Anif: Salzburgs Promi-Ort muss sich neu orientieren
Anif: Salzburgs Promi-Ort muss sich neu orientieren ist eine Bestandsaufnahme im Mai 2015 vor den Bürgermeisterwahlen aufgrund des Todes des amtierenden Bürgermeisters Dr. Hans Krüger.
Die Zukunft bringt große Herausforderungen
Der SN-Redakteur Stefan Veigl setzt sich kritisch mit dem Stand der Dinge in der Flachgauer Gemeinde Anif in einem Artikel, erschienen am 11. Mai 2015, auseinander:
Auf seinem Ruf als schicker Nobelort wird sich Anif nicht ausruhen können
Herbert von Karajan hatte hier jahrzehntelang Hof gehalten und einst den Weltkonzern Sony hierher gebracht. Weiters bewohnen die adeligen Familien Moy und Habsburg dort jeweils ein Schloss. Stardirigent Riccardo Muti hat hier ein Anwesen, auch Schauspielerin Louise Martini und Alt-Landeshauptmann Hans Katschthaler (ÖVP) hatten bis zu ihrem Tod im Vorzeigedorf residiert. Anif gilt schon seit Jahrzehnten als Domizil für die Reichen und Schönen in Salzburg.
Dieser Nimbus hat für die Gemeinde mit den vielen schönen, unverbauten Wiesen aber eine Schattenseite: exorbitant hohe Baulandpreise. Bis zu 1.000 Euro kostet ein Quadratmeter im Anifer Zentrum. In den beiden anderen Ortsteilen Neu-Anif und Niederalm zahlt man auch kaum unter 350 bis 500 Euro/m².
Die Folge ist eine deutlich schrumpfende Bevölkerungszahl: Aktuell (Mai 2015) hat Anif rund 3 990 Einwohner. Mitte der 1990er-Jahre waren es noch über 4 300. Das ist ein Minus von fast acht Prozent in nur 20 Jahren. Denn viele Junge ziehen weg, weil sie sich hier eine Wohnung oder gar ein Eigenheim nicht leisten können. Das zeigt sich auch im Altersdurchschnitt der Gemeindebürger, der bei 44,6 Jahren liegt.
Damit ist Anif unter den Top 4 der "ältesten" Gemeinden Salzburgs. Mit einem Jugendanteil von nur 17,9 Prozent liegt man auf dem viertletzten Platz, beim Seniorenanteil mit 22,1 Prozent dafür auf Platz drei im Vergleich aller 119 Gemeinden im Land.
Wenn am 31. Mai 2015 nach dem plötzlichen Tod von Langzeit-Ortschef Hans Krüger ein neuer Bürgermeister gewählt wird, ist klar, dass hier gegengesteuert werden muss.
Alle fünf Bürgermeisterkandidaten haben sich daher die Schaffung von günstigem Wohnraum als Ziel gesteckt. Ein Ansatz dafür ist, auf Nachverdichtung zu setzen - also bei bestehenden Einfamilienhäusern Wohneinheiten an- oder Dachgeschoße auszubauen. Offen ist, ob das reichen wird, um den Bevölkerungsschwund aufzuhalten.
Spagat zwischen "grün" und "traditionell"
Gleichzeitig wollen die Anifer Kommunalpolitiker den Spagat schaffen und den Charakter ihrer "grünen" Gemeinde - samt traditionellem Ortsbild mit Satteldach-Vorschrift - nicht verlieren. Außerdem hat das erst 1894 von Grödig abgespaltene Anif auch die Funktion als Naherholungsgebiet der Stadt-Salzburger.
Bauland ist in Anif auch deswegen knapp, weil der Ort mit nur 7,6 km² zu den kleinsten Gemeinden Salzburgs zählt. Und Hans Krüger hat 1998 als einer der wenigen Ortschefs gewagt, etliche Hektar ungenutztes Bauland in Grünland rückzuwidmen.
Im Gegenzug hat die Nachbarstadt Hallein in den letzten 15 Jahren im Ortsteil Rif Hunderte Wohnungen gebaut. Als Folge hat Rif mit seinen über 4 000 Einwohnern Anif bereits überholt. Auch das hat eine Schattenseite: Denn der Verkehr auf der Salzachtal Straße (B 159) hat durch die steigende Zahl an Pendlern aus Rif massiv zugenommen. Besonders betroffen ist der Anifer Ortsteil Niederalm. Pläne für eine eigene Autobahnauffahrt für Rif gibt es schon lang. Verwirklicht wurden sie nie. Und Anif selbst kann der Nachbarstadt Hallein ohnehin nicht vorschreiben, über welche (neuen) Straßen sie ihre Siedlungen aufschließt - oder nicht.
Wirtschaftsstandort in Gefahr?
Ein weiteres wichtiges Thema ist, wie es mit Anif künftig als Wirtschaftsstandort weitergeht: Denn mit der Ansiedelung von Sony DADC gelang der Gemeinde 1986 ein Coup, von dem sie jahrzehntelang lebte.
In der Hochzeit waren in der CD-Produktion in Anif bis zu 1 000 Mitarbeiter beschäftigt. Doch in den letzten Jahren ist der japanische Konzern ins Schwanken geraten: Denn die Musik-Downloads haben den CD-Markt einbrechen lassen. Aktuell (Mai 2015) arbeiten nur mehr rund 400 Mitarbeiter bei Sony in Anif. Das ehemalige CD-Produktionswerk ist mittlerweile zur Sony-DADC-Europazentrale umfunktioniert worden. Weiters wird dort im Bereich Biotechnologie geforscht.
Dennoch wird sich die Gemeinde in puncto Wirtschaft neu orientieren müssen - und in den Wettbewerb mit anderen Kommunen um neue Betriebsansiedelungen einsteigen müssen.
Eine weitere Herausforderung für den oder die neue/-n Ortschef/-in ist, wie es mit der 1969 erbauten, achtklassigen Volksschule weitergeht: In der laufenden Periode wird entschieden werden müssen, ob sie noch einmal saniert oder doch abgerissen und ganz neu gebaut wird. Kostenpunkt: mindestens fünf Millionen Euro. Noch ist Anif aber finanziell gut aufgestellt: Denn die Gemeinde sei als eine der wenigen in Salzburg praktisch schuldenfrei und habe eine jährliche freie Finanzspitze von 1,5 Mill. Euro, sagt Josef Grasmann. Er war Krügers Vizebürgermeister und leitet die Geschicke interimistisch bis zur Neuwahl. Sollten aber noch mehr Arbeitsplätze und Einwohner verloren gehen, könnte auch dieser Status wackeln. Im Kulturbereich hat die Gemeinde bereits den Schritt in die Zukunft gewagt und 2014 ein modernes Kulturzentrum eröffnet, das drei Millionen Euro gekostet hat.
Gewählt wird der oder die neue Anifer Bürgermeister/-in am 31. Mai. Weil aber gleich vier Männer und eine Frau zur Wahl stehen, ist eine Entscheidung schon im ersten Wahlgang unwahrscheinlich. Sollte kein Kandidat auf Anhieb auf über 50 Prozent der Stimmen kommen, findet am 14. Juni eine Stichwahl statt.
Quelle
- "Salzburger Nachrichten", 11. Mai 2015 Stefan Veigl