2023, Salzburgs letzter Überlebender des Holocaust
Salzburgs letzter Überlebender des Holocaust erlebte 2023 die Pflegeplatzmisere.
Salzburg sah sich nicht imstande, die Heimkosten zu tragen
Weil ein 95-jähriger Holocaust-Überlebender nur in Wien einen geeigneten Heimplatz fand, sieht sich Salzburg nicht imstande, die Heimkosten zu tragen.
"Der letzte Holocaust-Überlebende der jüdischen Gemeinde Salzburg erhält keinen Pflegeheimplatz in Salzburg." Diese Geschichte kursierte Mitte Juli 2023 in politischen Kreisen und innerhalb der jüdischen Gemeinde Salzburg. Der 95-Jährige, der namentlich nicht genannt werden möchte, soll seit einem Oberschenkelhalsbruch pflegebedürftig sein und seinen Lebensalltag nicht mehr allein bestreiten können. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Elie Rosen, bestätigt die Causa auf Anfrage und erklärt: Die Wohnung des Holocaust-Überlebenden sei zu klein, um einen Pfleger unterzubringen. Hinzu komme, dass der Mann seinen Glauben streng praktiziere und somit ein Heim bewohnen möchte, das koschere Lebensmittel und beispielsweise die Möglichkeit des Schacharit, des jüdischen Morgengebets, biete und wo er andere religiöse Bedürfnisse stillen könne. "In Salzburg gibt es kein derartiges Heim", sagt Rosen.
In nächtlichen Verhandlungen mit dem Wiener Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) sei es dann gelungen, dass die Stadt Wien einen Platz in einem jüdischen Heim organisieren konnte. Dorthin wurde der 95-Jährige bereits überstellt. Der Präsident der Kultusgemeinde zeigte sich erleichtert, da es einem streng gläubigen Juden nicht zumutbar sei, in ein nicht jüdisches Altenheim zu gehen. Durch das Umfeld dort sei ihm auch der Abschied aus seinem gewohnten Salzburger Umfeld leichter gefallen, betont Rosen.
Nun steht der Pflegebedürfte jedoch noch vor einer "immensen finanziellen Herausforderung". Weiter offen ist nämlich, wer für die Heimkosten aufkommt. Der 95-Jährige gilt als Salzburger. "Wir haben uns wirklich bemüht, aber wir können keine Kostenübernahme für die Heimkosten außerhalb von Salzburg leisten", sagt Patrick Pfeifenberger, Abteilungsvorstand Soziales in der Stadt Salzburg. Für "Pflege-Grenzgänger" fehle eine rechtliche Grundlage vom Bund. Als Magistrat Salzburg agiere man als Landesbehörde und habe versucht, den Betroffenen die Gesetzeslage zu erklären, betont Pfeifenberger. Die Stadt Salzburg rät dem 95-Jährigen, Wiener zu werden und dort einen Antrag auf Kostenersatz zu stellen. Das Pflegeheim solle die Kosten einstweilen stunden, da der 95-Jährige zum Schuldner wird. "Die Stadt Wien übernimmt die Kosten aber erst nach sechs Monaten", erklärt Rosen. Insider sprechen von rund 25.000 Euro, die in der Zwischenzeit entstehen würden.
Es sei schon öfters vorgekommen, dass Mitglieder der jüdischen Gemeinde ins Pflegeheim nach Wien überstellt worden seien. Mit dem Unterschied: "Das Land Steiermark und auch Niederösterreich haben dann immer einen Kostenersatz geleistet."
Die zuständige Salzburger Stadträtin Andrea Brandner (SPÖ) und der zuständige Landesrat Christian Pewny (FPÖ) betonen zwar, dass sie vermittelt hätten, merken aber auch an, dass sie im Detail nicht informiert seien, und verweisen auf die Beamtenebene beziehungsweise die Stadt Wien. Pfeifenberger sieht die Möglichkeit einer Salzburger Sonderförderung, um für die Heimkosten aufzukommen: "Wir könnten das im Sozialausschuss einbringen." Jedoch müsse zuerst geklärt sein, dass Wien keine Zahlungen leiste, ansonsten sei die Förderung unrechtmäßig.
Rosen bezeichnet diesen Umgang mit Holocaust-Überlebenden als "erbärmlich" und nimmt die politischen Vertreter in die Pflicht. Bei Kaffeegesprächen und Fototerminen mit Überlebenden seien sie gerne dabei. In diesem Fall hätten zahlreiche Politiker trotz Nachfragen keine Lösung zustande gebracht. "Wäre die Stadt Wien nicht aktiv geworden, hätten wir noch immer keinen Pflegeplatz."
Quelle
- www.sn.at, 17. Juli 2023