Michaelsbogen
Der Michaelsbogen ist ein Durchgang in der Salzburger Altstadt zwischen der dem heutigen Gebäude der Salzburger Landes-Hypothekenbank AG und der Filialkirche zum hl. Michael vom Waagplatz zum Residenzplatz.
Auseinandersetzungen 1813 bis 1846 um den Durchgang
Auszüge aus einem ca. vier Zentimeter dicken Aktenbündel aus dem Archiv der Stadt Salzburg (AStS), worin Seraphin Kobler, Höllbräuer, gegen Wolfgang Mayr, Schiffwirt (ehemals Hôtel zum Goldnen Schiff), seit 1919 Sitz und Stammhaus der Salzburger Landes-Hypothekenbank Aktiengesellschaft), seit 1814 bzw. 1813[1]] klagte, durch den Michaelsbogen freien Zugang zu bekommen. Er müsste sonst vom Waagplatz aus um das Café Glockenspiel und über den Mozartplatz einen Umweg nehmen. Das Höllbräu liegt in der Judengasse, grenzt aber direkt an den Waagplatz.
Der Michaelsbogen steht auf historischem Boden: Während sich im Kellergeschoss des Höllbräu die Grundmauern einer römischen Porta zur Salzach hin befindet, markiert gegenüber der Durchgang den Platz neben der Pfalzkapelle Kaiser Friedrich Barbarossas um 1170 und die Grenze der damals befestigten Kaufmannssiedlung.[2] Heute ist das ein heller, freundlicher Durchgang (Residenzplatz Nr. 7). Damals, Anfang des 19. Jahrhunderts, war das offenbar nicht so, und der Durchgang gehörte zum Haus des Schiffwirts. Die folgenden Akten reichen bis 1846. Franziska Kobler erstritt sich schließlich das Durchgangsrecht in der letzten Instanz.[3]
AStS, Pezolt Akten 217 1/2 Seraphin Kobler, Höllbräuer, gegen Wolfgang Mayr, Schiffwirt: 1814 12. Dezember: Das königl. baierische Stadtgericht Salzburg hat in rubrizirter Streitsache zur Sublication auf den 22. Xbris früh 9 Uhr eine Commission angesetzt, wobey Seraphin Kobler b. [bürgerlicher] Bierbräuer, und 6 Consorten mit ihrem Rechtsvertretter Licentiat Flamlischberger sub acclusione duplicati der gegnerischen Kathegorischen Einrede de praes: 14. November zu erscheinen beauftragt werden. Gegner Wolfgang Mayr. Gastgeb zum gold. Schiff.
1815 19. Februar: 12 Bürger, darunter Spath, Würstl, Caspar Freysauf [ Caspar Freysauf'sche Handlung, Waagplatz Nr. 2, Anm.], Anton Reiffenstull, Joh. Nep. Rierdorffer, Anton Reiter, Franz Xaver Heller, Gall, Aichinger, Schmid. / an Königlich baier. Stadtgericht: Es ist uns zu vernehmen gekommen, daß dem Hr. Wolfgang Mayr bürgerl. Gastgeb zum Goldenen Schiff die ihm von dem königl. Polizeykommissariat aufgetragenen gänzlichen Sperrung des ihm eigtenthümlich angehörigen Michaelsbogen erschwert werden will. Wir erklären uns daher als nächste Adjozenten gehorsam, daß wir nicht nur allein gegen die polizeyämtliche Verfügung nicht das geringste einzuwenden haben, sondern vielmehr es selbst unsern Wunsche aus der wesentl. Ursache entspreche, weil dadurch die unter diesem Bogen bestandene ausserordentliche Unreinlichkeit, die größtentheils sogar das Durchgehen zu allen Zeiten verabscheuend machten, beseitiget, und vorzüglich die unter selben zu Nachtszeit vielfältig verübte Unsittlichkeiten und gegebenen Aergerniße aufgehoben wurden. Überdieß bestättigen wir hirmit, daß wir in keinem Falle ein vermeintliches Dienstbarkeits Recht rücksichtl. des Durchgehens, Reiten und Fahren, welches ohne hin niemals bestand, in Anspruch nehmen wollen, oder können. Ersessene Dienstbarkeit für die Gewerbetreibenden in der Judengasse.
1815 3. Dezember München an das General Commissariat des Salzachkreises: 1. Weg durch den Bogen durchaus entbehrlich, Sperrung wird zugelassen, bis neue Gründe polizeilicher Sicherheit und Ordnung die gänzliche Sperre des Durchgangs gebieten. / 2. Als solcher Grund kann der bisherige Missbrauch nicht angesehen werden. / a) Die Unsittlichkeit kann durch die nächtliche Sperre verhindert werden / b) Die Unreinlichkeit durch Verbot und poliz. Aufsicht gesteuert / 3. Für den Fall eines gütlichen Überinkommens oder im Rechtsverfahren das Offenhalten des Bogens bestimmt würde, hätte Seraphin Kobler und Consorten ihrem Angebot gemäß den Bogen jeweils nachts zu sperren u. ihn täglich zu säubern; eine mehrfache Nachlässigkeit hätte die totale Sperre des Bogens zur Folge.
