mit den restlichen 55 Prozent muss dann der ganze Betrieb finanziert werden. Also die Miete, der Wareneinsatz, Steuern, Versicherung und so weiter. Was dann noch übrig bleibt, das ist dann der Gewinn des Wirts, von dem er noch einmal 45 Prozent Einkommensteuer abziehen kann."
Essl meint, bei diesen Rahmenbedingungen gehe dem Wirt jegliche Perspektive verloren: "Ein Beruf sollte eine Familie ernähren können. Erstrebenswert wären 2200 bis 2500 Euro. Aber das ist in diesem System für die meisten nicht mehr drin." Als nächster Nackenschlag für die Wirtshauskultur kommt dann noch der Fachkräftemangel hinzu: "Aber die Arbeit muss trotzdem gemacht werden. Das heißt, dass die noch vorhandenen Mitarbeiter dieses Loch füllen müssen, was auch diese auslaugt und vermehrt zu Krankenständen führt. Der nächste Teufelskreis."
Dass die Kinder der Wirte, also die nächste Generation, diesen Weg nicht weitergehen wollen, das überrascht wohl niemanden mehr. Die Folge: Ein Betrieb nach dem anderen sperrt zu.
"Die Wirtshauskultur stirbt", sagt Essl. "Aber die Gastronomie wird sich mit neuen, extrem personalsparenden Konzepten neu erfinden." Nur einen kleinen Hoffnungsschimmer gebe es noch: Das sind Ethno-Küchen aus Asien und Südosteuropa. "Die können noch frisch kochen. Und sie halten zusammen."
Quelle
- "Salzburger Nachrichten", 6. Mai 2019