1816 10. April Definitive Erkenntnis des königl. baier. Stadtgerichts Salzburg: Beklagter Wolfgang Mayr ist schuldig, und angehalten, den auf polizeil. Verfügung gesperrten Michaeli Bogen zum allgemeinen Gebrauch und Bequemlichkeit aller Stadteinwohner, und vorzüglich der rückwärts des Bogens gelegenen Einwohner zu öffnen, vorbehältlich der in dem Allerhöchsten Reskript vom 3. Dezember 1815 ausgesprochenen Modification. Die auf diesem Prozeß erloffenen Kösten sind zu compensiren.
1816 8. Juni Rekurs Mayrs an das k.k. Hochlöbl. Niederoesterreichische Appellations Gericht in Wien.
1818 17. März Seraphin Kobler et Cons. Stellungnahme an Appellationsgericht: Nicht leicht wird je ein Rechtsstreit in der juridischen Welt bekannt seyn, wie der zwischen uns ehrerbietigst unterzeichneten, und dem bürgerl. Schifwirth Wolfgang Mayr [...]
1818 6. April Notiz auf der Rückseite: Denen Rekurrenten mit dem Bedeuten zuzustellen, dieselben werden mit diesem ihrem wider das Stadtgerichte Salzburg ungegründet, und wider die Verfügung der polizeil. Behörden ungeeignet hierher ergriffenen Rekurs, aus mitfolgenden Gründen abgewiesen.
1818 3. Mai Eingabe Koblers und Cons. an die k.k. Hochlöbl. oberste Justitz Hofstelle.
1818 15. Juni Rekurs Koblers an die k.k. Hohe Landesregierung in Linz in puncto Servitutio viae
1818 10. Juli Seraphin Kobler e.h. an das k.k. Stadt- und Landrecht um Kostenliquidirung und deren Vergütung. Beilage: Verzeichniß der Reserviten und Auslagen in Sachen Seraphin Kobler et Cons. gegen Wolfgang Mayr Schiffwirth, pct. Servitut. viae. 1813–1818. Ges. 231. f. 59. xr. [Die Unkosten für den Rechsstreit sollen Seraphin Kobler ersetzt werden. Das ist aber offenbar nie geschehen.]
1818 2. September K.K. Kreisamt Salzburg macht das Kreisamt Dekret vom 18. August, Zl. 6327 ersichtlich: Aus Polizeirücksichten soll der Michaelsbogen fernerhin gesperrt bleiben, Rekurs von Seraphin Kobler vom 15. Juni 1818 ist zu verwerfen: / 1. Bei Offenhalten müsste ein bleibender Polizeiposten dort aufgestellt werden / 2. Durchgang ist weder für das allgemeine, noch insbesondere für die Rekurrenten erforderlich, oder kann besonders nutzen, indem der Durchgang durch das dicht neben an anstoßende Thor des Gasthofes im Schiff ohnehin offen ist, und für die fahrenden und reitenden der Weg um das Gebäude der Michaelskirche statt durch den Michaelsbogen kaum 50 Schritte beträgt. / 3. Bei gleichzeitigem Fahren od. Reiten zusammen mit Fußgängern ist Gefahr eines Unfalles besorglich, auch in Beziehung auf Unterschleif für Sittenloses Gesindel soll Bogen gesperrt sein. / 4. Der im Akt vorliegende Situationsplan [fehlt!] zeigt unleugbar, daß weder für das allgemeine, noch für das prifat Intereße etwas genommen würde, wenn man durch den Michaelsbogen, statt durch das Schiff Gastgebs Haus oder um die Michaels Kirche auf den Waagplatz gelangt, von der anderen Seite aber ohnehin der Zugang zum Waagplatz durch die Judengasse offen ist; so scheint einzig der Gewerkswider des Bräuers Seraphin Kobler die Triebfeder dieses Rekurses zu seyn, weil dieser Rückwärts des Waagplatzes auch eine Gastgebs Gerechtigkeit besitzet, und dem Gastgeb im Schiff die Benutzung des Michaelbogens zur Unterbringung der Wagen entziehen möchte […].
1818 19. September Seraphin Kobler an Seine Majestät. Recurriren allunterthänigst […] Euer Mayestät […] Der Michaels Bogen ware von jeher zum fahren, reuten und gehen offen, wie die Salzburgischen Geschichtschreiber und die vorhandenen Grundrisse der Stadt Salzburg bewehren, und im Lauf des Rechtstreits erwiesen worden ist, und so wurde durchgefahren, geritten und gegangen, bis der Schiffwirth Wolfgang Mayer, auf dessen Grund und Boden der Michaels Bogen stehet, dagegen Einwendungen machte, und veranlaßte, daß das damalig königliche Bayrische Polizey-Kommissariat die Sperrung dieses Michaels Bogen verordnete. […] Unterzeichnete nach drey für sie erflossene Urtheile zurückgesetzt in ihren Gewerben, gekränkt in ihren Eigenthum durch Sperrung [… und] zum Spott der ganzen Stadt […] . Unterzeichnete verlöhren an ihrem Eigenthum, welches sie rücksichtlich des leichteren Verkehrs theuerer pachten, und der sachfällige Schifswirth gewönne durch Benutzung eines Raums an seinem Eigenthum […] . Beruhigt sind Unterzeichnete, daß so was von Euer Mayestät nicht gebilligt werden könne, vielmehr vertrauen sie Ehrfurchtvoll in die Allerhöchst Landesväterliche Fürsorge für die Bequemlichkeit des ganzen Publikums, für den Vortheil der Unterzeichneten bey ihren Häußern und Gewerben […] und bitten recurrendo allerunterthänigst […] die Öffnung des Michaels Bogens […] zu befehlen […] 19. 7b. 818 [19. September 1818]: Seraphin Kobler / Jakob Koller / Christian Pauernfeind Paurnfeind / Karl Wührer / Nikolaus Erlacher / Anton Ballauf / Peter Paul Weikl[4].[5]
1819 22. Juni Protokoll Copia: Durch Dekret des k.k. löbl. Kreisamtes vom 3. und 9. Juny d. J. wird dem Magistrat eröffnet, daß die k.k. vereinte Hofkanzley die Entscheidung der k.k. Landesregierung und des Kreisamtes, wodurch die Sperrung des Michaels Bogens in Salzburg verfügt wurde, auf den vom Seraphin Kobler und Konsorten ergriffenen Rekurs aufzuheben, und die Wiedereröffnung des Bogens gegen Erfüllung der im königl. baier. Ministerial Reskript vom 3. Dezember 1815 den Rekurrenten auferlegten Bedingungen anzuordnen befunden habe. Zugleich erhielt der Magistrat durch das gedachte kreisämtl. Dekret die Weisung, diese hohe Hofentschließung den Intereßenten zu eröffnen. [...] Wolfgang Mayr hat heute den Schlüssel zum Bogen an Seraphin Mayr übergeben und ließ sich bestätigen, dass die vorerwähnten Bedingunge und Pflichten Koblers genau eingehalten werden.
1845 8. Juli Bürgermeister Lergetporer (Alois Lergetporer) an Franziska Kobler, Besitzerin des Höllbräuer Anwesens: In Hinsicht auf Gehen, Fahren u. Reiten durch den Michaelsbogen ist durch die Hohe Hofkanzlei-Verordnung vom 15. April 1819, Zl. 10.927, wurde nichts geändert, indem diese nur über die erhobenen polizeilichen Bedenken gegen die Offenhaltung dieses Durchganges entschieden hat (ohne auf die Eigentums- oder Servitutsrechte einzugehen), für die gänzliche Schließung liegt kein hinreichender Anlaß vor, unter Aufhebung der kreisämtl. Entscheidung vom 30. März 1844 über den von Josef Mayr dagegen ergriffenen Rekurs, die gegenwärtige Besitzerin des Höllbräuhauses Franziska Kobler und Consorten mit ihrem Begehren wegen Wiedergestaltung des Durchganges durch den Michaelsbogen und wegen Ausfolgung des Schlüssels zum Thore desselben von Josef Mayr auf den Rechtsweg verwiesen.
1846 4. Jänner Frau Fany Kobler mit 6 Mitstreitern hat um Bestätigung der Offenhaltung des Bogens zur Nachtzeit gebeten. / Bürgermeister Lergetporers Antwort: […] wird bestätigt, daß der Offenhaltung des Michaelsbogens zur Nachtzeit, wenn derselbe auf Kösten der Bittsteller durch eine Laterne beleuchtet wird [...] die Offenhaltung bei Tag, als auch zur Nachtzeit als wünschenswerth erscheinet.
Quellen
- ↑ siehe unten zum 10. Juli 1818
- ↑ Das »Höllbräu« zu Salzburg. Geschichte eines Braugasthofes, hrsg. von Erich Marx, Salzburg 1992, S. 24 und 25 mit entspr. Skizzen; vgl. auch S. 26 f.
- ↑ Akten übertragen von Walter Schlegel (Salzburg), im Dezember 2023 überlassen an Otto Holzapfel (Freiburg im Breisgau) und von ihm geringfügig bearbeitet (/ = Zeilenwechsel; [Ergänzung]; Text kursiv wörtlich aus den Akten, sonst auch unmarkierte Zusammenfassungen bzw. Aktenbeschriftungen) und versuchsweise kommentiert. Ein Vergleich mit den Originalen war mir [O. H.] allerdings nicht möglich.
- ↑ Vater des Georg Weickl, Gasthof zum Mohren, Judengasse Nr. 9
- ↑ Archiv der Stadt Salzburg (AStS), Pezolt Akten (Nachlass Georg Pezolt) 217 1/2, 1818 19. September. Text nach einer "Copie", Wien 19. September 1818. Dank an Walter Schlegel, Salzburg, für diesen Hinweis und für die Übertragung der Akte.